Für Pol Espargaro ging ein Traum in Erfüllung, als er für die MotoGP-Saison 2021 bei Repsol Honda andockte. Nach insgesamt sieben Jahren bei Tech3-Yamaha und im KTM-Werksteam sollte es auf der Honda RC213V endlich mit dem großen Coup klappen. Stattdessen konnte Espargaro nie an die starken Ergebnisse am Ende seiner KTM-Ära anschließen. Sein Abschied von Honda nach zwei Jahren gilt als beschlossene Sache. 2023 könnte es für ihn ein Wiedersehen im doppelten Sinne geben. Er soll wieder auf eine KTM RC16 steigen und diese im Tech3-Team von Herve Poncharal fahren, für das er einst in der MotoGP debütierte.

Motorsport-Magazin.com traf Pol Espargaro zum Interview über die schwierigen Jahre bei Honda, Unterschiede zwischen europäischen und japanischen Herstellern sowie einen möglichen zweiten Frühling im hohen Rennfahreralter.

Motorsport-Magazin.com: Pol, du warst in den kleineren Klassen ein absoluter Spitzenpilot. In der MotoGP hat es für ganz vorne aber noch nie gereicht. Was fehlt dir?
Pol Espargaro: Das ist eine Frage, die ich mir auch schon oft gestellt habe. Wenn du älter wirst, hinterfragst du auch viele Dinge. Waren meine Entscheidungen immer die richtigen? Mir hat immer etwas gefehlt, deshalb habe ich mich für den Wechsel zu Honda entschieden. Ich wollte den nächsten Schritt machen, nachdem ich 2020 mit KTM Platz fünf in der Gesamtwertung geholt habe. Ich dachte, dass das die richtige Entscheidung ist. Leider hat es nicht geklappt.

Die Honda ist aktuell alles andere als konkurrenzfähig. Hast du das Gefühl, dass du in der MotoGP oft zur falschen Zeit am falschen Ort warst?
Pol Espargaro: Als ich in die MotoGP gekommen bin, war ich Satellitenfahrer bei Yamaha. Mit diesem Paket konntest du damals nicht gewinnen. Da habe ich echt gelitten. Dann bin ich dieses völlig neue Projekt mit KTM gestartet und mit einem komplett neuen Bike kannst du natürlich auch nicht gewinnen. Hier bei Honda hat mein Fahrstil im Vorjahr nicht zum Motorrad gepasst. Mit dem neuen Bike hatte ich mir einen Schritt nach vorne erwartet, aber das Motorrad funktioniert nicht. Deshalb habe ich jetzt wieder zu kämpfen.

Pol Espargaro im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com-Redakteur Markus Zörweg, Foto: gp-photo.de / Ronny Lekl
Pol Espargaro im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com-Redakteur Markus Zörweg, Foto: gp-photo.de / Ronny Lekl

Was machen diese Rückschläge mit dir? Zieht dich so etwas runter?
Pol Espargaro: Das versuche ich zu vermeiden. Ich habe glücklicherweise eine großartige Familie. Wenn ich nach Hause komme, verschwinden viele Probleme ganz von allein. Man muss meine Sorgen ja auch immer richtig einordnen. Es gibt Menschen die hungern. Wir haben einen Krieg in Europa. Im Vergleich dazu sind meine Probleme wirklich nicht so groß.

Bis jetzt funktioniert die 2022er-Honda noch nicht wie gewünscht. Hast du noch Hoffnung, dass ihr das Steuer in diesem Jahr herumreißen könnt?
Pol Espargaro: Ich hoffe es, ja. Es ist aber nicht einfach. Ich versuche das jetzt zu erklären, ohne jemanden zu verletzen. Die japanischen Ingenieure sind sensationell. Sie sind wahnsinnig klug, aber manche Dinge dauern sehr lange, weil sie alles perfekt machen wollen. Die Mentalität der europäischen Hersteller ist anders. Sie geben dir auch Teile, von denen sie nicht wissen, ob sie funktionieren. Die Japaner gehen immer auf Nummer sicher. Kuwata-San (HRC-Direktor Tetsuhiro Kuwata, Anm.) hat mir erklärt, dass für sie die Sicherheit der Fahrer wichtiger ist als die Performance.

War es unter diesen Rahmenbedingungen die richtige Entscheidung, das Motorrad für 2022 derart radikal umzubauen?
Pol Espargaro: Das ist einfach die Philosophie von Honda. Sie lassen gerne ihre Muskeln spielen und das verstehe ich auch. Nach den erfolglosen letzten Jahren wollten sie eine große Veränderung. Die kann funktionieren oder auch nicht. Es hat ja im Winter und beim Saisonauftakt auch alles gut funktionieren, aber dann ging es bergab.

Nach deinem dritten Platz in Katar warst du euphorisch. Du hast vom WM-Titel gesprochen. Macht dieses zwischenzeitliche Hoch die aktuelle Krise noch härter?
Pol Espargaro: Zu 100 Prozent. Ich bin zu Honda gekommen, um Weltmeister zu werden. Im Winter lief alles super. Ich habe mich noch nie so stark gefühlt. Mir ist kein einziger Sturz passiert und ich hatte in Malaysia und Indonesien die beste Pace. Die anderen Fahrer konnten mich nicht einmal mit neuen Reifen schlagen. Wenn du diese Magie spürst und sie dann wieder verlierst, ist das wirklich hart.

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Marc Marquez hat uns am Rennwochenende in Jerez verraten, dass er es aufgegeben hat, das Motorrad an seinen Stil anzupassen. Man müsse den Fahrstil an das Motorrad anpassen. Machst du denselben Prozess durch?
Pol Espargaro: Ja, eigentlich schon seit letztem Jahr. Ich bin in der MotoGP schon viele Bikes gefahren - zunächst die Yamaha, dann die KTM, jetzt die Honda. Die KTM hat sich ständig verändert. Wir hatten bei fast jedem Rennen neue Rahmen, Schwingen oder andere bedeutende Teile, an die ich mich gewöhnen musste. Deshalb glaube ich, dass ich mich ganz gut an Motorräder anpassen kann. Völlig umstellen kannst du dich aber nie. Stell dir vor du bist Rechtshänder und musst plötzlich mit Links schreiben. Natürlich wird das irgendwie funktionieren, aber wie wird es aussehen und wie wird es dir dabei gehen?

Du feierst in wenigen Tagen deinen 31. Geburtstag, befindest dich also schon in der finalen Phase deiner Karriere. In den letzten Jahren haben wir einige Fahrer gesehen, die in diesem Alter erst ihren Durchbruch in der MotoGP geschafft haben - Andrea Dovizioso oder dein Bruder Aleix beispielsweise. Gibt dir das Hoffnung?
Pol Espargaro: Vor ein paar Jahren habe ich gedacht, dass ich in dem Alter bereits völlig am Ende sein werde. Aber es scheint so, als könnte man auch dann noch die beste Zeit seiner Karriere haben. Du bist vielleicht nicht mehr so verrückt und schaffst in manchen Situationen nicht mehr diese ganz außergewöhnlichen Dinge, aber diese Verrücktheit sorgt auch oft dafür, dass du Fehler machst. Mit zunehmender Erfahrung kann ich Fehler besser vermeiden und habe meine Emotionen besser unter Kontrolle. Ich kann immer noch sehr schnell und habe mein Leben rund um die MotoGP jetzt besser organisiert. Das macht mich zu einem besseren Rennfahrer. Ich glaube, dass ich als Fahrer in der besten Phase meiner Karriere bin.