Nach anderthalb Monaten Verletzungspause ist MotoGP-Superstar Marc Marquez zurück: In Le Mans bestreitet er sein erstes Rennwochenende seit dem Saisonauftakt in Portimao Ende März. Der Trainingsfreitag hätte für den Honda-Piloten kaum ereignisreicher verlaufen können. Im 1. Training stürzte er bereits nach zehn Minuten, in der Schlussphase des 2. Trainings flog er ein zweites Mal ab. Trotzdem gelang ihm die direkte Qualifikation für Q2.

"Ich bin sehr glücklich mit dem heutigen Tag", berichtete Marquez nach Trainingsende am Freitagabend etwas überraschend. "Ja, ich hatte zwei Stürze, aber der Zweite war normal. Das ist Racing. Ich habe gepusht, um in Q2 zu kommen", erklärt er. Die Schuld für den ersten Abflug - ein harmloser Vorderrad-Rutscher in Turn 11 - sieht im verfügbaren Reifenkontingent von Michelin: "Ich bin mit dem Medium gefahren, das war der Grund für meinen Sturz. Das war nicht nötig, aber dadurch konnte ich nachmittags in der Schlussphase einen frischen Softreifen verwenden. Deswegen bin ich die einzige Honda in Q2, strategisch hat das Team einen tollen Job gemacht."

Besonders erfreulich: Als Marquez nach lediglich zehn Minuten im 1. Training stürzte, war er mit einer alten Bike-Variante unterwegs. Das Kalex-Chassis, welches Honda beim Jerez-Test in Person von Testfahrer Stefan Bradl erstmals ausprobiert hatte, stand zu diesem Zeitpunkt noch in der Garage. So konnte der achtfache Weltmeister wenige Minuten nach seinem Crash, ein Lederkombi-Wechsel eingeschlossen, direkt wieder auf die Strecke fahren und sich selbst ein erstes Bild vom Rahmen des deutschen Motorrad-Herstellers machen.

Marc Marquez fordert Honda: Noch weit von der Spitze entfernt

Nachdem Honda das zweite Bike repariert hatte, fuhr Marquez den restlichen Tag zahlreiche Vergleichstest: "Jedes Mal, wenn ich auf die Strecke gefahren bin, habe ich ein anderes Bike und Chassis verwendet. Dadurch musste ich meinen Fahrstil jedes Mal anpassen und Kurven anders anfahren. Das hat uns das Leben nicht gerade erleichtert, aber es war jetzt einfach an der Zeit dafür. Morgen werden wir so weitermachen, um die Philosophie des Kalex-Chassis besser zu verstehen."

Marquez' erstes Eindruck nach zwei Trainingssessions? "Es hat einige Vor- und Nachteile. Die negativen Punkte müssen wir angehen, um noch schneller zu werden. Wir sind noch weit von den Topfahrern entfernt." In der kombinierten Zeitenliste war der Spanier am Freitagnachmittag auf Platz acht gelandet, 0,482 Sekunden und damit fast fünf Zehntel hinter Spitzenreiter Jack Miller und KTM. In Portugal hatten Marquez nach dem Trainingstag noch 0,710 Sekunden auf die Tagesbestzeit - ebenfalls von Miller - gefehlt.

"Es ist ein Fortschritt", sagt der Honda-Pilot deshalb, "aber wir brauchen noch mehr." Die Probleme sind altbekannt: "Wir müssen zu viel Zeit auf der Bremse gutmachen, weil wir beim Rausbeschleunigen und auf den Geraden zu viel verlieren. Wir müssen die Front zu sehr pushen, deshalb stürzen die Honda-Fahrer ständig." Speziell Teamkollege Joan Mir verzeichnete in diesem Jahr bereits einige Stürze, aber auch die LCR-Piloten Alex Rins und Takaaki Nakagami fanden sich häufiger im Kiesbett wieder - zumeist nach Stürzen über das Vorderrad. Neben Marquez erwischte es am Freitag in Le Mans auch Mir: Er crashte in Turn 7, nachdem ihm - wenig überraschend - das Vorderrad eingeklappt war.

Honda verzeichnete 2023 schon zahlreiche Stürze, Foto: LAT Images
Honda verzeichnete 2023 schon zahlreiche Stürze, Foto: LAT Images

Joan Mir: Mit Kalex-Chassis auf lange Sicht schneller

Der Weltmeister von 2020, der den Freitag auf Platz 18 beendete, berichtete von gemischten Gefühlen über das Kalex-Chassis: "Ich habe mich etwas besser und wohler gefühlt, aber es ist ganz anders. Wir müssen das Bike und meinen Fahrstil daran anpassen. Am Vormittag fühlte sich alles recht natürlich an, nachmittags hatten wir aber ein paar Probleme, die wir verstehen müssen. Das war nicht normal." Was genau passiert war, wollte Mir nicht verraten. Die Testarbeit mit dem Kalex-Rahmen soll am Samstag dennoch fortgesetzt werden: "Ich fühle mich wohler und denke, dass ich damit auf lange Sicht besser performen kann. Deshalb werden wir es behalten."