"Ich erwarte, dass ich Assen morgen mit einem besseren Gefühl und einem besseren Resultat verlassen werde", hatte MotoGP-Superstar Marc Marquez am Samstagabend angekündigt, nachdem er zuvor in Qualifying und Sprint zu Sturz gekommen war. Knapp 24 Stunden später kann man wohl behaupten, dass der 31-jährige Spanier damit nur bedingt Recht behalten sollte. Denn als Vierter schrieb er zunächst 13 WM-Punkte an und beendete die Dutch TT als bester GP23-Pilot. Wenig später warf ihn eine Zeitstrafe für die Unterschreitung des Mindestreifendrucks jedoch auf Rang zehn zurück, womit sich zwei kuriose Szenen aus dem Hauptrennen erklären lassen.

Was damit gemeint ist? Marquez hatte in der Dutch TT zunächst eine ausgezeichnete Startphase hingelegt und sich bereits zu Beginn der zweiten Runde auf Rang drei positioniert - direkt hinter seinen WM-Rivalen Francesco Bagnaia und Jorge Martin. Mithalten konnte er mit dem Duo in weiterer Folge aber nicht, vielmehr verlor er mit jeder weiteren Runde weiter an Boden. Das ging so weit, dass Marquez zur Mitte der achten Runde schon knapp 2,5 Sekunden auf den zweitplatzierten Martin verloren hatte und sich anschließend zu einer merkwürdigen Aktion hinreißen ließ. Am Ausgang von Turn 8 drehte er sich um und deutete mit dem Finger an, dass er in der nachfolgenden Kurve T9 seinen Hintermann Fabio Di Giannantonio vorbeilassen würde.

Marc Marquez in Assen vom MotoGP-Mindestreifendruck eingebremst

Dies tat der Gresini-Pilot dann tatsächlich auch und setzte sich anschließend an das Hinterrad von Di Giannantonio, wo er bis zur 19. Runde verweilte. Dann folgte die zweite kuriose Szene: Diesmal war es nämlich der VR46-Pilot, der - erneut in Kurve neun - etwas weit und leicht vom Gas ging, um diesmal Marquez wieder vorbeizulassen. Doch dieser wollte offensichtlich nicht vorbei und verlangsamte daraufhin ebenfalls. Maverick Vinales nutzte die Gelegenheit, um kurzerhand beide zu überholen und wenig später zog auch Enea Bastianini noch vorbei.

"Vielleicht hatte sein Team den Reifendruck auf Sonnenschein ausgelegt und darauf, hinter einem anderen Fahrer festzustecken. Ich bin überzeugt, dass er von seinem Dashboard eine Warnung bekommen hat, dass der Reifendruck zu niedrig ist. Deshalb musste er dann jemanden vorbeilassen", offenbarte MotoGP-Experte Simon Crafar bei 'After the Flag' eine erste Vermutung und schien dabei auf der richtigen Fährte gewesen zu sein. Denn wenig später erklärte auch Vinales in seiner Medienrunde: "Ich habe relativ schnell verstanden, um was es da ging: Den Reifendruck im Vorderreifen. Sie wollten hintendran sein, um ihn wieder zu erhöhen. Also warten wir mal die News ab. Vielleicht haben wir ja Glück und sie waren unter dem Mindestwert."

Zumindest im Falle des sechsmaligen MotoGP-Weltmeisters sollte Vinales Recht behalten. Um kurz nach 17 Uhr wurde Marquez von den Stewards mit einer 16-Sekunden-Zeitstrafe belegt, weil er den vorgeschriebenen Mindestdruck im Vorderreifen unterschritten hatte. Der Spanier fiel dadurch auf Rang zehn zurück, Vinales kletterte auf Platz fünf. "Ich war eine Runde um 0,01 bar darunter. Das ist ärgerlich, aber so sind eben die Regeln", kommentierte Marquez später und machte einen leichten Kontakt mit Enea Bastianini für seine Unterschreitung verantwortlich.

Enea Bastianini hatte Marc Marquez mit einem harten Manöver passiert, Foto: LAT Images
Enea Bastianini hatte Marc Marquez mit einem harten Manöver passiert, Foto: LAT Images

Wetterumschwung bringt MotoGP-Fahrer in Assen in die Bredouille

Doch wieso hatte der MotoGP-Star überhaupt so große Probleme mit dem Reifendruck, dass er sogar freiwillig auf Überholmanöver verzichtete? Die Gresini-Ingenieure hatten sich jedenfalls nicht verkalkuliert. "Das war ein Fehler von uns allen, wir sind ein Team. Viele Ducatis waren am Limit, das war heute verdammt schwierig", meinte Marquez und sprach anschließend den tatsächlich ausschlaggebenden Punkt an: Das Wetter. Denn die Bedingungen auf dem TT Circuit unterschieden sich am Sonntag nämlich gewaltig von jenen des Vortages. Hatte die Sonne im Sprint noch auf den Asphalt gestrahlt, war diese im Hauptrennen nur zum Rennstart zu sehen. Danach verzog sie sich immer mehr hinter eine dichte Wolkendecke, wodurch die Streckentemperatur von 35 auf 30 Grad abfiel. Zum Vergleich: Im Sprint kämpften die MotoGP-Stars noch mit einer Asphalttemperatur im hohen 40er-Bereich. Außerdem nahm der Wind stark zu, welcher die Reifen auf den Geraden zusätzlich abkühlte.

Dieser Wetterumschwung war zwar schon am Samstag abzusehen, der Sonnenschein kurz vor Rennstart veranlasste aber wohl viele Piloten, dennoch mit dem harten Vorderreifen in die Dutch TT zu starten. Nur die vier Hondas und WM-Leader Martin wagten sich mit der weicheren Medium-Variante in das Rennen. Als die Sonne dann aber doch verschwand, bekamen einige Piloten auf dem harten Vorderreifen plötzlich Probleme, die Temperatur hochzuhalten. So auch Di Giannantonio, der sich in der 19. Runde deshalb dazu entschied, seine Hintermänner vorbeizulassen. "Ärgerlich, dass ich an einem Punkt meinen Speed reduzieren musste, da mein Vorderreifen etwas zu kalt wurde. In den schnellen Kurven hatte ich ihn ein paar Mals schon fast verloren. Deshalb habe ich die anderen vorbeigelassen, dann konnte ich wieder kämpfen", berichtete er am Sonntagabend.

Zumindest in seinem Fall spielte der Reifendruck dabei aber keine Rolle. "Es ging mir nur um den Grip", stellt Di Giannantonio klar und erklärt: "Hier fahren wir verdammt schnelle Kurven und mit einem kalten Reifen hast du dann nicht genug Zeit, um zu reagieren, wenn du die Front verlierst. Das kannst du dann nicht mehr abfangen."

Wohl eine weise Entscheidung, denn Stürze enden auf dem TT Circuit in Assen selten schmerzfrei. Das zeigte sich bereits an Freitag und Samstag, als viele Piloten in 'Ruskenhoek' heftig abflogen. Weshalb an dieser Stelle nun Veränderungen an der Strecke gefordert werden, erfahrt ihr im nachfolgenden Video:

Verletzungsserie in Assen! MotoGP-Fahrer fordern Umbau (07:26 Min.)