So fertig hat man Mirko Bortolotti (SSR-Lamborghini) wohl nur ganz selten erlebt. Nach seinem Verteidigungssieg auf dem Lausitzring wollte der Lamborghini-Werksfahrer nur noch aus seinem Auto aussteigen und der extremen Hitze Herr werden. Zuerst eine Dose Cola, dann eine Flasche Wasser und am Ende noch eine Kühlbox voller Eiswürfel über den hochroten Kopf, während er platt eben seinem Auto im Parc-Fermé kauerte. Sogar eine Krankenbahre wurde kurzfristig herbeigeschafft für den Fall der Fälle, doch Bortolotti war wenig später schon wieder auf den Beinen.

Wasser? Parc-Fermé? Moment mal! Der eine oder andere Zuschauer dürfte sich beim Anblick dieser Szenen an die berüchtigte 'Water-Gate-Affäre' vom Norisring 2013 erinnert haben, als Audi-Ikone Mattias Ekström den Sieg verlor, weil ihm unerlaubt Wasser in den Rennoverall gekippt wurde. Die Disqualifikation, entschieden am Grünen Tisch, und ein Rennen ohne Sieger ging als einer der größten Skandale in die über 30-jährige Geschichte der DTM ein.

Keine Water-Gate-Affäre um Mirko Bortolotti

In Bortolottis Fall war nur die Flüssigkeit ähnlich, der Ablauf - und das ist entscheidend - jedoch ganz anders: Der 33-Jährige ist erfahren genug, um zu wissen, dass nach dem Aussteigen aus dem Auto als erstes der Gang zur Waage auf dem Programm steht. Ekström bekam damals das Wasser verabreicht, noch bevor er sich wie im Reglement vorgeschrieben hatte wiegen lassen. Bortolotti hatte das Wiege-Protokoll bereits in der Hand, als er schweiß- und freudeüberströmt zu seiner SSR-Teamcrew rannte.

Im Artikel 26.4 des Sportlichen Reglements heißt es dazu: Alle Fahrer inklusive deren vollständigen Ausrüstung werden unmittelbar nach allen Qualifyings und Wertungsläufen durch den Technischen Delegierten oder seinen Vertreter gewogen. Die Fahrer haben sich nach dem Ende der jeweiligen Session auf direktem Weg zu dem festgelegten Wiegebereich zu begeben. Das festgestellte Gewicht wird dem Fahrer mitgeteilt. Sobald der Fahrer den Wiegebereich verlässt, akzeptiert er das Wiegeergebnis.

Über 65 Grad im GT3-Cockpit

"Wenn du nach dem Rennen zurückrollst, kommt die ganze Hitze ins Auto", sagte Bortolotti bei ran. "Ich habe schon am Funk nach etwas zu trinken gefragt und wollte so schnell wie möglich aus der Kiste raus. Die Auslaufrunde, die man normalerweise nach so einem Rennen genießt, konnte ich heute gar nicht genießen. Ich wollte einfach nur raus, so schnell wie möglich auf die Waage und schnell was trinken. In dem Moment wird's ziemlich heiß im Cockpit."

Bei Außentemperaturen von über 30 Grad war in den GT3-Autos für die Fahrer absolutes Saunieren angesagt. Im Cockpit klettert das Thermometer bei solchen Bedingungen leicht auf über 65 Grad. Über eine Klimaanlage verfügt der neue Lamborghini Huracan GT3 Evo2 im Gegensatz zu einigen anderen GT3-Fahrzeugen nicht. In professionellen Rennserien bleibt die Klima aber ohnehin ausgeschaltet, um nur ja keine Leistung zu verlieren.

Dass Bortolotti nach dem Sonntagsrennen und seinem zweiten Saisonsieg - der erste Fahrer in der Saison 2023, der zwei Rennen gewinnen konnte - dennoch derart erschöpft wirkte, wirft Fragezeichen auf. Der in Wien lebende Italiener zählt zu den absoluten Vorzeigeathleten und ist eigentlich fit wie ein Turnschuh. An seiner persönlichen Physis dürfte es also nicht gelegen haben, dass er schon im Samstagsrennen (Platz zwei) ordentlich mit den höchstsommerlichen Temperaturen im Auto zu kämpfen hatte.

