Mirko Bortolotti hat es geschafft: Dem SSR-Lamborghini-Piloten genügte im finalen Rennen der DTM-Saison 2024 auf dem Hockenheimring ein zweiter Platz hinter Markenkollege Luca Engstler, um sich zum ersten Mal in seiner Karriere zum DTM-Champion zu krönen. Schlussendlich setzte sich der 34-Jährige mit 17 Punkten Vorsprung auf Kelvin van der Linde durch, nachdem die beiden Kontrahenten vor dem finalen Lauf nur ein einziger Zähler getrennt hatte.

"Das ist wahrscheinlich der schönste Tag in meinem Leben", sagte Bortolotti mit Tränen in den Augen. "Wir haben es geschafft, Geschichte zu schreiben. Danke an Lamborghini, die seit zehn Jahren an mich glauben. Danke an SSR, aber auch an GRT und T3, die mich in die DTM gebracht haben. Letztes Jahr war es ein schwerer Moment, Vize-Meister zu werden. Ich habe danach lange im Fahrerlager geheult, aber das hat mich stärker gemacht. Ich habe gesagt, dass ich zurückkommen und eine perfekte Saison hinlegen muss - und das haben wir geschafft."

Mirko Bortolotti ist DTM-Meister: Highlights aus Hockenheim (03:36 Min.)

Bortolotti hält verrücktem Druck stand – und huldigt Titelrivalen

“Der Druck war verrückt die ganze Saison über, vor allem zum Saisonende“, fuhr Bortolotti in der Pressekonferenz nach Rennende fort. „Es wurde sehr eng, auch vom mentalen Spiel her, nicht nur auf der Strecke. Wir mussten den Fokus aufrechthalten, durften keine Fehler machen und mussten Situationen kompensieren, die nicht vorteilhaft waren.“ Zugleich huldigte Bortolotti auch seine beiden Titelkontrahenten Kelvin van der Linde und Maro Engel, die das Titelrennen bis zum Schluss offen gehalten hatten: „Meine beiden Titelrivalen waren großartig, ich habe großen Respekt vor beiden. Es gibt nur einen Champion, aber wir sind alle auf einem Level.“

Erster Gratulant in Person war schließlich aber keiner von Bortolottis Titelkontrahenten aus dieser Saison, sondern Thomas Preining (Manthey-Porsche), der sich im vergangenen Jahr nach engem Duell mit Bortolotti zum DTM-Champion gekrönt hatte. Nachdem Bortolotti noch auf der Strecke jubelnd aus seinem Boliden ausgestiegen war, brachte Preining seinen Porsche 911 GT3 R daneben zum stehen und gratulierte seinem Nachfolger. „Er sagte, dass ich es verdiene“, verriet Bortolotti den Inhalt des kurzen Austausches. „Solche Worte von einem Champion zu hören, bedeutet mir viel. Das war ein besonderer Moment.“

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Bortolotti feierte nach seinem Titelgewinn emotional, Foto: DTM

Mirko Bortolotti: Erster italienischer DTM-Champion seit 1993

Auch für sein Team SSR Performance um Teambesitzer Stefan Schlund war Bortolotti voll des Lobes: „Du musst hinter den Kulissen dabei sein, um zu verstehen, woher der Erfolg stammt. Die Hingabe ist sehr einzigartig, das nehme ich für den Rest meines Lebens mit.“ Bortolotti ist der erste italienische Champion in der DTM seit Nicola Larini im Jahr 1993 und der erst dritte italienische DTM-Meister überhaupt. Und nicht nur für Bortolotti ist es der erste DTM-Titel. Auch Lamborghini triumphiert zum ersten Mal in der Tourenwagenserie. „Das ist sehr speziell. Es ist zu lange her, dass eine nicht-deutsche Marke (Alfa Romeo/1993; d. Red.) die DTM gewonnen hat. Ich bin froh, dass wir ein Stück weit Geschichte schreiben konnten.“

Für Bortolotti ist es die Krönung seiner bisherigen DTM-Reise, die im ersten Jahr der GT3-DTM 2021 mit einem Gaststart im T3-Lamborghini in Assen begann. Schon damals ließ Bortolotti mit P2 im Samstagslauf sogleich seine Wettbewerbsfähigkeit im kompetitiven Umfeld der Traditionsserie aufblitzen.

