Mit seinem großartigen Sieg im WSBK-Titelduell 2021 gegen Jonathan Rea hat Toprak Razgatlioglu endgültig Interesse im MotoGP-Paddock geweckt. Spekulationen über einen Transfer des Türken in die Königsklasse gab es bereits länger, doch Razgatlioglu stellte klar, dass er zuvor Weltmeister in der Superbike-Weltmeisterschaft werden will.

Dieses Ziel ist nun abgehakt, der Weg in die MotoGP also von diesem Standpunkt aus frei. Und auch das Interesse seines Arbeitgebers Yamaha scheint konkreter zu werden. Wie Teammanager Massimo Meregalli beim Sepang-Test verriet, wird Razgatlioglu in diesem Jahr die M1 testen: "Wir wollten bereits im vergangenen Jahr einen Test für ihn organisieren, aber dann fand das Superbike-Finale in Indonesien doch statt und er musste natürlich dorthin. In diesem Jahr wollen wir in Abstimmung mit Cals (Testfahrer Crutchlow; Anm.) und Topraks Kalender einen Tag finden, an dem es möglich ist."

Was macht Toprak Razgatlioglu 2023: MotoGP oder WSBK? (08:37 Min.)

"Wir haben uns schon einen ungefähren Zeitplan zurechtgelegt und es dürfte zwei Möglichkeiten geben: Eine im August und die andere eventuell schon im Juni. Sicher ist das aber noch nicht, da wir unseren ursprünglichen Testplan bereits abändern mussten", sagte Meregalli. Aktuell tendiert man zum Juni-Termin, der Test soll im Motorland Aragon stattfinden. Eine Strecke, die Razgatlioglu aus der Superbike-WM kennt.

Motorsport-Magazin.com traf Razgatlioglus Manager Kenan Sofuoglu im MotoGP-Paddock von Katar. Er verrät, dass es sich bei diesem Test nicht nur um eine Spaßveranstaltung oder Belohnung für den WSBK-Titel handelt. "Yamaha will Toprak in die MotoGP holen", sagt Sofuoglu. "Er hat einen Vertrag mit Yamaha bis Ende 2023. Der war eigentlich für die Superbike-WM gedacht, jetzt wollen sie ihn aber in der MotoGP sehen. Yamaha hat uns bereits ein Angebot für das Kundenteam gemacht. Ich habe ihnen aber klar mitgeteilt, dass wir daran kein Interesse haben."

Im Vorjahr jubelten Razgatlioglu und Sofuoglu über den WSBK-Titel, Foto: Yamaha
Im Vorjahr jubelten Razgatlioglu und Sofuoglu über den WSBK-Titel, Foto: Yamaha

Mit dem RNF Racing Team von Razlan Razali verfügt Yamaha 2022 ja über ein neues Kundenteam in der MotoGP. In diesem Jahr fahren dort Andrea Dovizioso auf einem aktuellen Motorrad und Darryn Binder auf einer Vorjahresmaschine. Die Verträge von beiden Fahrern gelten aber nur für diese Saison. 2023 wären also zwei Plätze frei, an denen man aber offensichtlich im Razgatlioglu-Lager kein Interesse hat.

Sofuoglu: MotoGP-Werksteam, sonst WSBK

Das große Ziel lautet Werksteam. "Wenn sie uns ein derartiges Angebot machen, sind wir definitiv dafür zu haben. Ansonsten bleiben wir gerne in der Superbike-WM", erklärt Sofuoglu. "Yamaha zeigt nach wie vor Interesse an Toprak, also gibt es sicherlich eine Option für ihn in der MotoGP 2023. Deshalb wird auch der Test organisiert. Wir wollen ihn auf der M1 sehen und Yamaha ebenfalls. Wenn es ihm Spaß macht und er stark ist, dann sollte sich eine Chance für den Wechsel auftun."

Razgatlioglus Zukunft liegt aber nicht allein in seiner Hand. Im Yamaha-Werksteam hat Franco Morbidelli bereits im Vorjahr einen Vertrag bis Ende 2023 unterschrieben. Den zweiten Platz würde man natürlich am liebsten mit dem amtierenden Weltmeister Fabio Quartararo besetzen. Eine Verlängerung seines Kontrakts hat oberste Priorität. Das hat die Führungsebene rund um Motorsportchef Lin Jarvis wiederholt klargestellt. Doch Quartararo ist bei Yamaha seit Monaten unzufrieden und klagt fast durchgehend über sein Motorrad. Angesprochen auf einen möglichen Abschied von Yamaha sagte er am Sonntag in Katar: "Meine Priorität ist, zu siegen. Nichts anderes. Ich will das bestmögliche Motorrad haben. Das ist das Wichtigste."

Fabio Quartararo unzufrieden: Verlässt er Yamaha? (10:16 Min.)

Quartararos Frust könnte also Razgatlioglus Chance sein. "Ich kenne die aktuelle Vertragslage von Yamaha in der MotoGP nicht", beteuert Manager Sofuoglu gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Ich habe ihnen aber gesagt, dass sie entscheiden können, wo wir unseren Zweijahresvertrag erfüllen - entweder im WSBK-Werksteam oder im MotoGP-Werksteam. Das ist eine ganz klare Nachricht und sie kennen unseren Standpunkt."

Wie schätzt Sofuoglu selbst die Chance ein, seinen Schützling 2023 in der Königsklasse unterzubringen? "Ich denke, dass wir Toprak im nächsten Jahr in der MotoGP sehen werden. Daran glaube ich ganz fest."