Die Superbike-Saison 2024 ist vorbei. Zeit, um eine erste Bilanz zu ziehen. Wer hat überzeugt und wer erlebte eine Enttäuschung? Motorsport-Magazin.com blickt auf die größten Gewinner und Verlierer eines Jahres, das sicher nicht wie erwartet verlief.
Gewinner: Toprak Razgatlioglu und BMW triumphieren auf ganzer Linie
Als der Wechsel Toprak Razgatlioglus von Yamaha zu BMW bekannt wurde, rieben sich die Superbike-Fans verwundert die Augen. Es herrschte der Konsens, der Türke habe sich lieber für Geld und gegen sportlichen Erfolg entschieden. Auch nachdem er bei den ersten Testfahrten behauptete, er könne mit der BMW Weltmeister werden, glaubte ihm niemand so wirklich. Zu schwach war das bayrische Werk in den Vorjahren aufgetreten. 2023 war ihnen kein einziger Podestplatz gelungen, wie sollte da ein WM-Titel zu bewerkstelligen sein?
Der Türke und die Bayern haben 2024 allen diesen Zweiflern eine Sensationssaison vor den Latz gehauen, dass es nur so kracht. Von Anfang an fuhr Razgtalioglu vorne mit und setzte dann zur Saisonmitte zu einem schier unglaublichen Lauf an. 13 Rennen in Folge gewann 'El Turco'. Da konnte selbst eine im Training in Magny-Cours zugezogene Verletzung, welche ihn sechs Rennen lang zum Zuschauen verdammte, den zweiten WM-Titel des 28-Jährigen nicht mehr gefährden. Nach dieser Pause kam Razgtalioglu fast genauso stark zurück. Er wurde in jedem der letzten 9 Rennen Erster oder Zweiter. Einen verdienteren Weltmeister kann man sich kaum vorstellen. Und dass dies nicht nur am Fahrgenie des aktuell besten Superbike-Fahrers lag, bewies Teamkollege Michael van der Mark. Der Niederländer belegte WM-Rang sechs mit 245 Punkten. Im Vorjahr hatte er (wenn auch mit einer Verletzungspause) magere 54 Zähler gesammelt. Auch die M 1000RR wurde also massiv verbessert.
Verlierer: Rekordweltmeister Jonathan Rea stürzt ab
Yamaha musste nach dem Abgang Razgatlioglus einen Nachfolger finden und den Japanern gelang ein großer Coup. Rekordweltmeister Jonathan Rea wurde verpflichtet. Damit schien auch 2024 wieder ein Angriff auf Ducati möglich. Schien, denn davon war zu keinem Zeitpunkt etwas zu sehen. Auch eine etwas schwächere YZF-R1 kann keine Ausrede für einen Fahrer von Reas Klasse sein, dass es im gesamten Jahr nur zu einem Podestplatz (noch dazu 'nur' in einem Superpole-Rennen) und nicht einmal für die Top 10 der Fahrerwertung reicht. Erstmals in seiner Superbike-Karriere konnte der Nordire kein Saisonrennen gewinnen. Es wäre ein unwürdiges Ende seiner großartigen Laufbahn, wenn er 2025 die Kurve mit der Yamaha nicht mehr bekommen sollte.
Gewinner: Sensationsrookie Nicolo Bulega
Als Razgatlioglu sich verletzte, da keimten doch noch ein paar Titelhoffnungen bei einem auf, den vor der Saison niemand in dieser Position gesehen hätte. Dass Ducati Supersport-Weltmeister Nicolo Bulega bei seinem Aufstieg in die Superbike-WM direkt ins Werksteam holte, hatte für Verwunderung gesorgt. Doch diese Wahl war goldrichtig. Von Anfang an fuhr Bulega, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Sein erstes Superbike-Rennen gewann er gleich und auch danach hagelte es Spitzenresultate, darunter satte 15 zweite Plätze. Nur die überragende Leistung von Razgatlioglu verhinderte, dass sich ein Rookie zum Champion krönen konnte. Und nicht nur das: In seinem Debütjahr ließ der Italiener auch noch den Weltmeister der letzten beiden Jahre hinter sich, mit dem er im gleichen Team fuhr.
