Manchmal sind sie zu hart, manchmal zu lasch und manchmal überhaupt nicht vorhanden: Die Strafen für Kollisionen, Unfälle, Tracklimits-Vergehen und andere Regelverstöße sind seit Jahren ein leidiges Thema in der MotoGP. Die Piloten der Königsklasse klagen in aller Regelmäßigkeit, zuletzt bei den Grand Prix in Indien oder Indonesien. Oftmals sind ausgesprochene - oder ausbleibende - Strafen für sie nicht nachvollziehbar.
Im Zentrum ihrer Kritik stehen dabei natürlich die MotoGP-Stewards. Freddie Spencer, Ex-500ccm-Weltmeister und Vorsitzender des FIM-Stewardpanels kann dies nur zum Teil nachvollziehen. Im Interview mit 'GPOne' verteidigt er die Arbeit seiner Kollegen und nimmt auch die Fahrer selbst in die Pflicht. Jeder Vorfall sei extrem komplex und alle möglichen Perspektiven zu betrachten, sei nicht immer einfach. "Wir sehen uns jede Situation im Detail an, analysieren sie. Wir versuchen die Intention des Fahrers ebenso zu verstehen wie die Auswirkungen eines Manövers auf das Rennen. Wir können nicht nach Gefühlen oder Emotionen urteilen. Es gibt Protokolle, denen wir folgen müssen", beschreibt er dort. "Es gibt so viele Variablen, die bei einer Entscheidung mitspielen, die von außen aber oftmals nicht nachvollzogen werden."
Spencer zeigt zwar Verständnis, dass nicht immer alle Piloten mit den Entscheidungen zufriedengestellt werden können und vereinzelte Fahrer dann frustriert reagieren, gleichzeitig will er aber auch deutlich machen, dass sämtliche Entscheidungen der Stewards im Sinne des Sports getroffen werden. "Ich kann ihre Frustration oftmals verstehen, weil ich selbst Rennfahrer war. Aber es gibt eben Regeln und wir sorgen dafür, dass sie durchgesetzt werden. Das dient aber nur dazu, dass sie ihre Aufgabe am besten erfüllen können, nämlich schnell mit dem Motorrad zu fahren", begründet er.
Damit dies gelingen kann, fordert der 20-fache Grand-Prix-Sieger aber auch die Fahrer selbst zu mehr Rücksichtnahme auf. Sie sollen sich durch Strafen nicht persönlich angegriffen fühlen, sondern ein besseres Verständnis für gefährliche Situationen entwickeln und diese künftig vermeiden. "Wir müssen zusammenarbeiten, wir können nicht unterschiedlich denken. Die heutigen Rennen sind großartig, aber sie müssen verstehen, dass es heute inakzeptabel ist, gefährliche Manöver durchzuführen. Wir geben Longlap-Penalties, lassen sie Positionen tauschen. Das soll aber keine Strafe sein, sondern eine Lektion, um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden. Es liegt immer in der Hand des Fahrers, was auf der Strecke passiert", sagt Spencer und ergänzt: "Ein Großteil der Verantwortung für das, was passiert, liegt bei den Fahrern selbst."
Freddie Spencer hochzufrieden mit Stewards-Entwicklung
Der mittlerweile 61-jährige US-Amerikaner glaubt zwar, dass sie nie ein völliges Maß an Einigkeit im Bereich der MotoGP-Strafen erreichen lassen wird, insgesamt zeigt er sich aber äußert zufrieden mit der Entwicklung des Stewarding in der Motorrad-WM. "Als ich hier anfing, hatten wir gerade erst begonnen, der Tracklimits-Problematik mit Lasern und Sensoren nachzugehen oder Gelbe Flaggen auf eine bestimmte Art und Weise zu nutzen. Seither sind wir stark gewachsen", sagt er. "Wir nutzen jetzt Lichtleitfasern für Tracklimits, was viel präziser ist. Wir wenden die Regel der Gelben Flagge viel strenger an. Ein Team aus sieben Leuten überprüft konstant die Tracklimits, in der Rennleitung nutzen wir fortgeschrittene Steuergeräte für GPS. Seit ich hier bin, wurden über 7.000 Rundenzeiten gestrichen und jede davon muss sorgsam geprüft werden. Die Art und Weise wie wir Entscheidungen treffen hat sich gemeinsam mit der Technologie entwickelt, wir gehen heute ganz anders an Vorfälle heran."
Knapp vier Jahre dauert die Amtszeit von Spencer mittlerweile an, er wurde zur MotoGP-Saison 2019 als Vorsitzender des FIM-Stewardpanels bestellt. Ein Ende scheint momentan nicht in Sicht: "Wir versuchen, uns weiter zu verbessern. Glücklicherweise werden unsere Werkzeuge jedes Jahr besser. Wir haben jetzt 70 Kameras an der Strecke, nicht mehr nur vier. Vieles ist besser geworden, z. B. der Umgang mit Situationen in der Moto3, wenn einzelne Piloten langsam fahren und auf andere warten. Dank all der Kameras können wir einen besseren Job machen und Entscheidungen treffen, die zu diesem Zeitpunkt für uns am besten erscheinen."
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