Wenn das amtierende Weltmeisterteam nach der Saisonvorbereitung freiwillig vom besten Winter der Teamgeschichte spricht und gleichzeitig von der Konkurrenz und den Medien als Favorit angesehen wird, kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen, oder?

"Die Erwartungshaltung ist eine andere, aber das Ziel ist das Gleiche wie 2010", sagt Sebastian Vettel. "Wir wollen nach wie vor gewinnen." Einfach wird das nicht. Ferrari und Fernando Alonso brennen darauf, den verpassten WM-Titel von 2010 nach Maranello zu holen.

"Es ist schön, die Nummer 1 auf dem Auto zu haben", sagt Vettel. "Jedes Mal, wenn ich die Nummer sehe, überkommt mich ein angenehmer Schauer, aber im Endeffekt ändert das gar nichts." Während Vettel diese Startnummer liebend gerne behalten würde, hat auch Mark Webber ein Auge darauf geworfen: "Es macht einfach Spaß, die Pläne anderer Leute zu durchkreuzen. Und wir werden versuchen, das wieder zu schaffen."

Red Bull geht als Favorit in die Saison, Foto: Sutton
Red Bull geht als Favorit in die Saison, Foto: Sutton

Das Team Erfolge wecken Begehrlichkeiten. Noch vor Saisonbeginn hat Red Bull für klare Verhältnisse gesorgt: Die Zusammenarbeit mit Sebastian Vettel, Adrian Newey, Christian Horner und vielen weiteren wichtigen Mitarbeitern wurden langfristig bestätigt. Gleichzeitig gab das Team einige Vertragsverlängerungen und Abschlüsse mit Sponsoren bekannt. Die Vorzeichen stehen also gut.

Die Fahrer Auf dem Papier hat Red Bull erneut eine der stärksten Fahrerpaarungen im Fahrerlager. Beide Piloten kämpften 2010 bis zum Finale um den WM-Titel, beide gewannen Rennen und führten die WM-Tabelle an. Sebastian Vettel geht als Weltmeister gestärkt in die neue Saison. Nach dem Medienmarathon nach dem Titelgewinn hatte er etwas Zeit, um Luft zu schnappen und sich auf die Titelverteidigung vorzubereiten.

Im letzten Jahr unterliefen dem jungen Deutschen zwar hin und wieder Fehler, doch die Konkurrenz beging noch mehr. Mit der zusätzlichen Erfahrung des vergangenen Jahres geht Vettel erneut als einer der Favoriten in die neue Saison. Die andauernden Abwanderungsgerüchte schaffte Red Bull mit der Vertragsverlängerung bis 2014 aus der Welt.

Mark Webber muss beweisen, dass er den Titelverlust weggesteckt hat, Foto: Pirelli
Mark Webber muss beweisen, dass er den Titelverlust weggesteckt hat, Foto: Pirelli

Mark Webber muss hingegen abermals seine letzte Chance nutzen. Der Australier ist schnell, das hat er 2010 bewiesen, jetzt muss er zeigen, dass er den Rückschlag des verlorenen Titels weggesteckt hat und sogar noch gestärkt daraus hervorgegangen ist. Angesichts der Streitigkeiten mit dem Team aus dem Vorjahr bleibt jedoch immer eine gewisse Explosionsgefahr.

Das Auto Der RB7 präsentierte sich bei den Wintertestfahrten von Valencia bis Barcelona so, wie man es vom Nachfolger eines Weltmeisterautos erwartet: auf Anhieb schnell und zuverlässig. Nicht umsonst sprachen Sebastian Vettel und Christian Horner von der besten Saisonvorbereitung aller Zeiten. Red Bull spulte zwar etwas weniger Testkilometer ab als Ferrari, war jedoch fleißiger als in den vergangenen Jahren, was auch daran lag, dass der RB7 schon beim ersten Test des Winters fahrbereit war.

Optische Revolutionen sucht der Betrachter am neuesten Streich von Adrian Newey vergeblich. Dennoch war das Auto sowohl auf einer schnellen Runde als auch auf Long Runs stark unterwegs. Trotzdem hält Mark Webber den Ball flach: "Wir werden sicher nicht sagen, dass wir alle vernichtend schlagen, denn das wäre naiv. Hoffentlich sind wir zu Beginn nicht so weit von Ferrari weg und dann schauen wir weiter."

Red Bull steht auch dieses Jahr wieder im Fokus, Foto: Sutton
Red Bull steht auch dieses Jahr wieder im Fokus, Foto: Sutton

Saisonziel: Beide WM-Titel verteidigen

PRO: Red Bull ist das Team, das es dieses Jahr zu schlagen gilt. Davon ist die Mehrheit im F1-Umfeld überzeugt. Adrian Newey gelang mit dem RB7 wieder ein Spitzenauto, das sowohl schnell als auch zuverlässig ist. In diesem Winter spulte Red Bull mehr Testkilometer als im Vorjahr ab - und jeder weiß, wer am Ende den Titel holte. Auch intern sollte alles zwischen Sebastian Vettel und Mark Webber ausgesprochen sein, damit sich Probleme aus dem Vorjahr nicht wiederholen. (Kerstin Hasenbichler)

CONTRA: Alles scheint für Red Bull zu sprechen: Die Testergebnisse, die Zuverlässigkeit, die Stimmung und die Meinung von Experten und Konkurrenten. Doch genau das kann trügerisch sein: Wenn Ferrari sich an der Spitze festbeißt und vielleicht noch ein anderes Team, etwa Mercedes oder Renault, ein Überraschungscoup gelingt, könnte Red Bull schnell ins Trudeln geraten. Das Team ist erfahren genug das auszugleichen, aber nicht jedes Jahr übersteht ein Rennstall interne Kollisionen wie jene zwischen Teamführung und Mark Webber unbeschadet. Das kann schnell entscheidende Punkte kosten. (Stephan Heublein)