Sieger Mirko Bortolotti mit Andrea Kaiser im Interview
Mirko Bortolotti beim Sieger-Interview mit Andrea Kaiser, Foto: DTM

Wegen Hitze: Lambo-Junior gibt vorzeitig auf

Vielmehr scheint es sich um ein baubedingtes Thema beim Lamborghini Huracan GT3 zu handeln, der zu Beginn dieses Jahres sein zweites Evo-Update erhalten hat. Nicht nur Bortolotti klagte über die extreme Hitze, auch Lambo-Junior und Nürburgring-Sensationssieger Maximilian Paul (GRT-Lamborghini) geriet beim Heimspiel mächtig ins Schwitzen. Und zwar so sehr, dass er beide Rennen in der Lausitz vorzeitig beenden musste!

Am Samstag wurde Paul zwei Runden vor Schluss durch ein Problem mit der Cockpitbelüftung zur vorzeitigen Aufgabe gezwungen. Die Belüftungskanäle hatten sich durch Verunreinigungen von der Rennstrecke zugesetzt, wodurch die Temperatur im Innenraum in die Höhe schoss. "Das war wie Schattenboxen in der Sauna", beschrieb der 23-Jährige die Verhältnisse. Im Sonntagsrennen, bei seinem letzten DTM-Einsatz in diesem Jahr (Priorität jetzt wieder auf GT Open), musste Paul die GRT-Box bereits 11 Runden vor dem Ende hitzebedingt ansteuern.

Hohe Temperaturen stellen den Rennwagen aus Sant'Agata ganz offenbar vor Schwierigkeiten. Schon beim heißen DTM-Rennwochenende auf dem Norisring hatten die Lamborghini mit Blick auf die Performance ihre liebe Mühe und Not.

DTM Lausitzring: Bortolotti feiert zweiten Saisonsieg (03:42 Min.)

DTM-Verteidigungsminister Bortolotti übernimmt Tabellenführung

Die Gluthitze in der Lausitz hielt Bortolotti jedoch nicht von seinem zweiten Saisonsieg ab, nachdem er zuvor in der Eifel sein allererstes DTM-Rennen im 25. Anlauf gewonnen hatte. Mit dem Triumph übernahm er gleichzeitig die Spitze in der Meisterschaft von Thomas Preining (Manthey-Porsche). Bortolotti führt die Tabelle mit 138 Punkten und sieben Zählern Vorsprung bei noch drei ausstehenden Rennwochenenden an.

Im über weite Strecken ereignislosen Rennen - mit Ausnahme des Lambo-Crashs zwischen Clemens Schmid und Franck Perera - avancierte Bortolotti zum Verteidigungsminister der DTM und hielt Verfolger Ricardo Feller (Abt-Audi) über 45 Runden eisern hinter sich. Die 10 Kilogramm Erfolgsballast im GT3-Huracan spielten offenbar keine allzu große Rolle und die kaum vorhandenen Überholmöglichkeiten halfen.

Ziel: Sieger Mirko Bortolotti im Lamborghini
Mirko Bortolotti gewinnt knapp vor Ricardo Feller, Foto: DTM

Ricardo Feller: Immer dran, aber nie vorbei

Der schnelle Schweizer Feller klebte seinem Vordermann über die volle Renndistanz am Heck und hatte beim Zieleinlauf nur 0,3 Sekunden Rückstand. Der Audi-Pilot fand keine Gelegenheit für ein sauberes Überholmanöver, weil sich Bortolotti schlichtweg keinen einzigen Fahrfehler leistete - trotz der körperlichen Anstrengung infolge der Hitze im Auto. Bortolotti: "Es herrschte so viel Druck, Ricardo war so schnell! Der war immer zur Stelle und hat auf einen Fehler gewartet. Glückwunsch an ihn, wie er gefahren ist und es hier und da auch mit Kontakt versucht hat. Genauso sollte es sein."

Mit Blick auf die Performance nehmen sich die beiden Rennwagen der VW-Töchter Lamborghini und Audi nicht viel, die Basis samt dem 5,2-Liter V10-Saugmotor ist sehr ähnlich. "Ich habe ihn unter Druck gesetzt, damit er vielleicht einen Fehler macht", sagte Feller, der seinen zweiten Saisonsieg knapp verpasste. "Aber die Autos sind ziemlich gleich auf der Bremse und beim Reifenverschleiß. Wir haben nicht wirklich irgendwo einen Vorteil."

Der neue Lamborghini entpuppt sich in der DTM immer mehr als Meisterschaftsanwärter und gewann durch Bortolotti (2x), seinen SSR-Teamkollegen Perera sowie GRT-Fahrer Paul vier der bisherigen zehn Rennen. In der Herstellerwertung belegt der Autobauer aus Italien den zweiten Platz mit 258 Punkten hinter Spitzenreiter Porsche (271 Punkte). Bei den Teams führt Manthey-Porsche (198 Punkte) mit nur noch sechs Zählern vor dem neuen Lambo-Kundenteam SSR Performance.