Bortolotti: Bin viel gewachsen im Vergleich zur ersten DTM-Saison

Nachdem Bortolotti im darauffolgenden Jahr seine erste volle DTM-Saison mit GRT-Lamborghini nach einigen kostbaren Fehlern im Titelkampf auf dem vierten Platz abgeschlossen hatte, scheiterte der gebürtige Wiener nach seinem Wechsel zu SSR-Lamborghini 2023 nur knapp an Preining. Bis zum vorletzten Rennwochenende führte Bortolotti die Meisterschaft an, musste sich nach einer Nullnummer im zweiten Rennen auf dem Red Bull Ring und einem Doppelsieg von Preining schlussendlich aber mit Rang zwei begnügen.

“Ich bin viel gewachsen im Vergleich zur ersten Saison, als mich zwei Fehler viele Punkte gekostet haben“, meinte Bortolotti in der Retrospektive. Besonders das Rennwochenende 2022 auf dem Nürburgring bleibt in Erinnerung als Bortolotti nach zwei Kollisionen in Folge gewagter Überholmanöver komplett leer ausging. „Das kannst du dir nicht leisten, zwei Rennen wegzuwerfen, Nürburgring 2022 war mein größter Fehler“, gab Bortolotti zu. „Letzte Saison hätten wir nicht viel besser machen können. Manthey und Thomas (Preining; d. Red.) waren einfach ein bisschen besser als wir und haben den Titel verdient.“

SSR Performance: So gelang der Performance-Umschwung in Hockenheim

Im Jahr 2024 ist es nun soweit: Bortolotti ist DTM-Champion. Und das, obwohl er die Gesamtführung am gestrigen Samstag nach dem Sieg von Kelvin van der Linde noch hatte abgeben müssen – nachdem Bortolotti mit 15 Zählern Vorsprung in den Samstag gestartet war. „Man kann eigentlich sagen, dass gestern schon ein Tiefschlag ist, weil man will, wenn man mit 15 Punkten Vorsprung in so ein Finalwochenende geht, am Samstag den Sack zumachen – und wir haben eigentlich genau das Gegenteil gemacht“, gab SSR-Teamchef Mario Schuhbauer im exklusiven Gespräch mit Motorsport-Magazin.com unumwunden zu.

Doch SSR Performance und Bortolotti schlugen bereits im Qualifying am Sonntag eindrucksvoll zurück. Eine Doppelspitze aus Bortolotti und seinem SSR-Teamkollegen Nicki Thiim brachte die Mannschaft rund um Teambesitzer Stefan Schlund in die bestmögliche Ausgangsposition. Zudem bescherten die drei Zusatzpunkte für die Pole Position Bortolotti die erneute Meisterschaftsführung – wenn auch nur einen Zähler vor van der Linde.

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Mit der Pole am Sonntagmorgen legte Bortolotti den Grundstein zum Titelgewinn, Foto: DTM

Mit eine Rolle beim titelentscheidenden Performance-Aufschwung an diesem Wochenende dürfte auch gespielt haben, dass bei SSR trotz des enttäuschenden Samstags keine Panik aufkam. „Wir sind einfach heute Morgen aufgestanden und haben gesagt: ‘Ja, natürlich ist der Druck groß, aber wir machen jetzt alles wie jeden Tag auch, weil im Endeffekt hat es in 14 Qualifyings funktioniert‘“, beschrieb Schuhbauer die Mentalität im Team. „Ich glaube, das war der Schlüssel.“

Vorjahres-Setup verhilft Bortolotti zum Titelgewinn

Im Hinblick auf das Setup des Lamborghini Huracan GT3 Evo 2 brachte ein Blick in die Vergangenheit die Lösung: Bortolotti setzte am Sonntag auf das Vorjahres-Setup „Das Auto war gestern im Rennen gut, aber nicht hervorragend. Wir haben irgendwo gestrauchelt“, erklärte Bortolotti. Bei der Entscheidung half, dass Bortolotti zufolge schon beim vorletzten Rennwochenende in Spielberg der Schritt zum Vorjahres-Setup die Lösung brachte. „Wir mussten etwas probieren, mit dem Auto von gestern wäre es schwierig gewesen.“, so der frischgebackene DTM-Champion.

