Der 09. Januar 2009 wird als ein Tag in die Geschichte eingehen, an den sich die 'grünen' MotoGP-Fans nicht gerne zurückerinnern werden. An jenem Freitag verkündete Kawasaki nämlich völlig überraschend die Absicht, sich mit sofortiger Wirkung aus der Königsklasse des Zweiradsports zurückzuziehen. Motorsport-Magazin.com blickt 15 Jahre später auf diesen geschichtsträchtigen Tag zurück und stellt sich die Frage: Kehrt der japanische Hersteller nochmal zurück oder bleiben die Grünen der MotoGP für immer fern?

"Kawasaki wird seine Teilnahme an der MotoGP-Weltmeisterschaft 2009 aussetzen", hieß es in der damaligen Pressemitteilung, die der japanische Motorradbauer am Freitagvormittag veröffentlichte. Zuvor war Kawasaki sechs Jahre lang als Werksteam in der MotoGP an den Start gegangen und sollte das eigentlich auch noch viele weitere Jahre tun. Erst im Herbst 2008 hatte Kawasaki in Marco Melandri einen gestandenen Grand-Prix-Sieger als neuen Teamkollegen für John Hopkins verpflichtet. Der Sprung in die MotoGP-Spitze sollte endlich gelingen.

Marco Melandri (links) war Kawasakis großer Hoffnungsträger für 2009, Foto: Kawasaki
Marco Melandri (links) war Kawasakis großer Hoffnungsträger für 2009, Foto: Kawasaki

Der plötzliche Rückzug aus der Königsklasse kam daher extrem überraschend, die Gründe lagen jedoch auf der Hand. Die Weltwirtschaftskrise, die 2008 ausgebrochen war, bereitete dem Konzern aus dem japanischen Kobe große Probleme. "Aufgrund des Einflusses der weltweiten Wirtschaftskrise mussten wir unsere Geschäftsstruktur neu bewerten", offenbarte die Pressemitteilung. Die jährlichen Kosten von geschätzten knapp 44 Millionen Dollar für das MotoGP-Projekt waren nicht mehr tragbar. "Wir haben gestern die endgültige Entscheidung getroffen, nicht mehr in der MotoGP zu fahren. Das ist etwas, das wir seit Mitte Dezember in Betracht gezogen haben. Im derzeitigen wirtschaftlichen Klima und solange sich die Situation nicht verbessert, ist es schwer zu sagen, ob wir zurückkehren werden", erklärte auch der damalige Kawasaki-Sprecher Katsuhiro Sato.

Hayate Racing ersetzt Kawasaki in der MotoGP-Saison 2009

Mittlerweile ist natürlich klar: Kawasaki sollte nicht mehr zurückkehren, bis heute nicht. Damals wollte MotoGP-Promoter Dorna den Wegfall eines seiner fünf Hersteller aber nicht so einfach akzeptieren. Schließlich verfügte Kawasaki über einen gültigen Vertrag, der zur Teilnahme an der Saison 2009 verpflichtete. Es musste also eine Einigung getroffen werden. Die ersten Verhandlungen zwischen Kawasaki und Dorna verfolgten das Ziel, die Motorräder trotz des Rückzugs zur Verfügung zu stellen und vom privaten Aspar-Team einsetzen zu lassen. Dadurch hätte Kawasaki offiziell kein MotoGP-Engagement mehr betrieben, das Grid hätte sich aber weiterhin aus den geplanten elf Teams und 19 Fahrern zusammengesetzt.

Marco Melandri fuhr 2009 im Hayate-Team auf einer Kawasaki ZX-RR, Foto: Milagro
Marco Melandri fuhr 2009 im Hayate-Team auf einer Kawasaki ZX-RR, Foto: Milagro

Letztlich wurde jedoch eine andere Lösung gefunden: Am 26. Februar verkündete Kawasaki in einem weiteren Statement, doch in der MotoGP verbleiben zu wollen und 2009 mit einem Ein-Fahrer-Team um Marco Melandri an den Start zu gehen. Eingesetzt werden sollte eine Kawasaki ZX-RR. Drei Tage später wurde dieses Team dann auch offiziell vorgestellt: Hayate Racing. Dabei handelte es sich jedoch nicht mehr um ein offizielles Kawasaki-Werksteam, sondern nur um eine verkleinerte Version. Die Japaner beendeten die Entwicklungsarbeit an der ZX-RR bereits im März 2009 und beschränkte sich mit Saisonbeginn in Katar auf die Wartung und Instandhaltung des Motorrads. Damit fuhr 2009 zwar noch eine Kawasaki im MotoGP-Feld, von einem echten Werkseinsatz konnte aber nicht mehr gesprochen werden.

