Es ist und bleibt die große Frage nach dem Saisonfinale in Hockenheim: Wie geht es für den frischgebackenen Champion Mirko Bortolotti und sein Team SSR Performance weiter? Teambesitzer Stefan Schlund wollte sich trotz des größten Triumphs in der jungen Geschichte des Münchner Rennstalls noch nicht zu einer weiteren Zukunft in der DTM bekennen.

"Ich kann gerade nicht sagen, ob wir weiter in der DTM fahren oder nicht", meinte Schlund nach dem letzten Rennen zu Motorsport-Magazin.com. Der mögliche Verbleib hänge unter anderem von der entsprechenden Unterstützung des Partner-Herstellers ab. Seit 2023 erhält SSR Performance einen durchaus umfangreichen Support durch Lamborghini, der nun im ersten DTM-Titelgewinn gemündet ist.

Mirko Bortolotti ist DTM-Meister: Highlights aus Hockenheim (03:36 Min.)

SSR-Boss Stefan Schlund: "Mit vielen Herstellern gesprochen"

Schlund im exklusiven Gespräch mit uns: "Ich habe eine Tendenz. Die hat sich am Wochenende aber wieder etwas verworfen, weil es viel Rotation bei den Herstellern gibt. Und wenn ein Hersteller das Gespräch sucht und sagt, 'Mach das für uns', dann kann ich nicht nein sagen." Schlund plant offenbar einen globalen Aufschlag im Motorsport, sprach mit uns über spezielle Rennen wie die 24 Stunden von Daytona, den Macau Grand Prix oder Bathurst.

Pokert die SSR-Mannschaft jetzt um den besten Deal mit einem Hersteller, der ein großes Einsatzprogramm über die DTM hinaus anbietet? "Wir haben mit vielen Herstellern gesprochen", meinte Schlund. "Die deutschen Hersteller sind für uns als Münchner Firma immer interessant. Das weiß auch Lamborghini. Die Frage ist, ob man einen Pro- oder einen Kundensport-Einsatz macht." SSR Performance hatte schon vor einigen Wochen angedeutet, sich unter anderem mit Amateur-Fahrern in weiteren Rennserien wie dem ADAC GT Masters - hier gewann das Team 2020 den Titel mit Porsche - engagieren zu wollen.

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Stefan Schlund leitet die Geschicke von SSR Performance, Foto: Gruppe C Photography

Mit derartigen Einsätzen können Teams wie SSR Performance Geld verdienen. In der teuren DTM hingegen gibt es für Kundenteams außer Ruhm und Prestige monetär nicht allzu viel zu holen. Hinter dem Motorsportprogramm von SSR Performance steckt der Plan, das hauseigene Tuning-Geschäft für gut betuchte Sportwagenbesitzer zu bewerben. Unternehmen wie Manthey oder Abt Sportsline verfolgen ein ähnliches Modell und haben sich global als Top Player etabliert.

Schlund: "Für uns als Firma wäre es wichtig, uns auf verschiedenen Kontinenten zu zeigen, um unsere Auto-Kits zu präsentieren, die wir weltweit verkaufen. Bei Rennen wie in Macau, Bathurst oder Daytona würden die Menschen unsere giftgrünen Autos wahrnehmen. Das ist wichtig für unser Tagesgeschäft."

Schlund über Bortolotti: "Da können sich die Äbte auf den Kopf stellen"

Sollte sich SSR Performance für den Verbleib in der DTM entscheiden, um die Titelverteidigung in Angriff zu nehmen, erscheint Lamborghini weiter die erste Wahl zu sein - und das im Zusammenspiel mit dem neuen Champion Bortolotti. Schlund: "Ich habe von Lamborghini die klare Aussage bekommen, dass Mirko weiter bei uns fährt, wenn wir weiter DTM fahren. Wenn wir weiter mit Lamborghini fahren, sitzt er bei uns im Cockpit. Da können sich die Äbte auf den Kopf stellen."

