Barcelona, Mugello und zuletzt Assen - Francesco Bagnaia war an den vergangenen drei MotoGP-Rennwochenenden der dominante Mann und gewann dabei die letzten fünf Rennen allesamt. Seinen WM-Rückstand verringerte er dadurch von 44 auf 10 Punkte. Auf dem Sachsenring musste der Ducati-Pilot nun aber erstmals seit seinem Last-Lap-Crash in Barcelona wieder einen Rückschlag hinnehmen. Denn Jorge Martin feierte im Sprint am Samstag seinen ersten MotoGP-Sieg seit dem Frankreich GP und zeigte sich dabei nicht nur auf der Strecke überlegen.
"Jorge war heute einfach etwas cleverer als ich. Ich habe die falsche Strategie gewählt und den Hinterreifen zu sehr geschont. Jorge hat das erkannt und mich direkt überholt, als er in Reichweite war", analysierte Bagnaia schonungslos in seiner Medienrunde. Zuvor war für ihn eigentlich alles nach Plan gelaufen, hatte er doch direkt beim Start die Führung übernommen, während Martin hinter Miguel Oliveira auf Platz drei zurückfiel. Anschließend verpasste es die Startnummer 1 jedoch, sich vom Verfolgerfeld zu distanzieren, während Martin auf dem Gaspedal blieb. Der Pramac-Pilot holte sich in Runde zwei zunächst P2 von Oliveira zurück und setzte nur einen Umlauf später das letztlich rennentscheidende Manöver gegen Bagnaia in Kurve neun, nachdem zuvor ein erster Angriff in Turn 1 noch gescheitert war.
Francesco Bagnaia mit falscher Taktik: Hinter Oliveira festgesteckt
Dass Bagnaia nur wenige Momente später in der Schlusskurve auch noch hinter Oliveira zurückfiel, sollte sich für Martin als Glücksfall erweisen. Denn der amtierende MotoGP-Weltmeister blieb fortan hinter Oliveira stecken und überquerte die Ziellinie 'nur' als Dritter. "Ich dachte mir, dass 15 Runden hier verdammt lang sind. Daher wollte ich zum Schluss noch genug Gummi übrighaben", erklärte Bagnaia seinen gewählten Ansatz. Doch er musste sich schnell eingestehen, dass "das letztlich nutzlos war, weil mein Reifendruck im Vorderreifen in die Höhe geschossen ist. Selbst beim normalen Anbremsen - ohne irgendeinen Überholversuch - bin ich jedes Mal fast gestürzt, wenn ich auch nur in die Nähe von Miguel kam."
So konnte Jorge Martin das Rennen von der Spitze kontrollieren und einen vermeintlich ungefährdeten Sprintsieg einfahren. Dass es durchaus aber auch anders hätte kommen können, war dem gebürtigen Madrilenen am Samstagnachmittag sehr wohl bewusst. "Ich hatte nicht damit gerechnet, nach dem Start Dritter zu sein. Meine Strategie war eine andere", gestand er in seiner Medienrunde. "Ich wusste, dass ich in Schwierigkeiten war. Ich musste dann clever sein und habe zwei Runden gebraucht, um mir die Führung zurückzuholen. Das war nicht einfach, aber es war der Schlüssel. Denn wenn ich noch eine weitere Runde Dritter gewesen wäre, wäre ich dort wohl stecken geblieben oder noch weiter nach hinten zurückgefallen."
Dem Martinator hätte also das Bagnaia-Schicksal gedroht, hätte er seine Überholmanöver in Runde zwei und drei nicht setzen können. Ausschlaggebend dafür wäre der Reifendruck im Vorderreifen gewesen, der auf Führungskilometer und freie Fahrt ausgelegt war. Im Verkehr feststeckend wäre dieser somit schnell in gefährliche Höhen geschossen. "Ich habe gesehen, dass er [Bagnaia, Anm.] vielleicht Reifen gespart hat und ich habe das nicht getan. Wenn ich vorne gewesen wäre, hätte ich wohl das Gleiche gemacht. Da ich hintendran war, musste ich aber attackieren. Zum Ende hin habe ich dadurch etwas gelitten, weil ich kaum noch Grip am Heck hatte. Aber ich bin froh, dass ich mir die Positionen zurückholen konnte", strahlte der Sprintsieger.

Martin vs. Bagnaia: Runde zwei im Deutschland Grand Prix?
Im WM-Kampf konnte Martin seinen Vorsprung somit wieder auf 15 Punkte vergrößern. Eine Tatsache, die Bagnaia am Samstag allerdings auch billigend in Kauf genommen hatte. "Wir haben hier viele Stürze gesehen. Daher ja, manchmal ist es dann besser, zurückzuziehen und nicht zu sehr zu pushen. Es ist sehr leicht, hier schwer zu stürzen", weiß der Titelverteidiger in Ducati-Diensten und offenbarte damit, nicht mit der Brechstange an Oliveira vorbeigewollt zu haben. Zu schmerzhaft wäre ein weiterer Ausfall gewesen - zumal sich ja schon am Sonntag im Hauptrennen die Chance zur Revanche bietet.
"Morgen wird es eine andere Geschichte werden", kündigt Bagnaia an und zeigt sich mit Blick auf seine starke Rennsimulationen aus den Trainings optimistisch. Dass er dazu auch guten Grund hat, ist WM-Rivale Martin nicht verborgen geblieben. "Pecco ist der Favorit", kündigt dieser an, ergänzt auch sofort: "Ich will ihn trotzdem schlagen. Ich will das Wochenende bestmöglich beenden und ihm so viele Punkte wie möglich abnehmen." Im Vorjahr gelang das mit einem Sieg im Deutschland Grand Prix eindrucksvoll, auch wenn Martin in einem packenden Zweikampf mit Bagnaia nur hauchdünn die Oberhand behielt. Ob es 2024 die Wiederholung gibt?
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