Die MotoGP erlebte in den vergangenen Jahren einen Wildwuchs der Ride-Height-Devices. 2019 zunächst nur am Start verwendbar, kamen die Systeme bald auch im Fahrbetrieb zum Einsatz. Mittlerweile lassen sich die Motorräder da nicht nur am Heck, sondern im Fall von Ducati auch bereits an der Front absenken.

Für die Fahrer bedeutet das jede Menge zusätzliche Arbeit am Motorrad. Knöpfe, Hebel und Schalter wollen korrekt bedient werden, während 24 Piloten um Tausendstelsekunden auf der Uhr und Zentimeter auf der Rennstrecke kämpfen. Die Ride-Height-Devices haben auch zu einer Explosion der Höchstgeschwindigkeiten geführt. 362,4 km/h sind der aktuelle Rekord. Für derartige Werte wurden die wenigsten Rennstrecken konstruiert, die Sturzräume werden an vielen Orten zu klein.

Braucht die MotoGP ein Verbot der Ride-Height-Devices? (09:40 Min.)

Motorsport-Magazin.com sprach am vergangenen Wochenende in Katar mit KTM-Motorsportchef Pit Beirer über ein mögliches Verbot der Ride-Height-Devices. "Unser Standpunkt ist eindeutig. Wir müssen die Sicherheit der Fahrer wieder in den Vordergrund rücken", stellt Beirer klar. "Wir haben schriftliche Hinweise von Brembo, dass die Bremsen mittlerweile absolut am Limit sind. Wenn das der Fall ist, dann brauchen wir über die Sturzräume gar nicht erst reden. Es macht für uns daher keinen Sinn, weitere technische Hilfsmittel an das Motorrad zu bringen, um noch mehr Topspeed zu erreichen."

Ducati als Vorreiter in der Ride-Height-Technologie wirft seinen Konkurrenten gerne vor, diese Technologie aus Missgunst verbieten zu wollen. Eine Darstellung, die im Fall von KTM aber nur bedingt gelten kann, denn den Topspeed-Rekord teilen sich aktuell Ducati und die Österreicher. Johann Zarco erreichte ihn im Vorjahr in Katar, Brad Binder in Mugello.

"Das sind ja technologisch auch hervorragende System, aber wir dürfen nicht noch schneller werden", mahnt Beirer zur Vernunft. "Wenn wir die Bikes jetzt an der Front auch absenken, bedeutet das wieder ein paar km/h mehr. Wo soll das hinführen? 370, 380 km/h? Da wird es für die Fahrer dann wirklich unangenehm."

MotoGP-Fahrer beziehen Stellung zum Ride-Height-Verbot (08:16 Min.)

Als unangenehm nehmen die Fahrer vor allem die Ablenkung durch die Bedienung der Systeme wahr. "Sie müssen mittlerweile am Bike acht Knöpfe bedienen", verdeutlicht Beirer. "Die Fahrer können ihre Maschinen in alle Richtungen hoch- und runterfahren, Leistung hinzuschalten oder wegnehmen. Die MotoGP wird da gerne mit der Formel 1 verglichen. Die Fahrer dort könnten das ja auch. Das sind tatsächlich absolut geniale Athleten, vor denen ich auch meinen Hut ziehe. Dennoch: Sie haben viel weniger Bewegung im Körper. Vor allem aber haben sie ein Monocoque um sich herum. Wenn ein MotoGP-Fahrer in einen Reifenstapel knallt, dann beginnt die Knautschzone an der Nase. Unsere Piloten hängen fast mit dem gesamten Körper neben dem Bike und sollen parallel noch Knöpfe bedienen. Das ist doch totaler Irrsinn!"

MotoGP-Verbot mit Verzögerung?

Für eine sofortige Regeländerung bedarf es aber einer einstimmigen Entscheidung der sechs MotoGP-Hersteller in ihrer Vereinigung MSMA, der Motorcycle Sports Manufacturers Association. Diese unterbreitet ihren Vorschlag dann der Grand-Prix-Commission, wo er im Normalfall von den Vertretern von Motorradweltverband FIM, Promoter Dorna und Teamvereinigung IRTA abgenickt wird. In der MSMA legt sich aktuell aber Ducati quer, womit dieser Weg blockiert scheint.

Es besteht aber die Möglichkeit für ein Verbot mit Vorankündigung. "Ein Einheitsbeschluss ist natürlich einfacher und wird von FIM beziehungsweise Dorna bevorzugt. Wir können aber auch über eine Mehrheit entscheiden und dann muss der Vorschlag innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden", gibt Beirer einen Einblick in die Abläufe der MSMA. "Wir haben im Vorjahr die MSMA-Statuten nach 20 Jahren Stillstand überarbeiten lassen. Jeder Hersteller konnte sie von seinen Anwälten prüfen lassen und seinen Input geben Mit diesen eindeutigen Statuten arbeiten wir nun. Deshalb kann ich nicht verstehen, wieso sich da jetzt jemand aufregt."

KTM denkt über alternative Lösung nach

Sollte ein Verbot der Ride-Height-Devices weiter auf sich warten lassen oder nicht die gewünschten Ergebnisse bringen, könnte es auch andere Wege zur Einbremsung der MotoGP geben. Die Königsklasse hat sich im Vorjahr auf eine schrittweise Einführung von nachhaltigen Kraftstoffen geeinigt. 2024 sollen sie zu mindestens 40 Prozent aus nicht-fossilen Quellen kommen. Bis 2027 will man sich vollständig von fossilen Rohstoffen verabschieden.

Dieser Umstieg könnte auch mit einer Reduktion der Motorenleistung einhergehen. Erste Tests mit Moto3-Triebwerken zeigten zwar nur minimale Einbußen, in der MotoGP rechnet man aktuell aber abhängig vom Typ des Kraftstoffes mit rund 15 PS weniger. "Wir haben am Samstag in Katar eine informelle Anfrage gestellt, ob wir nicht sogar schon früher als 2027 vollständig auf diese E-Fuels umstellen können", verrät Beirer. "Als Rennserie muss es unser Ziel sein, schnellstmöglich mit CO2-neutralem Treibstoff zu fahren. Wenn wir über diesen Weg auch noch eine Leistungsreduktion erreichen können, umso besser."