In der DTM geht es üblicherweise um Hundertstel- oder gar Tausendstelsekunden. Davon konnte bei den offiziellen Vorsaison-Testfahrten in Oschersleben aber keine Rede sein. Der Abstand zwischen Spitzenreiter Thomas Preining und dem bestplatzierten Nicht-Porsche-Fahrer betrug eine halbe Sekunde! Das ist eine Welt im GT3-Sport. Und gibt einen guten Hinweis darauf, wer seine Karten vor dem Saisonauftakt Ende April an gleicher Stelle schon auf den Tisch gelegt hat...

Zwar gilt die Motorsport Arena in der Magdeburger Börde spätestens seit dem Porsche-Vierfachsieg von 2023 als gutes Jagdrevier für den Neunelfer. Aber so eklatant sind die Abstände zu den anderen Herstellern im Normalfall nicht. Ex-DTM-Champion Preining und sein Manthey-Teamkollege Ayhancan Güven führten den Test mit großem Vorsprung an. Mit 0,501 bzw. 0,515 Sekunden Rückstand folgten die GRT-Lamborghini von Jordan Pepper und Luca Engstler auf den Plätzen drei und vier.

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Über 3 Sekunden Abstand bei DTM-Test

Nur elf der 24 GT3-Autos von neun Marken lagen innerhalb einer Sekunde. Dem Schlusslicht Nicolas Baert vom neuen Aston-Martin-Team Comtoyou Racing fehlten sogar gigantische 3,674 Sekunden zur Spitze. Lediglich acht Fahrer unterboten die schnellste Rundenzeit aus dem Vorjahr. Dass in den Top-10 der kombinierten Zeitenliste ausschließlich Porsche, Lamborghini und Mercedes-AMG vertreten waren, ist ebenfalls ungewöhnlich. Beim Saisonauftakt 2024 in Oschersleben fuhren sechs Hersteller in die Top-10.

"Nach dem Tag ist klar, dass außer uns keiner wirklich gezeigt hat, was er kann", war Preining im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com überzeugt. "Es war von vornherein klar, dass bis zum ersten Qualifying niemand sagen kann, wo er steht. Das ist jedes Jahr gleich." Seine Bestmarke von 1:21.887 Minuten reichte immerhin bis auf vier Zehntel an die Pole-Zeit aus dem Vorjahr heran. Preining setzte die Zeit am Vormittag bei sonnigen, aber kühlen Bedingungen. Das Wetter in Oschersleben war perfekt zur Vorbereitung auf die Rennwochenenden.

Thomas Preining: "Dann kommt sich jeder verarscht vor"

Ob das eine oder andere Team etwa das berüchtigte Sandbagging, also absichtliches Langsamfahren betrieben hat, um sich einen Vorteil bei der Balance of Performance zu erhoffen? Im GT3-Sport ist das schließlich Gang und Gäbe. Preining meinte: "Das hier war einer von nur fünf erlaubten Testtagen. Wenn du keine Zeit verschwenden willst, fährst du ordentlich. Wir waren die einzigen, die das getan haben. Wenn ich drei Sekunden langsamer fahre, habe ich nichts davon und jeder kommt sich verarscht vor. Die Rundenzeiten sollte man also immer mit einem Augenzwinkern betrachten."

Die Manthey-Mannschaft machte kein Geheimnis daraus, bei den Testfahrten auch auf die Rundenzeiten geschaut zu haben - neben der üblichen Setup-Arbeit und dem Verständnis der neuen Pirelli-Slick-Reifen. "Wir haben uns ganz klar darauf fokussiert, unsere beste Leistung abzuliefern, um uns perfekt auf das erste Rennen vorzubereiten", versicherte Manthey-Rennleiter Patrick Arkenau und dürfte damit einen kleinen Gruß an die deutlich langsamere Konkurrenz gerichtet haben.

Fast 3.000 Runden und fast keine schnelle Zeiten

Dass Rundenzeiten bei Testfahrten nicht im Fokus sind, ist klar. Stattdessen stehen Long Runs und Renn-Simulationen im Lastenheft. Aber wollte wirklich keines der weiteren elf Teams wenigstens einen Quali-Run einlegen - während der 2.830 Runden oder 10.378 Kilometer, die am Mittwoch abgespult wurden?