Melandri überzeugt: Besser als Kawasaki-Piloten 2008 zusammen

Trotz des fehlenden Werkssupports konnte Melandri speziell in der Frühphase des Jahres einige Ausrufezeichen setzen. In den ersten drei Rennen gelangen ihm zwei Top-Sechs-Resultate und in Frankreich fuhr er sogar als Zweiter auf das Podium. Die WM beendete der Italiener auf Platz zehn, vor Werkspiloten wie Chris Vermeulen (Suzuki) oder Nicky Hayden (Ducati) und nur sieben Punkte hinter Toni Elias (Gresini) und P7. Mit 108 Punkten sammelte Melandri sogar mehr Zähler als die Kawasaki-Werkspiloten Hopkins und Anthony West im Vorjahr zusammen (107).

Kawasaki gehörte 2008 eher zum hinteren Teil des MotoGP-Feldes, Foto: Kawasaki
Kawasaki gehörte 2008 eher zum hinteren Teil des MotoGP-Feldes, Foto: Kawasaki

Denn zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass die Japaner den Erwartungen während des sechsjährigen MotoGP-Stints über weite Strecken hinterhergefahren waren. Ein Rennsieg gelang in all der Zeit nicht, vier Podestplätze waren die Höhepunkte. In der Herstellerwertung war nie mehr als Platz vier möglich, weit abgeschlagen von den großen MotoGP-Herstellern Yamaha, Honda und Ducati. Im letzten MotoGP-Jahr 2008 fehlten Kawasaki sogar fast 100 Punkte auf Suzuki. Die Weltwirtschaftskrise kam somit sicherlich auch als eine Art passende Ausrede, um das enttäuschende MotoGP-Projekt zu beenden.

Kommt Kawasaki nochmal in die MotoGP zurück?

Denn auch als sich die wirtschaftliche Lage wieder entspannte, fokussierte sich Kawasaki ausschließlich auf die Superbike-Weltmeisterschaft. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang dort 2013 mit Tom Sykes der erste Titelgewinn, ab 2015 dominierten die Grünen mit Jonathan Rea dann sechs Jahre am Stück nach Belieben. Gerüchte um eine MotoGP-Rückkehr kamen in dieser Zeit immer mal wieder auf, konkret wurden sie jedoch nie. Aufgrund der Erfolge in der Superbike-WM war das kostenintensive MotoGP-Engagement schlicht nicht notwendig. "Kawasaki hat sich vor Jahren dazu entschlossen, den Fokus auf die Superbike-WM zu legen. Dafür gab es gute Gründe und diese haben sich nicht geändert", antwortete Kawasaki-Rennchef Gium Roda erst 2022 auf die Frage nach einer möglichen MotoGP-Rückkehr, als ein Nachfolger für Suzuki gesucht wurde.

Kawasaki konzentriert sich seit Jahren auf das Superbike-Engegement, Foto: LAT Images
Kawasaki konzentriert sich seit Jahren auf das Superbike-Engegement, Foto: LAT Images

Wird Kawasaki also nie mehr in die Königklasse zurückkommen? Zugegeben: Die Chancen stehen zumindest momentan alles andere als gut. Aber wie so oft im Leben gilt auch hier: Sag niemals nie! Für eine MotoGP-Rückkehr spricht, dass Kawasaki in der Superbike-WM längst nicht mehr so stark ist wie noch vor einigen Jahren. Hinter Ducati und Yamaha sind die Grünen nur noch dritte Kraft, zudem verlor man Superstar 'Johnny' Rea zur neuen Saison an die direkte Konkurrenz. Mit einem erfolgreichen WorldSBK-Projekt kann also nicht mehr argumentiert werden. Gleichzeitig erlebt die MotoGP einen Boom, gewann durch die Einführung der Sprints nochmal an Attraktivität.

Allerfrühstens wäre ein Comeback der Grünen jedoch 2027 realistisch. Dann erhält die MotoGP nämlich ein neues Regelwerk. Für Neueinsteiger abschrekende Technologien wie Ride-Height-Devices und Aero-Flügelelemente sollen dann wegfallen, zudem soll es eine Hubraum-Verkleinerung auf 850ccm geben. Dieser völlige Neustart für alle Werke könnte interessierten Neueinsteiger eine große Chance bieten. Das neue Concession-Reglement bietet zudem die Möglichkeit noch schneller als zuvor konkurrenzfähig zu werden. Dass Promoter Dorna seit dem Ausstieg von Suzuki unbedingt wieder einen sechsten Hersteller für die MotoGP gewinnen will, ist kein Geheimnis. Wieso nicht Kawasaki?