Ducati schlitterte am Sonntag in Katar in ein Debakel. Fünf Prototypen der aktuellen Generation brachte der italienische Hersteller beim Auftakt an den Start - nur zwei kamen ins Ziel, hatten mit den Podestplätzen aber nichts zu tun. Jack Miller fiel mit einem Defekt aus, während Francesco Bagnaia Jorge Martin abschoss. Das Duo befand sich dabei zu Rennmitte aber lediglich im Kampf um den 8. Rang.

Tag der Außenseiter in Katar: Richtungsweisend für MotoGP 2022? (08:37 Min.)

Dass Enea Bastianini die Ducati-Ehre ausgerechnet auf einer der drei Desmosedici auf dem technischen Stand des Vorjahres rettete, brachte der Roten Rennfraktion zusätzlich Spott und Hohn ein. Viele Fans stellten sich die Frage: Hat sich die Ducati im Winter verschlimmbessert? Um das eindeutig beantworten zu können, ist die Saison noch zu jung. In Borgo Panigale hat man aber einige Faktoren unterschätzt, denen man nun Tribut zollen muss.

Testaufwand unterschätzt

In der Vorbereitung auf die MotoGP-Saison 2022 hatten die Stammfahrer lediglich fünf Tage Zeit, um ihre Motorräder abzustimmen. Von diesen fünf Tagen muss man einen halben Tag in Sepang wegen Regens abziehen sowie den ersten Tag auf der völlig verdreckten Piste von Indonesien aus der Wertung nehmen. Blieben also lediglich dreieinhalb Testtage, an denen das Abarbeiten der Checkliste sinnvoll erledigt werden konnte. Bagnaia ärgerte sich daher bereits am Samstag nach dem Qualifying in Katar: Die Testarbeit war eigentlich erst mit Ende des 3. Trainings abgeschlossen. "Wir haben davor einfach zu viele Teile getestet und ich konnte kein Gefühl aufbauen. Das kam erst im Laufe des heutigen Tages wieder. Das 4. Training war die erste Session, in der ich mich auf meine eigenen Bedürfnisse konzentrieren konnte", gab der MotoGP-Vize zu Protokoll.

In diesem Punkt wird Ducati womöglich sein junges, noch recht unerfahrenes Lineup zum Verhängnis. Die Bedingungen bei den Tests waren zwar für alle Hersteller (außer das Concessions-Team Aprilia) gleich. Allerdings sind Fahrer wie Marc Marquez es gewohnt, drei verschiedene Motorrad-Konfigurationen an einem Testtag in der Box stehen zu haben. Für Bagnaia war das eine völlig neue Situation. Man muss sich dazu den Werdegang des Vizeweltmeisters in Erinnerung rufen: 2019 bestritt der Italiener seine erste Saison auf einem fertigen Vorjahres-Motorrad. 2020 wechselte er auf ein aktuelles Bike, das aufgrund der Corona-Bedingungen aber mit Saisonstart in vielen Bereichen eingefroren war und dadurch auch 2021 in kaum veränderter Form zum Einsatz kam.

Der Motor, mit dem Bagnaia das letzte Drittel der abgelaufenen Saison dominierte, wurde im Winter 2019/20 noch von Tüftler Andrea Dovizioso entwickelt. Leider muss man auch die Entwicklerqualitäten des zweiten Werksfahrers in Frage stellen. Miller ist eher ein Rennfahrer vom Typ "Gebt mir, was immer ihr wollt und ich fahre damit". Ein Satz, den er an diesem Wochenende tatsächlich wieder einmal ausgesprochen hat. All das führte dazu, das sich Ducati beim neuen Motor ein wenig verirrte und bereits am Donnerstag für eine erste Headline sorgte.

Homologation legte Ducatis Nerven blank

Denn im Werksteam verzichtet man 2022 auf die letzte Ausbaustufe des Motors und ließ eine andere Variante homologieren. Ducati hat in diesem Jahr bei seinen insgesamt acht Motorrädern somit drei verschiedene Varianten im Einsatz: Katar-Sieger Bastianini sowie die Rookies Fabio Di Giannantonio und Marco Bezzecchi fahren das Modell aus dem Vorjahr. Jorge Martin, Johann Zarco und Luca Marini setzen das neue Modell mit der letzten Ausbaustufe des Motors ein. Im Werksteam hingegen kommt eine Kompromisslösung zum Einsatz, nachdem vor allem Bagnaia eine Abkehr von der letzten Ausbaustufe des Motors einforderte. "Wir fahren weder den alten, noch den ganz neuen Motor, sondern einen Mittelweg", erklärte er bereits am Freitag. Wie entnervt das gesamte Team in Katar auf Nachfragen der Medien zu diesem Punkt reagierte, zeigte eindeutig, dass bei Ducati die Nerven blank lagen.

Immerhin konnte wenige Tage vor Saisonstart ein neuer Vertrag mit Bagnaia unterzeichnet werden, womit zumindest geklärt ist, wer der neue Teamleader der kommenden Jahre sein wird. An der Personalfront hat sich Ducati mit den Verpflichtungen vieler Talente auch potenziellen Zoff ins Boot geholt. Mit Jorge Martin und Enea Bastianini warten mittlerweile zwei junge GP-Sieger auf einen Aufstieg ins Werksteam. Das wiederum bringt Jack Miller unter Druck, der ohnehin bereits im Vorjahr die einst ihm zugedachte Nummer-1-Position grandios verzockt hat und mittlerweile um seine generelle Zukunft bei Ducati bangen muss. Nicht gerade gute Vorzeichen.

Man darf Ducati noch nicht abschreiben

Dennoch darf man Ducati nach nur einem schwachen Rennwochenende nicht abschreiben. Zumal man dank Enea Bastianini sogar den überraschenden Sieg holte. Bitter wird es für die Werkstruppe erst, wenn der Italiener auch in den kommenden Rennen das Quintett auf den aktuellen Desmosedici ausstechen sollte. Dagegen wird sich vor allem Bagnaia zu wehren wissen, der bereits im vergangenen Jahr eine enorme Leistungssteigerung im letzten Saisondrittel hinlegen konnte. Die abgelaufene Saison zeigte auch klar, dass Ducati trotz Homologationen aus einem MotoGP-Bike mit jedem Rennen mehr herauskitzeln kann. In Indonesien wird es bereits ein klareres Bild über das tatsächliche Kräfteverhältnis geben, denn für diese Strecke stehen bereits aktuelle Daten vom Test im Februar bereit. Dort muss Ducati allerdings abliefern.