Bei Teams wie HRT, das mit dem Ford Mustang GT3 seine ersten Erfahrungen sammelt, ist das noch nachvollziehbar. "Es ging es nicht um maximale Performance", räumte der HRT-Pilot und neue Ford-Werksfahrer Arjun Maini ein. "Wir wollten in erster Linie sehen, wie sich das Auto in bestimmten Situationen verhält." Die beiden Mustang, die vor ihrem DTM-Debüt stehen, sortierten sich auf den Plätzen 18 (Maini) und 22 (Fabio Scherer) ein. Der Rückstand zu Porsche betrug knapp 1,5 Sekunden.

Das arrivierte Team Schubert Motorsport - P14 für Marco Wittmann und Rene Rast auf P20 - ließ ebenfalls den Fuß vom Gaspedal. Die Schubert-Mannschaft muss sich noch an das neue Evo-Paket am BMW M4 GT3 gewöhnen. Der dreimalige DTM-Champion Rast sagte nach seinen ersten Runden im Evo-M4 und 1,5 Sekunden Rückstand: "Auch wenn es äußerlich wenige Veränderungen gibt, ist unter der Haube doch einiges neu. Rundenzeiten haben für uns noch keine Rolle gespielt. Darum wird es in einigen Wochen gehen, wenn wir in Oschersleben unsere ersten Rennen absolvieren."

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Mercedes-Ass Maro Engel: "Manthey in eigener Liga"

Winward-Mercedes-Pilot Maro Engel (P9) ging nach den Eindrücken bei den Testfahrten sogar soweit, Manthey die Favoritenrolle zuzuschreiben. Der Vorjahres-Dritte zu Motorsport-Magazin.com: "Manthey war in einer eigenen Liga unterwegs. Die sind nach Belieben nach vorne gefahren. Wir haben noch einiges an Arbeit vor uns."

Preining ließ sich von den Ergebnissen nicht einlullen. Wohlwissend, dass Manthey 2024 in Oschersleben nach einer BoP-Änderung bei der Fahrzeughöhe komplett baden ging. "Oschersleben ist eine Strecke, wo wir mit dem Porsche halbwegs gut sein sollten", sagte der Österreicher. "Es wäre aber naiv, zu denken, dass nur wir etwas gefunden hätten. Die anderen Teams sind alle gut genug, um ihre Hausaufgaben zu machen. Alle werden auspacken, wenn es zählt."

DTM-Testfahrten Oschersleben: Kombiniertes Ergebnis

Pos.FahrerTeamRückstand
1Thomas PreiningManthey-Porsche1:21.887
2Ayhancan GüvenManthey-Porsche+0.324
3Jordan PepperGRT-Lamborghini+0.501
4Luca EngstlerGRT-Lamborghini+0.515
5Jules GounonWinward-Mercedes+0.712
6Lucas AuerLandgraf-Mercedes+0.771
7Mirko BortolottiAbt-Lamborghini+0.799
8Morris SchuringManthey-Porsche+0.800
9Maro EngelWinward-Mercedes+0.857
10Maximilian PaulPaul-Lamborghini+0.871
11Ben DörrDörr-McLaren+0.925
12Tom KalenderLandgraf-Mercedes+1.120
13Nicki ThiimAbt-Lamborghini+1.178
14Marco WittmannSchubert-BMW+1.204
15Timo GlockDörr-McLaren+1.244
16Jack AitkenEmil-Frey-Ferrari+1.360
17Ben GreenEmil-Frey-Ferrari+1.417
18Ricardo FellerLand-Audi+1.465
19Arjun MainiHRT-Ford+1.499
20Rene RastSchubert-BMW+1.507
21Thierry VermeulenEmil-Frey-Ferrari+1.580
22Fabio SchererHRT-Ford+2.053
23Gilles MagnusComtoyou-Aston-Martin+2.557
24Nicolas BaertComtoyou-Aston-Martin+3.674