Die Grand-Prix-Strecke auf Phillip Island zählt zu den schönsten und spektakulärsten Rundkursen auf der ganzen Welt. Ihre küstennahe Lage sorgt für eine malerische Kulisse. Gleichzeitig sorgt die Tatsache, dass der Phillip Island Circuit nur wenige Meter vom offenen Meer entfernt erbaut wurde, aber auch dafür, dass die Rennstrecke den Kräften der Natur schutzlos ausgeliefert ist. Jährlich haben die MotoGP-Piloten beim Australien Grand Prix deshalb mit Wind und Wetter zu kämpfen.

Im Jahr 2023 dürfte das nächste Kapitel in dieser Saga geschrieben werden. An Freitag und Samstag werden zwar noch humane Bedingungen erwartet, pünktlich zum Rennsonntag soll sich das Blatt aber wenden. Während die Sessions an Freitag und Samstag noch im Trockenen über die Bühne gehen sollen, wird am Sonntag ab circa 10 Uhr Ortszeit Regen prognostiziert. Zum Start des Australien Grand Prix der MotoGP um 14 Uhr Ortszeit beträgt die Regenwahrscheinlichkeit zum aktuellen Zeitpunkt 63 Prozent. Die Außentemperaturen könnten dann auf unangenehme 12 bis 14 Grad abkühlen.

Der Phillip Island Circuit liegt nur wenige Meter entfernt vom offenen Meer, Foto: LAT Images
Der Phillip Island Circuit liegt nur wenige Meter entfernt vom offenen Meer, Foto: LAT Images

Deutlich mehr Sorgen bereiten den MotoGP-Stars aber die vorausgesagten Windgeschwindigkeiten. Diese könnten am Sonntagnachmittag Spitzen zwischen 52 und 58 km/h erreichen. Zur Einordnung: In der Beaufort-Windskala wird bei solchen Windgeschwindigkeiten von sturmähnlichen Bedingungen gesprochen. Von Bäumen können Äste abbrechen, ein Mensch spürt beim Gehen ordentlich Widerstand. Dass also Motorradfahren nicht ohne weiteres möglich ist, erklärt sich eigentlich von selbst. Dennoch zum Vergleich: Im Vorjahr klagten die Piloten der Königsklasse nach dem Trainingsfreitag bereits über starken Wind, damals erreichten die Böen in FP2 aber 'nur' Geschwindigkeiten von bis zu 40 km/h.

Starker Wind beunruhigt MotoGP-Piloten: Du fliegst leicht von der Strecke!

"Es wird hier noch schwerer als in Japan, die Bedingungen können sich von Minute zu Minute ändern. Und in Japan war es schon schwer, sich an die nassen Bedingungen anzupassen", blickt WM-Leader Francesco Bagnaia besorgt auf den Rennsonntag. Auch Maverick Vinales, vergangenes Wochenende in Indonesien noch Zweiter hinter Bagnaia, zeigte sich am Donnerstag beunruhigt: "Der Wind sieht am Sonntag sehr stark aus, bis zu 60 km/h. Das ist sehr viel. Du kannst hier leicht von der Strecke abkommen. Ein starker Windstoß reicht schon aus." Aprilia-Teamkollege Aleix Espargaro sieht deshalb eine Verschiebung des Australien Grand Prix als realistische Option: "Es ist nicht meine Aufgabe, mir darüber Gedanken zu machen. Aber das Rennen zu verschieben, ist definitiv keine ausgeschlossene Variante. Es ist nicht unmöglich."

Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass eine MotoGP-Session auf Phillip Island den starken Windböen zum Opfer fällt und verschoben werden muss. Im Jahr 2019 war Miguel Oliveira im 4. Freien Training am Ende der Start-Ziel-Geraden von einer heftigen Windböe erfasst und von der Strecke getragen worden. Der damalige Tech3-Pilot kam daraufhin auf der Rasenfläche der Auslaufzone bei hohem Tempo zu Sturz. Er musste noch am Unfallort behandelt und anschließend in das Medical Center gebracht werden. Oliveira klagte über starke Schmerzen und Prellungen in beiden Händen.

Miguel Oliveira wurde 2019 vom Wind von der Strecke geblasen, Foto: Screenshot/MotoGP
Miguel Oliveira wurde 2019 vom Wind von der Strecke geblasen, Foto: Screenshot/MotoGP

"Ich konnte nichts machen, der Wind hat mich einfach von der Strecke geblasen", gab der Portugiese später zu Protokoll. Wenige Minuten nach seinem Crash wurde FP4 unterbrochen und alle verbliebenen MotoGP-Fahrer zu einem Sicherheits-Meeting geladen. Dort wurde dann beschlossen, dass die Situation aufgrund der Windböen zu gefährlich sei. Das Qualifying wurde abgesagt und auf Sonntagmorgen verschoben.

"Der Sonntag sieht vom Morgen an wirklich schlecht aus. Nicht wegen dem Regen, sondern wegen dem Wind. Es könnte ziemlich gefährlich werden, zu fahren. Wir müssen von Tag zu Tag schauen, aber bis Samstag sollten wir einen Back-Up-Plan haben, falls die Dorna das für notwendig hält", teilte Oliveira am Donnerstag in seiner Medienrunde mit. RNF-Teamkollege Raul Fernandez stimmte zu: "Die MotoGP ist kein Witz. Wir fahren hier sehr schnell, ich habe Miguels Crash 2019 gesehen. Das ist nicht witzig und wenn das Wetter so bleibt, dann wird es schwierig." Und auch Alex Rins präsentierte in seiner Medienrunde eine ähnliche Ansicht: "Es wird schwer, wir müssen prüfen, ob es sicher ist, zu fahren oder nicht. Wir sind noch nie bei solchen Windgeschwindigkeiten gefahren und wenn du den Regen und die Kälte einbeziehst, wird es noch gefährlicher."

Verschiebung des Australien-GP auf Samstag?

Zumindest auf dem Papier erscheint eine Verschiebung des Hauptrennen der MotoGP diesmal aber unwahrscheinlich. Denn der Australien Grand Prix ist Teil eines Triple-Headers, kommende Woche (27. bis 29. Oktober) will die Königsklasse bereits in Thailand fahren. Um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen, muss bereits am Sonntag mit dem Abbau des MotoGP-Paddocks begonnen werden. Daher kommt eine Verschiebung auf Montag wohl nicht in Frage, es bliebe nur die Möglichkeit der gänzlichen Absage.

Um das zu vermeiden, brachte Pramac-Pilot Johann Zarco am Donnerstag aber noch eine andere Variante ins Spiel. "Wir sollten das Hauptrennen schon am Samstag abhalten", findet er. Genauer gesagt will der Franzose den Grand Prix anstelle des Sprints austragen, welcher an diesem Wochenende damit ausfallen würde. Der Vorteil: Sollte das Hauptrennen am Sonntag nicht ausgetragen werden können, könnten so bis 25 WM-Punkte vergeben werden und nicht nur bis zu 12. "Ein solcher Samstag [mit Qualifying und GP, Anm.] wäre nicht leicht", glaubt Zarco, "aber wenn wir Punkte vergeben wollen ... sonst fahren wir halt nur den Sprint und nur die ersten Neun bekommen Punkte."