Die MotoGP-Saison 2024 steht vor der Tür, und sie wird den Fans hoffentlich spannende Rennen und einen engen Titelkampf liefern. Doch nicht nur auf, sondern auch neben der Strecke wird es zur Sache gehen. Von 22 Piloten haben mit Brad Binder, Luca Marini und Johann Zarco nur drei Fahrer einen Vertrag über die Saison 2024 hinaus. Zwar sollten Vertragsverlängerungen bei einigen Fahrern wie etwa Francesco Bagnaia bei Ducati oder Aleix Espargaro bei Aprilia nur Formsache sein, aber dennoch könnte es zur größten 'Silly Season' der Geschichte kommen. Die vier Motorrad-Redakteure von Motorsport-Magazin.com geben jeweils einen Tipp ab, welche MotoGP-Stars vor einem (überraschenden) Wechsel stehen könnten.
Aus Rivalen werden Partner: Marc Marquez steigt ins Ducati-Werksteam auf
Mit Marc Marquez steht und fällt 2024 der gesamte MotoGP-Transfermarkt. Der 31-jährige Spanier muss zuerst seinen 'Move' machen, dann erst werden die restlichen Puzzleteile ineinanderfallen. Klar ist, der achtfache Weltmeister dürfte sich 2025 nach einer Saison bei Gresini wieder einem Werksteam anschließen. Die große Frage lautet nur: Welchem? Mit Honda, Ducati und KTM scheint es vor allem drei ernsthafte Anwärter zu geben. Einzig Yamaha kann aufgrund der gemeinsamen Historie [Stichwort: 'Sepang-Clash', Anm.] ausgeschlossen werden. Aprilia könnte eine Außenseiterchance haben, dürfte finanziell letztlich aber nicht stark genug sein, um sich den Topstar zu leisten.
Ganz anders Ducati. Die Italiener haben nicht nur das nötige Kleingeld, sondern auch das beste Paket im MotoGP-Grid. Und genau dort wird Marquez auch 2025 noch sitzen wollen, anderenfalls hätte er sich nicht zum Abgang von Honda entschieden. Die Ducati-Verantwortlichen haben dem Spanier bereits die Tür geöffnet, weil sie wahrscheinlich auch gar keine andere Wahl haben. Zum einen wollen die Sponsoren einen Weltstar wie Marquez, zum anderen kann es sich der stolze Hersteller aus Borgo Panigale wohl kaum erlauben, zunächst von Marquez im eigenen Kundenteam und dann von Marquez bei einem Konkurrenten wie Honda oder KTM düpiert zu werden.
Sollte der Spanier 2024 vom Start weg liefern - und das wird er - muss sich Ducati zwangsläufig um eine Verpflichtung bemühen. Ob Marquez dann tatsächlich auch unterschreibt, liegt einzig an ihm. Will er lieber eine neue Herausforderung bei KTM oder eine Rückkehr zu Honda, wird er sich dafür entscheiden. Mein Tipp lautet aber: Marc Marquez hat noch lange nicht genug vom Erfolg und wird 2025 und 2026 im Ducati-Werksteam angreifen.
Yannik Grafmüller
Ducati vergrault Jorge Martin
Nach vier Jahren bei Pramac Racing endet für Jorge Martin 2024 die Ära Ducati. Der Madrilene durfte auf der Desmosedici große Erfolge feiern, verpasste im Vorjahr den MotoGP-Weltmeistertitel nur ganz knapp und wird wohl auch in der bevorstehenden Saison wieder um die Krone der Königsklasse kämpfen. Für Martin steht fest, dass er mit diesen Leistungen einen Platz im Ducati-Werksteam verdient hat. "Was soll ich denn noch machen?", fragte er die Führungsebene des italienischen Herstellers zuletzt in aller Öffentlichkeit.
Die Antwort darauf ist wohl, dass Martin auch eine geniale erste Saisonhälfte nicht reichen wird, um sich den Traum vom Factory-Piloten endlich zu erfüllen. Dann nämlich, wenn Enea Bastianini nach seiner Verletzungsserie im Vorjahr wieder zu alter Stärke zurückfindet, wovon auszugehen ist. Francesco Bagnaia wird Ducati nicht verlassen und 'La Bestia' scheint in den Augen der Ducati-Bosse der ideale Teamkollege für Bagnaia zu sein. Martin müsste sich also weiterhin mit der Rolle im Pramac-Kundenteam abfinden, doch auf diese hat er absolut keine Lust mehr.
Martin stellte zuletzt mehrfach klar, dass für ihn 2025 nur ein Werksplatz zählt. Bevorzugt bei Ducati, notfalls aber auch bei einem anderen Hersteller. Honda brachte Martin hier selbst ins Spiel. Tatsächlich ist damit zu rechnen, dass sich dort mit Ende 2024 ein Platz auftut. Denn dass Joan Mir nach seinem Debakel im Vorjahr das Ruder noch völlig herumreißt und sich beide Seiten auf eine Vertragsverlängerung einigen, kann als ausgeschlossen betrachtet werden. Marc Marquez wird zwar auch immer wieder mit einer Rückkehr zu seinem langjährigen Arbeitgeber in Verbindung gebracht, diese wird aber wohl eher später in seiner Karriere passieren.
Ein Wechsel zu Repsol Honda würde sich für Martin auf jeden Fall finanziell auszahlen, könnte aber auch sportlich durchaus interessant sein. Nimmt man die MotoGP-Saison 2023 als Maßstab, wechselt Martin vom besten auf das schlechteste Motorrad der Königsklasse. Doch Hondas 2024er-Prototyp scheint ein deutlicher Fortschritt zu sein. Das neue Concessions-Reglement ermöglicht den Japanern zudem beinahe unbegrenzte Testfahrten während der Saison. Gut möglich also, dass Honda im nächsten Jahr wieder äußerst konkurrenzfähig ist. Und dann mit Jorge Martin um Spitzenresultate kämpft.
