Interessant ist es schon: Ausgerechnet sehr viele von denen, die in Hockenheim nach der Ferrari-Stallorder für Fernando Alonso noch lautstark gegen das Vorgehen der Italiener gewettert hatte und dabei immer wieder auf das eindeutige Verbot derartigen Handelns durch die FIA verwiesen, fordern jetzt mindestens genauso laut, dass Red Bull nun, nach dem Ergebnis von Korea, eindeutig auf die Karte Mark Webber setzen müsse.

Unruhestifter Whitmarsh

Was ja im Klartext nichts anderes heißt als: Stallorder gegen Sebastian Vettel, für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass der auch in den nächsten beiden Rennen den Australier auf der Strecke im Griff hat. So wie zumindest in den letzten vier Rennen hintereinander. Auch McLaren-Chef Martin Whitmarsh musste sich natürlich mal wieder einmischen und Red Bull eindringlich raten, alles auf Webber zu setzen. Wobei er interessanterweise gleich die Einschränkung machte: "Ich habe aber so meine Zweifel, ob das passieren wird, weil bei Red Bull ja alle Sebastian so lieben!"

Man könnte das auch den erneuten Versuch zum Unruhe stiften nennen, in dem Wissen natürlich den größten Teil der britischen Medien dabei hinter sich zu haben. Wobei eines zumindest bei einem Teil des Teams sicherlich stimmt: Viele bei Red Bull "lieben" Sebastian Vettel tatsächlich, was er sich auch durch seine Leistungen, aber genauso auch durch sein Verhalten in guten wie in schlechten Zeiten redlich verdient hat. Wie ruhig und zumindest äußerlich gelassen Vettel mit dem erneuten Rückschlag in Yeongam - dem wohl bittersten von bisher schon einigen in diesem Jahr - umging, wie souverän und beherrscht und gleichzeitig doch auch nett und freundlich er sich den Fragen stellte, wie er seine Gefühlswelt beschrieb, das war beeindruckend.

Teamchef Christian Horner kann man freilich sicher nicht unterstellen, deutlich für Vettel Partei zu ergreifen, er verhält sich gerade in letzter Zeit ganz betont neutral zwischen seinen beiden Fahrern. Er wischte am Sonntag direkt nach dem Rennen die Forderungen nach einer Festlegung auf Webber aber erst einmal eindeutig vom Tisch: "Nein, es wird keine Teamorder geben. Wir haben gesagt, solange beide Fahrer noch Titelchancen haben, können sie frei fahren, und dabei bleibt es." Wobei er dann später, sicher auch von der allgemeinen Stimmung im Fahrerlager und speziell der Webber-Fraktion in der Medienlandschaft beieinflusst, hinterherschob: "Na ja, man muss sich das jetzt halt mal in Ruhe alles anschauen, hin- und herrechnen, sehen, wer wo welche Vorteile hat."

Eines ist klar. Schon jetzt irgendwelche Grundsatzentscheidungen zu dem Thema zu treffen, das wäre völlig verfrüht und auch unnötig. Schließlich gilt es erst einmal das Qualifying in Interlagos und im Zweifelsfall auch noch den Start dort ins Rennen abzuwarten, ehe man eventuell Maßnahmen ergreift. Könnte ja gut sein, dass sich das Thema dann erst einmal sowieso von allein erledigt hat. Warum also vorher die Pferde scheu machen und die Stimmung zwischen den Fahrern noch weiter vergiften, speziell Sebastian Vettel nach seiner unbelohnten Glanzvorstellung in Korea noch zusätzlich vor den Kopf stoßen.

Horner hatte ja für seine erste Haltung am Sonntag Abend auch gute Argumente: "Ich habe doch keine Kristallkugel, ich weiß doch nicht, was passiert. Wir haben in diesem Jahr schon so viel gesehen, es ist so viel passiert, alles ging immer wieder hin und her." Was er meint: Es könnte ja auch eine Situation geben, in der zum Beispiel Alonso und auch Webber am Ende in Abu Dhabi Probleme bekommen - und dann Vettel genau die Punkte, die er vielleicht in Brasilien dem Australier hätte schenken müssen, zum Titel fehlen würden.

25 Punkte Rückstand auf WM-Spitzenreiter Alonso klingt zwar nach sehr viel, ist aber letzlich nur ein einziger Ausfall des Spaniers bei gleichzeitigem Sieg von Vettel. Und bei aller Abgebrühtheit und Cleverness, die Alsonso derzeit an den Tag legt, um immer zur Stelle zu sein, wenn es Siege oder wichtige Punkte abzustauben gilt: Gegen einen technischen Defekt oder etwa eine Feindberührung in der Startphase ist auch er nicht sicher gefeit. So ist es durchaus nicht nur Träumerei, wenn Vettel seine Titelhoffnungen noch nicht abschreibt, und mit dem Rückenwind seiner Top-Leistungen gerade in den letzten Rennen weiter kämpft wie immer.

Denn die Rechnung ist einfach: Sollte Alonso in einem der beiden letzten Rennen in Brasilien und Abu Dhabi ein größeres Missgeschick widerfahren, dann reichen Vettel immer noch zwei Siege vor Webber zum Titelgewinn, da er dann bei Punktgleichheit einen Sieg mehr auf seinem Konto hätte. Und dass er von den beiden der etwas Schnellere ist - und inzwischen auch der wesentlich Lockerere und Sicherere - haben die letzten Rennen gezeigt. Im Moment scheint eher der Australier prädestiniert, die Nerven wegzuwerfen, wenn es hart auf hart geht. Möglich, dass Horner auch das mit ins Kalkül zieht, wenn er tatsächlich zunächst einmal die Dinge offen lassen sollte...