Kurve eins der MotoGP-Rennen wurde 2023 zum Schauplatz zahlreicher Kollisionen. In Spielberg, Barcelona, am Buddh International Circuit und in Motegi krachte es dort, in Jerez kam das Feld zwei Mal nur eine Kurve weiter. Eine mehr als bedenkliche Serie, für die es im Wesentlichen zwei Gründe gibt. Die ausufernden Aerodynamikanbauten an den MotoGP-Bikes sorgen für heftige Luftverwirbelungen, was nicht nur eine kontrollierte Anfahrt zu Turn 1 erschwert, sondern auch Überholmanöver im weiteren Rennverlauf schwierig macht. Daher versuchen alle Fahrer, sich bereits in der Startphase in eine möglichst gute Position zu bringen.

Der zweite große Gefahrenherd sind die Holeshot-Devices. Mit diesen werden die Motorräder an Front und Heck abgesenkt, um Wheelys zu verhindern und somit eine bestmögliche Beschleunigung sicherzustellen. In diesem Zustand reagieren die Motorräder sehr träge auf versuchte Richtungswechsel, was ein Vermeiden von Kollisionen erschwert.

Zuletzt in Japan erwischte es Maverick Vinales in Turn 1, Foto: LAT Images
Zuletzt in Japan erwischte es Maverick Vinales in Turn 1, Foto: LAT Images

Viel entscheidender ist aber noch der Prozess, den die Fahrer abspulen müssen, um die vor dem Start aktivierten Holeshot-Devices an der Front wieder zu lösen. Das ist notwendig, um nach Kurve eins das Motorrad im normalen Fahrzustand zur Verfügung zu haben. Die Deaktivierung passiert automatisch beim ersten harten Bremsmanöver. Dieses würden viele Fahrer aber eigentlich nicht in Turn 1 absolvieren.

Denn der Gedanke, dass alle Piloten in der ersten Kurve voll in die Eisen gehen, ist falsch. Das gilt nur für einige wenige Fahrer an der Spitze des Feldes, freie Bahn nach vorne haben und so ihren Bremspunkt wie gewünscht wählen können. Jene Piloten, die sich weiter hinten befinden, müssen sich aber an das Geschehen vor ihnen anpassen. Das bedeutet im Normalfall einen ständigen Wechsel aus leichtem Anziehen und Lösen der Bremse, je nachdem welche Lücken sich im dichten Verkehr auftun. Mit derart behutsamen Bremsvorgängen wird das Holeshot-Device aber nicht deaktiviert, deshalb müssen die Fahrer wohl oder übel einmal beherzt zugreifen. Das kann zu einem unpassenden Zeitpunkt oder in einer unangenehmen Position der Fall sein. Für die umliegenden Rivalen sind diese Bremsmanöver fast unmöglich hervorzusagen und Kollisionen somit die logische Folge.

Verbot in weiter Ferne

Trotz der offensichtlichen Gefahr und dem negativen Einfluss auf das Racing der MotoGP, die von den Holeshot-Devices ausgehen, scheint ein Verbot dieser Systeme in näherer Zukunft unwahrscheinlich. Ein solches kommt wohl erst zum Beginn der neuen fünfjährigen Regelperiode 2027. Möglich wäre eine frühere Abschaffung allerdings: Denn selbst wenn sich die fünf Hersteller Ducat, KTM, Aprilia, Honda und Yamaha nicht auf ein Verbot einigen könnten, hat Promoter Dorna die Möglichkeit, dies aus Sicherheitsgründen durchzusetzen.