Verlierer: Alvaro Bautista ohne jede Titelchance
Alvaro Bautista hatte die Saison 2022 und 2023 beinahe nach Belieben dominiert. Der Spanier gewann in dieser Zeit 43 von 72 Rennen und war die unumstrittene Nummer Eins. So stark war er, dass es sogar zu einer 'Lex Bautista' kam. Fahrer mit niedrigerem Körpergewicht mussten nun Ausgleichsladung am Bike anbringen. Die einen sagten, um den Dominator auszubremsen. Die anderen meinten, dass es damit erst richtig fair werde. Egal welcher Seite man angehört, eines steht fest: Bautista tat sich 2024 viel schwerer als zuvor. So schwer, dass eigentlich nie der Eindruck entstand, er könne zum ernsthaften Titelkandidaten werden. Natürlich stürzte er nicht derart ab wie sein alter Rivale Jonathan Rea. 4 Saisonsiege und 18 Podestplätze sind immer noch eine mehr als ordentliche Bilanz. Aber 357 Punkte sind auch 271 weniger als im Vorjahr, 170 weniger als Razgatlioglu und 127 weniger als Rookie-Teamkollege Bulega.
Gewinner: Italienische Routiniers geigen groß auf
Zwei alte bekannte aus der MotoGP bewiesen in der Saison 2024, dass sie es auch in der Superbike-WM draufhaben und noch lange nicht zum 'alten Eisen' gehören. Danilo Petrucci ging in sein zweites Jahr auf einer privat eingesetzten Ducati und mischte die Werksteams munter auf. WM-Rang Fünf und zehn Podestplätze sprechen eine deutliche Sprache. Doch das ganz große Highlight besorgte er beim Heimspiel in Cremona. Er siegte bei allen drei Rennen, was 2024 sonst nur Razgatlioglu gelang, und bewies damit endgültig, welch ein Alleskönner er ist. Mit 'Petrux' wird auch 2025 zu rechnen sein.
Vielleicht noch höher einzuschätzen ist aber die Saison von Andrea Iannone. Der 'Maniac' musste vier Jahre Dopingsperre absitzen und gab sein Comeback im Motorradsport, wie Petrucci auf einer privaten Ducati. Er fuhr sofort, als hätte es die Sperre nie gegeben. Zum Saisonauftakt in Australien gab es bereits den ersten Podestplatz. Daraufhin fehlte dem Italiener die Konstanz, aber für einen spektakulären Zweikampf und einen Podestplatz war er immer wieder gut. Der Höhepunkt war ohne Zweifel sein erster Sieg in Aragon, bei dem er niemand anderen als Weltmeister Razgatlioglu auf Distanz hielt. Zur Belohnung dieser gelungenen Comebacksaison soll er nun sogar bei VR46 als Ersatz von Fabio Di Giannantonio wieder MotoGP fahren dürfen.
Verlierer: Deutschsprachige Piloten erleben Seuchenjahr
Pleiten, Pech und Pannen, so lässt sich die Saison aus deutschsprachiger Sicht (von BMW als Hersteller einmal abgesehen) zusammenfassen. Phillip Öttl gelangen auf der GMT94 Yamaha nur mickrige 5 Punkte und zum Abschied gab es auch noch einen kapitalen Motorplatzer im letzten Saisonrennen. Es könnte auch das letzte Superbike-Rennen des Bayern gewesen sein, denn für ihn geht es nun erstmal zurück in die Supersport-WM.
Nach reinen Zahlen erging es Dominique Aegerter mit 91 Zählern viel besser als Öttl, aber das ist relativ. Der Schweizer hatte 2023 einen sehr guten Einstand in die Superbike-WM hingelegt. Als WM-Achter gelangen ihm beim Saisonabschluss sogar zwei Podestplätze. Davon war 'Domi' 2024 leider deutlich entfernt. Platz 6 zum Auftakt auf Phillip Island war noch das Highlight. Danach wurde es nie mehr besser, auch weil ihn eine Verletzungspause nach einem Mountainbike-Unfall ausbremste. Im Gegensatz zu Öttl erhält er aber noch einmal eine Chance. Das GRT-Yamaha-Team bestätigte den 34-Jährigen auch für die Saison 2025.
Wer hat euch in der Superbike-Saison 2024 überzeugt oder enttäuscht? Wen haben wir vergessen? Sagt es uns in den Kommentaren!
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