2022 gelang Aprilia nach vielen Jahren des Leidens endlich der erhoffte Sprung in das MotoGP-Spitzenfeld. Aleix Espargaro sorgte in Argentinien nicht für die erste Pole Position und den ersten Grand-Prix-Sieg Aprilias in der MotoGP-Ära, sondern kämpfte auch lange Zeit mit Francesco Bagnaia und Fabio Quartararo um den Weltmeistertitel. In der abgelaufenen Saison sollten diese Leistungen bestätigt werden, das gelang jedoch nur in Teilen. Das Jahresfazit 2023 fällt deshalb ernüchternd aus.

"Um ehrlich zu sein, war das kein sonderlich gutes Jahr für uns. Wahrscheinlich, weil wir mit zu hohen Erwartungen in die Saison gestartet sind", bilanziert Aprilia-Teammanager Paolo Bonoro gegenüber 'MotoGP.com'. Das Team aus dem italienischen Noale hatte bei den Testfahrten in Sepang und Portimao einen guten Eindruck hinterlassen, erschien die klare 'Nummer zwei' hinter Ducati zu sein. Ein erneuter WM-Kampf mit den Roten war im Blick, doch daraus wurde nichts. Aprilia konnte 2023 nur vereinzelt mit den dominanten Ducatisti mithalten, hatte oftmals sogar das Nachsehen gegen KTM und Brad Binder.

In Barcelona gelang Aprilia ein Doppelsieg, Foto: LAT Images
In Barcelona gelang Aprilia ein Doppelsieg, Foto: LAT Images

Einzelne Highlights gab es im abgelaufenen MotoGP-Jahr zu bejubeln: Aleix Espargaro siegte zunächst im Großbritannien Grand Prix, ehe er beim Heimspiel in Katalonien das Double aus Sprint- und GP-Sieg komplettierte. Maverick Vinales sorgte dort sogar für den ersten Aprilia-Doppelsieg in der Königsklasse. Des Weiteren stehen noch fünf Podien und zwei Pole Positions zu Buche. In der Fahrer-WM landeten Espargaro (206) und Vinales (204) aber nur auf den Plätzen sechs und sieben, in der Hersteller-Wertung reichte es nur zu P3 hinter Ducati und KTM.

Bonoro: Aprilia hat viele gute Chancen weggeschmissen

"Trotz der guten Rennen in Barcelona und Silverstone haben wir die Ziele, die wir uns gesetzt haben, nicht erreicht", wird Bonoro deshalb deutlich. Speziell mit dem Beginn der Asien-Tournee Mitte September verfiel Aprilia zunehmend in alte Muster. Bonoro weiß: "Im zweiten Teil der Saison haben wir nicht viele Punkte gesammelt. Wir haben viele gute Ausgangslagen und Möglichkeiten weggeschmissen." Dazu zählen etwa die Gastspiele in Indonesien, Thailand, Malaysia und Katar, als Aprilia zwar überzeugend in die Wochenenden startete, in den acht Rennen letztlich aber nur drei Top-Sieben-Ergebnisse zu Stande brachte.

Im kommenden Jahr muss daran angesetzt werden. "Wir kennen unsere Schwachpunkte", sagt Bonoro und erklärt: "Auf einzelnen, spezifischen Streckenlayouts sind wir sehr gut, beispielsweise in den Schnellen-Kurven-Layouts von Barcelona und Silverstone. Wir müssen unser Bike aber in harten Bremszonen verbessern. Speziell dann, wenn du Highspeed-Geraden hast, das Motorrad stoppen, so schnell wie möglich aufrichten und wieder beschleunigen musst. In diesem Bereich haben wir, verglichen mit unseren Konkurrenten, Aufholbedarf."

2023 landeten die Aprilia-Piloten zu oft auf der Nase, wenn gute Resultate möglich waren, Foto: LAT Images
2023 landeten die Aprilia-Piloten zu oft auf der Nase, wenn gute Resultate möglich waren, Foto: LAT Images

Aprilia-Fahrer bereit für WM-Kampf, das Team selbst (noch) nicht

Zusätzlich war Aprilia immer dann stark, wenn das Asphaltband einer Strecke wenig Grip bot, etwa in Argentinien oder Indonesien. Dafür machten der RS-GP aber auch heiße Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit zu schaffen, während der Asien-Tour kam es zu zahlreichen Defekten. In Thailand war die Situation sogar so schlimm, dass die Aprilia-Piloten dem körperlichen K.O. nahe waren. Diese großen Leistungsschwankungen gilt es auszumerzen, wenn Ducati ernsthaft herausgefordert werden soll. Ausgerechnet der italienische Nachbar kann dabei aber auch als Vorbild gelten, waren die Roten doch vor einigen Jahren selbst nur auf spezifischen Strecken stark und entwickelten daraus dann erst ein Paket, welches überall funktioniert.

Aprilia-Teammanager Bonoro sieht sein Fahrerduo jedenfalls für den Titelkampf gerüstet, Nachholbedarf hat lediglich der Hersteller selbst. "Aleix ist eine fantastische erste Saisonhälfte gelungen. In Barcelona sind er und Maverick wundervolle Rennen gefahren und in Silverstone natürlich auch. Wir haben großartige Ergebnisse gefeiert", lobt der Italiener und übt sich anschließend in Eigenkritik: "Im zweiten Teil der Saison haben wir es nicht geschafft, das Bike korrekt an die Konditionen anzupassen, die wir vorgefunden haben. Wir sind sehr glücklich mit unseren Fahrern. Wir müssen ihnen einfach konstanter und schneller das gute Gefühl mit dem Motorrad verschaffen, das sie brauchen."