Markus Zörweg
Fabio Quartararo flüchtet zu Aprilia
Bei Yamaha geht nicht wirklich etwas voran. Zwar wurden im Bereich Motorenentwicklung neue Leute geholt, doch das könnte erst Früchte tragen, wenn auch Yamaha zu V4-Aggregaten gewechselt ist. Das könnte frühestens 2025 geschehen. Außerdem beklagt Star-Pilot Fabio Quartararo stets, dass auch das Bike selbst keine wirklichen Fortschritte macht. Verbesserungen beim Topspeed wurden mit schlechterer Kurvenlage bezahlt. Quartararo zeigt sich zwar stets professionell und weiß auch, was er Yamaha zu verdanken hat, aber seinen Frust kann der ehemalige Weltmeister immer weniger verbergen.
Der Wechsel von Marc Marquez zu Ducati hat gezeigt, dass es einem ambitionierten Piloten trotz aller Loyalität und großer Vergangenheit bei einem Team am Ende um eines geht: Gewinnen. Das kann man heutzutage am besten bei Ducati, aber deren Stardichte ist groß. Einen Quartararo brauchen sie eigentlich nicht. Das gilt aber nicht für ein anderes Werk: Aprilia. Aleix Espargaro, Maverick Vinales und Miguel Oliveira sind allesamt Siegfahrer, aber können sie wirklich um eine Weltmeisterschaft kämpfen? Ducati hat mehrere solcher Fahrer und KTM hat Brad Binder (sowie mit Pedro Acosta eine große Zukunftshoffnung). Aprilia hingegen kann einen solchen Brocken nicht vorweisen. Doch den brauchen sie, wenn sie es wirklich ernst meinen und Ducatis Vormacht brechen wollen.
Natürlich müsste Noale sich dann von einem ihrer aktuellen Fahrer trennen. Wenn Aleix Espargaro eine Verlängerung will, wird er sie bekommen. Maverick Vinales würde also vermutlich beim Werksteam in die Röhre blicken. Vielleicht ginge es für ihn zu Trackhouse, falls es mit Raul Fernandez nicht weitergeht oder Miguel Oliveira wechseln will. Am Ende sind dies jedoch Gedanken, die Aprilia nicht abschrecken sollten. Es braucht das, was im Fußball gerne als 'Statement-Transfer' bezeichnet wird, wenn ein Starspieler verpflichtet wird. Ein letzter Schritt, der klarmacht: Unsere Ambition ist der Titel, und nichts anderes.
Tobias Mühlbauer
Marco Bezzecchi tritt Quartararo-Nachfolge an
Sollte Yamaha Fabio Quartararo mit dem 24er-Motorrad nicht überzeugen können, wird sich dieser von den Japanern verabschieden. Zwangsläufig steht Yamaha damit vor der großen Herausforderung, seinen besten Piloten der letzten fünf Jahre zu ersetzen. Als Teamkollege hatte man zur Saison 2024 Alex Rins verpflichtet. Dieser wird wohl auch 2025 für die Schwarzblauen an den Start gehen.
Auf dem Fahrermarkt bieten sich nicht allzu viele Chancen, einen Spitzenfahrer unter Vertrag zu nehmen. Die Zeiten, in denen die Talente Schlange standen, um die M1 fahren zu dürfen, sind längst vorbei. Zudem hat Yamaha nach der Saison 2022 sein Kundenteam verloren und damit keine Möglichkeit, eine interne Lösung zu finden. Es muss also hohes Verhandlungsgeschick an den Tag gelegt und eine Menge Geld in die Hand genommen werden.
Mein Topfavorit auf diesen Platz ist Marco Bezzecchi. Der WM-Dritte hat sich 2023 eindrucksvoll den Status als Spitzenpilot erarbeitet. Für Yamaha wäre es die Chance, einen 'zukünftigen Weltmeister' für sich zu gewinnen. Es gibt noch weitere Gründe, welche für einen Wechsel sprechen.
Zum einen pflegt Yamaha weiterhin enge Beziehungen zur VR46-Gruppe rund um Markenbotschafter Valentino Rossi. VR46 übernimmt bekanntermaßen auch das Management Bezzecchis. Mentor Rossi wird Marco Bezzecchi von einem Wechsel zum MotoGP-Riesen Yamaha wohl kaum abraten. Zusätzlich hat Teamchef Alessio Salucci immer wieder betont, dass man seine MotoGP-Piloten für die großen Werksteams empfehlen will. Der Fall Luca Marini stellt dies unter Beweis - ohne zu zögern gab die Mannschaft aus Tavullia den Rossi-Halbbruder für Honda frei.
Auch die persönliche Situation macht einen Yamaha-Wechsel für Bezzecchi interessant. Die Bikes im Ducati-Werksteam sind brutal umkämpft. Neben Francesco Bagnaia, dessen Vertragsverlängerung nur Formsache ist, gelten Jorge Martin und Marc Marquez als Favoriten auf den Platz neben Bagnaia in der Ducati-Box. Einen Wechsel zu Pramac lehnte 'Bezz' bereits ab. Sollte sich Yamaha nun mit einem Angebot über einen hochdotierten Werksvertrag bei Bezzecchi melden, wird dieser nicht abgeneigt sein. Die Möglichkeit für eines der erfolgreichsten Werke der MotoGP-Geschichte zu fahren, erhält man schließlich nicht zu oft im Leben.
Marc Sinkewitz
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