Damit sprach Schlund die Spekulationen an, dass Bortolotti 2025 innerhalb der DTM zum neuen Lamborghini-Team Abt Sportsline wechseln könnte. Der Rennstall aus Kempten hat den Einsatz von zwei Huracan GT3 bestätigt, hält sich bei der Fahrerwahl aber bedeckt. Abt-Motorsportdirektor Martin Tomczyk wollte ein Interesse an Bortolotti - dem erfolgreichsten Lambo-Fahrer und einem der besten GT-Fahrer der Welt - zumindest nicht dementieren.

Abt-Leiter Tomczyk: Für DTM-Titel braucht man die besten Fahrer

Tomczyk sagte in Hockenheim zu Motorsport-Magazin.com: "Wir haben mit Lamborghini über die Fahrer gesprochen. Es kamen Wünsche beiderseits. Welche das sind, kann ich momentan nicht sagen. Wer Abt kennt, der weiß, dass wir erpicht sind, Meisterschaften zu gewinnen. Und um die Meisterschaft zu gewinnen, braucht man die besten Fahrer." Mit Kelvin van der Linde verpassten die Äbte dieses Jahr ihren ersten DTM-Fahrertitel seit 2009 knapp. Die Zukunft des Deutsch-Südafrikaners bleibt offen, er soll mehrere Angebote von Herstellern auf dem Tisch liegen haben.

SSR Performance würde einen direkten Lamborghini-Vergleich mit Abt Sportsline in der DTM nicht scheuen, erst recht nicht mit Bortolotti am eigenen Steuer. Das sei eine andere Situation als in der Saison 2023, wo Schlund wegen des Einstieges von Manthey die DTM-Partnerschaft mit Porsche beendete und zu Lamborghini wechselte: "Das ist anders als bei Manthey, die das Auto entwickelt haben. Bei den Äbten kämpfen wir mit gleichen Waffen, nur mit dem besseren Fahrer. Ich habe überhaupt keine Schmerzen, mich dieser Herausforderung zu stellen."

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Wie geht es für SSR Performance in der DTM weiter?, Foto: DTM

Lamborghini-Chef: "Pro-Abt-Entscheidung keine Contra-SSR-Entscheidung"

Auf Herstellerseite würde Lamborghini gerne weiter mit SSR Performance in der DTM antreten. Die Münchner haben ihnen immerhin den bis dato größten Erfolg im GT3-Sport beschert. Interims-Motorsportchef und Technikvorstand Rouven Mohr sagte zu Motorsport-Magazin.com: "Wenn SSR weitermachen will, gibt es für Lamborghini keinen Grund, von der Unterstützung auch nur ein Prozent wegzunehmen. Wir wollen ja starke Teams und den Fans etwas bieten."

"Die Pro-Abt-Entscheidung war keine Contra-SSR-Entscheidung", fügte der frühere Audi-Mann Mohr an. "Wir sind sehr happy mit SSR, auch mit GRT. Gottfried Grasser hat viele Schlachten für Lamborghini geschlagen und wird von uns unterstützt. Und wenn ein Team wie Abt mit seiner Expertise verfügbar ist und wir den Verbleib im VW-Konzern sicherstellen können, wäre es töricht, das nicht zu nutzen. Wenn alle drei Teams der DTM zusagen, werden sie auch von uns unterstützt."

Wo Bortolotti, der für Lamborghini unter anderem auch die WEC-Werkseinsätze bestreitet, 2025 an den Start geht, wollte Mohr noch nicht verraten: "Wir haben eine sehr nahe Bindung zu unseren jeweiligen Teams. Wir machen das im Dialog und versuchen immer eine Lösung zu finden, die für beide Parteien passt. Im Zweifel entscheidet Lamborghini, welcher Fahrer wo fährt, weil es unsere Werksfahrer sind."