Eigentlich waren die Blicke am ersten Tag der offiziellen MotoGP-Wintertestfahrten in Sepang auf die neuen Motorräder und Technik-Neuerungen der Teams und Hersteller gerichtet. Doch gegen 11:00 Uhr lokaler Uhrzeit, also rund eine Stunde nach Testbeginn, tauchte dann plötzlich ein Bild aus der Repsol-Honda-Garage auf, mit dem so nicht zu rechnen war. Denn dort war Alex Baumgärtel zu sehen, der eigentliche Kalex-Boss - und zwar in einem HRC-Shirt!

Nur wenige Stunden später herrschte dann aber auch schon Klarheit, warum dem so war. Wie unsere britischen Kollegen von 'Autosport.com' erfahren haben wollen, hat die Honda Racing Corporation Alex Baumgärtel kurzerhand unter Vertrag genommen. Der Mitbegründer des deutschen Chassis-Herstellers Kalex soll bei den Japanern ab 2024 offiziell als technischer Berater fungieren und dabei helfen, die Chassis-Produktion zu beschleunigen sowie die Vorlaufzeit zwischen Produktion und ersten Tests zu verkürzen.

Alex Baumgärtel soll Honda beim Chassis-Bau nach vorne bringen, Foto: LAT Images
Alex Baumgärtel soll Honda beim Chassis-Bau nach vorne bringen, Foto: LAT Images

Honda: Erste Kooperation mit Kalex bereits 2022!

Der Honda RC213V fehlt es bekanntlich seit einigen Jahren an Grip. Ein Problem, dass seinen Ursprung im Rahmen des Motorrads hat und dass die Japaner selbst einfach nicht in den Griff bekamen. Nach den enttäuschenden Testfahrten im Vorjahr entschied sich HRC deshalb schon Ende März 2023 zu einer überraschenden Maßnahme: Sie beauftragten das deutsche Unternehmen Kalex mit dem Bau eines Chassis für die Honda RC213V. Der größte Motorradhersteller der Welt suchte Hilfe bei den Moto2-Dominatoren mit lediglich acht Angestellten. 2022 hatte das Team um Mastermind Baumgärtel Honda auch schon einen Schwungarm geliefert.

Obwohl das Kalex-Chassis, welches Anfang Mai 2023 in Jerez debütierte, selbst kein großer Erfolg war - Superstar Marc Marquez verwarf das Chassis etwa schon nach wenigen Tests wieder - verschaffte es Honda wohl einen großen Mehrwert, weil zahlreiche Informationen daraus abgeleitet und für die weitere Entwicklung der hauseigenen Chassis in Anbetracht gezogen werden konnten.

Daher dürften die Japaner nun auch zur Ansicht gekommen sein, dass Kalex-Mitbegründer Baumgärtel eine Schlüsselrolle in der Fortsetzung der positiven Entwicklungsarbeit einnehmen könnte, die bereits beim Valencia-Test im Vorjahr begann. Dort hatte Honda bekanntlich einen gänzlich neuen Prototypen eingesetzt, der auch beim Shakedown und am ersten Tag des Sepang-Tests zu Gefallen wusste. Im Vergleich zur 2023er-Version soll das neue Motorrad unter anderem knapp acht Kilogramm leichter geworden sein. Ein Vorteil, der allein mehrere Zehntel Rundenzeit bescheren könnte.

Die neue Honda RC213V soll deutlich leichter sein als ihre Vorgängerversion aus 2023, Foto: LAT Images
Die neue Honda RC213V soll deutlich leichter sein als ihre Vorgängerversion aus 2023, Foto: LAT Images

Nächster hochkarätiger, nicht-japanischer Neuzugang für Honda

Grundsätzlich setzt Honda mit der Verpflichtung Baumgärtels einen Weg fort, den die japanischen Hersteller bereits im Vorjahr eingeschlagen haben. Um den technischen Rückstand auf die europäischen Werke um Ducati, KTM und Aprilia wieder aufzuholen, nahmen sowohl Honda als auch Yamaha zuletzt immer wieder europäische Ingenieure und hochrangige Angestellte unter Vertrag, um sich 'frischen Wind' ins Unternehmen zu holen und sich an die europäische Arbeitsweise anzupassen.

Baumgärtel selbst wird Kalex derweil nicht vollständig verlassen. Der Deutsche wird auch in Zukunft mit dem Unternehmen verbunden bleiben - ab 2024 nur eben parallel zu seiner neuen Rolle als Technischer Berater bei Honda.