Eigentlich hatte KTM ein schwieriges Auftakt-Rennwochenende in der MotoGP erwartet. Bei den Winter-Testfahrten hatte sich die Truppe aus Mattighofen nicht gerade in Bestform präsentiert. Die neue RC16 machte Probleme, man schien der klar schwächste der sechs Hersteller zu sein. Von der Spitze war das Team ein gutes Stück entfernt.

Und auch historisch gesehen hatte KTM auf dem Losail International Circuit nie wirklich gut performt, das beste Resultat in der Wüste war bislang ein achter Platz im zweiten Rennen des Vorjahres durch Brad Binder. Dass es in diesem Jahr zu Platz zwei reichen sollte, nur 0,346 Sekunden hinter Rennsieger Enea Bastianini, hätte deshalb wohl keiner gedacht. Genau das macht jetzt aber Hoffnung für die restliche Saison.

Tag der Außenseiter in Katar: Richtungsweisend für MotoGP 2022?: (08:37 Min.)

Freude bei Binder: 2021 unsere schwierigste Strecke

"Das war ein großartiger Tag. Ich habe mich schon das ganze Wochenende über sehr gut gefühlt. Ein Podium hier ist unglaublich, 2021 war das die schwierigste Strecke für uns", freut sich Binder nach Rennende im Parc Ferme. Der 26-jährige Südafrikaner hatte bereits am Freitag überraschend das erste Freie Training getoppt, kam dann in FP2 aber nicht über Platz 15 hinaus und musste den Gang durch Q1 antreten.

Am Freitag machte er noch "übernatürliche Geschehnisse" für den Rückschritt verantwortlich. Manchmal habe die Motorbremse beim Runterschalten funktioniert und manchmal nicht, so Binder. So ganz verstanden habe er das nicht. KTM bekam die Probleme jedoch in den Griff und pünktlich zum Qualifying war der Südafrikaner wieder in der Spur. Als Schnellster Fahrer in Q1 gelang ihm der Sprung ins zweite Qualifying-Segment. Dort erreichte er einen respektablen siebten Startplatz, nur 0,339 Sekunden hinter Polesitter Jorge Martin.

Am Sonntag gelang Binder dann ein ausgezeichneter Start ins Rennen, nach wenigen Metern fand er sich bereits auf Platz drei hinter den beiden Repsol Hondas wieder. "Das war ein großer Vorteil, vom Start weg vorne dabei zu sein", meint der KTM-Pilot. Schon im Vorjahr hatte Binder immer wieder mit starker Rennpace beeindruckt, konnte sie aber häufig nicht in Top-Resultate ummünzen, weil er von zu weit hinten starten musste.

Binder ohne Chance auf Rennsieg: Bastianini zu schnell

Auch in Katar verfügte der zweifache Grand-Prix-Sieger wieder über eine starke Pace, in Runde sechs konnte er den Zweitplatzierten Marc Marquez überholen. Und auch als dessen Teamkollege Pol Espargaro wenig später das Tempo an der Spitze anzog, konnte Binder problemlos folgen. "An einem Punkt im Rennen konnten wir hohe 54er-Zeiten fahren, das war toll", berichtet er.

Einzig gegen den heranstürmenden Bastianini hatte Binder im letzten Renndrittel keine Chance mehr, wehrlos musste er den Italiener in Runde 14 passieren lassen: "Ich habe von Anfang bis Ende gepusht, aber Enea hatte ich nichts entgegenzusetzen", beschreibt der KTM-Werkspilot.

Bastianini überholte wenig später auch Espargaro. Letzterer versuchte in Kurve eins zu kontern, verbremste sich aber und musste weit gehen. So konnte auch Binder am Honda-Piloten vorbeigehen. Bastianini setzte sich in der Folge ab, nahm in der Schlussphase aber wieder Tempo raus, um keinen unnötigen Fehler zu machen. Binder schloss nochmals auf, startete eine letzte Attacke auf den Führenden: "Die letzten zwei Runden habe ich versucht, ihn [Bastianini] noch abzufangen, aber es hat nicht mehr ganz gereicht", reflektiert der Südafrikaner. Lediglich 0,346 Sekunden fehlten ihm bei der Zielüberquerung noch.

Binder im Kampf um P2 mit Bastianini und Marquez, Foto: LAT Images
Binder im Kampf um P2 mit Bastianini und Marquez, Foto: LAT Images

KTM 2022 ein Titelanwärter?

Eine Runde mehr und es hätte noch klappen können mit dem Auftaktsieg - aber auch so zeigt sich Binder mit dem zweiten Platz sehr zufrieden. Auf der Pressekonferenz erinnert er: "Das ist eine Strecke, die extrem schwierig für uns ist. Dass wir hier auf dem Podium sind, ist unglaublich." Dass KTM dennoch in der Lage war, auf der vermeintlichen Problemstrecke eine solche Leistung zu vollbringen, schürt in Mattighofen nun Hoffnungen, im weiteren Saisonverlauf, auf den zahlreichen Strecken, die der RC16 besser liegen sollten, noch stärker abschneiden zu können.

Ist für KTM 2022 sogar der Titelkampf möglich? "Nein, das war nur ein Rennen", bremst Binder die Erwartungen. "Uns erwarten noch viele, komplett verschiedene Rennstrecken mit unterschiedlichen Szenarien. Wir sind gut beraten, jetzt nicht abzuheben", meint er. "Vor uns liegt noch viel Arbeit. Wir sind weit davon entfernt, da zu sein, wo wir hinwollen."