Im Rennen selbst zeichnete sich schließlich vergleichsweise schnell ab, dass das Pendel in Richtung Bortolotti ausschlagen würde, nachdem Kelvin van der Linde am Start zahlreiche Positionen abgeben musste. Der Deutsch-Südafrikaner stellte in der Folge nie eine ernsthafte Gefahr für Bortolotti dar und kam auf Rang zwölf ins Ziel. Für Entspannung sorgte dies bei SSR jedoch keinesfalls. „Es ist ein DTM-Rennen und es kann so viel passieren, es gibt Safety-Cars, Restarts. Wir haben dieses Jahr schon so viel gesehen. Entspannt war es als wir über Start/Ziel gefahren sind und wir wussten: ‘Jetzt haben wir den Sack zugemacht‘“, so Schuhbauer.

Bortolotti 2024: Konstanz statt Siegesserien

Bemerkenswert: Schlussendlich krönte sich Bortolotti mit nur einem Sieg zum DTM-Champion – zwei weniger als im Vorjahr. Vor allem die Konstanz Bortolottis stach im Saisonverlauf immer wieder heraus. 11 der 16 Saisonrennen beendete der 34-Jährige in den Top-5 – mehr als jeder andere Fahrer. „Das ganze Paket in Summe hat einfach gestimmt“, analysierte Teamchef Schuhbauer die Hintergründe des Titelgewinns.

Auch Bortolottis Qualifying-Stärke spielte im Saisonverlauf eine nicht zu unterschätzende Rolle. Als einzigem Fahrer im Feld gelang es Bortolotti, an jedem Rennwochenende 2024 mindestens eines der Zeittrainings in den Top-3 zu beenden. Ganze 20 Punkte konnte sich der Lamborghini-Werksfahrer dadurch sichern. Titelrivale Kelvin van der Linde nahm etwa im Vergleich nur neun Zähler aus den 16 Qualifyings mit.

“Mirko ist einfach super, super stark. Er zeigt es immer wieder“, lobte Schuhbauer mit Verweis auf Bortolottis Qualifying-Bilanz. „Das ist der Wahnsinn und in Kombination mit seinem Ingenieur, dem Team SSR, mit allen, die beteiligt sind, haben wir einfach ein ganz, ganz tolles Paket zusammen.“

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Ob die Kombination aus Bortolotti und SSR auch nächstes Jahr in der DTM starten wird ist unklar, Foto: DTM

SSR-Lamborghini: DTM-Zukunft trotz Titelgewinn ungewiss

Ob dieses Paket in dieser Form in der nächsten Saison jedoch noch Bestand haben wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt unklar. Vor dem Saisonfinale hatte SSR-Teambesitzer Stefan Schlund ein Fortbestehen des Engagements seines Teams in der DTM im exklusiven Gespräch mit Motorsport-Magazin.com vom Ausgang des Titelrennens abhängig gemacht. Zumindest diese Voraussetzung ist nun erfüllt. Festlegen wollte sich Mario Schuhbauer auf Nachfrage jedoch noch nicht: „Wir haben uns jetzt erstmal darauf konzentriert, den Titel erstmal zu gewinnen und jetzt müssen wir uns erstmal sortieren, aufstellen und schauen, was nächstes Jahr passiert.“

Bereits fest steht hingegen, dass sich Lamborghinis Auftritt in der DTM im nächsten Jahr verändern wird. Mit Abt Sportsline stößt ein neues Team mit Werksunterstützung in die DTM-Reihen des italienischen Sportwagenbauers. Zumindest der Wille zum SSR-Verbleib ist bei den Verantwortlichen nach wie vor vorhanden. Angesprochen auf eine Titelverteidigung 2025 reagiert etwa Mario Schuhbauer wie folgt: „Das ist unser Ziel.“

Ein Verbleib von SSR Performance in der DTM hänge unter anderem von den Fahrern ab, so Schuhbauer weiter. Mit dem neuen DTM-Champion Mirko Bortolotti ließ sich aber zumindest eine Hälfte des aktuellen Fahreraufgebots von SSR nach Rennende nicht in die Karten blicken. „Wir genießen den heutigen Tag und feiern und wenn wir wieder nüchtern sind, fangen wir an über das nächste Jahr nachzudenken“, so Bortolotti.