In den vergangenen sieben MotoGP-Saisons hat Marc Marquez sechs Weltmeistertitel gewonnen. 56 von 127 Rennsiegen gingen in diesem Zeitraum auf sein Konto, 95 Mal stand er auf dem Podium, 62 Mal holte er die Pole Position. Auf seinem Weg zu diesen beeindruckenden Zahlen setzte Marquez scheinbar regelmäßig die Gesetze der Physik außer Kraft und rettete sich mit katzenartigen Reflexen aus beinahe unlösbaren Situationen.

Doch auch der Ausnahmekönner gerät immer wieder an seine persönlichen Grenzen. 120 Mal ging Marquez seit seinem MotoGP-Aufstieg zur Saison 2013 an einem Rennwochenende zu Boden. Hinzu kommen etliche Stürze bei Testfahrten und natürlich beim Offroad-Training. Extreme Belastungen, die am Körper des Repsol-Honda-Stars nicht spurlos vorüber gehen.

Drei Mal lag er in den vergangenen gut anderthalb Jahren am Operationstisch von Dr. Xavier Mir in Barcelona. Ende 2018 war die lädierte linke, im vergangenen Winter die ebenso in Mitleidenschaft gezogene rechte Schulter dran. Nun war ein Eingriff am gebrochenen rechten Oberarm nötig. Marc Marquez ist erst 27 Jahre alt, sein Bewegungsapparat allerdings schon massiv beschädigt. Und das obwohl er zu den fittesten Fahrern im MotoGP-Feld zählt.

Da stellt sich die Frage, wie lange Marquez mit seiner Strategie des permanenten Risikos noch erfolgreich sein kann. Denn moderne Operations- und Rehabilitationsmethoden ermöglichen zwar vergleichsweise schnelle Comebacks, Verletzungen können aber auch sie nicht ungeschehen machen. Früher oder später hemmen und bremsen sie den Fahrer. Mit zunehmendem Alter sind sie zudem schwerer zu verdauen und die Heilungsphasen dauern länger.

Marc Marquez verrät seine Trainings-Geheimnisse: (01:39 Min.)

Dass der Weg von Marc Marquez zwar erfolgreich ist, allerdings auch früher als erwartet zu Ende sein könnte, hat sein Arbeitgeber Honda mittlerweile verstanden. Erst im vergangenen Winter verlängerte man den Vertrag mit dem Titelgaranten der jüngsten Vergangenheit ja für vier weitere Jahre bis Ende 2024. Kolportierte 100 Millionen Euro sollen in diesem Zeitraum auf das Konto von Marc Marquez wandern.

Honda schützt Marquez vor sich selbst

Deshalb versucht Honda nun, den Ehrgeiz des spanischen Heißsporns etwas zu bremsen. "Wir zählen aktuell nicht die Tage, bis Marc zurückkommt", kommentiert Teamchef Alberto Puig die jüngste Verletzungspause seines Schützlings. "Wir haben eine langfristige Beziehung zu ihm und deshalb steht die Gesundheit des Fahrers für uns an erster Stelle. Wir wollen, dass er auch in den nächsten Jahren stark und sicher unterwegs ist. Er soll auf seinem höchsten Level fahren können. Eine vollständige Heilung ist für uns und ihn das Wichtigste. Das muss Marc verstehen, auch wenn er natürlich schnellstmöglich zurückkehren will."

Marc Marquez' Abflug in Jerez schockte die MotoGP-Welt, Foto: Screenshot/MotoGP
Marc Marquez' Abflug in Jerez schockte die MotoGP-Welt, Foto: Screenshot/MotoGP

Marquez ist für seinen einzigartigen Fahrstil noch viel mehr als seine Konkurrenten auf einen Körper angewiesen, der extreme Belastungen anstandslos wegstecken kann. Nur so kann er Wackler abfangen, Saves mit gegen den Asphalt gepressten Ellbogen und Knien durchführen und auch die dennoch unvermeidlichen Stürze möglichst ohne weitere Verletzungen überstehen. Gelingt ihm das nicht, könnte der Kampf um Siege und Titel für ihn ungleich schwieriger als bisher gewohnt ausfallen. Und seine Karriere vergleichsweise früh enden, denn ein Marc Marquez fährt Rennen, um zu gewinnen. Nichts anderes zählt für ihn.

Prominente Verletzungsopfer: Doohan, Schwantz, Spencer

Die Geschichte der Motorrad-Weltmeisterschaft ist voll von großen Champions, deren Laufbahnen ein vorzeitiges Ende nahmen. Mick Doohan war zwar bereits 34 Jahre alt, als ihn ein Horrorcrash in Jerez dazu zwang, den Helm an den Nagel zu hängen. Er hätte aber mit Sicherheit noch einige erfolgreiche Jahre in der Königsklasse vor sich gehabt. Kevin Schwantz musste mit 30 Jahren aufgrund zahlreicher schwerer Verletzungen aufgeben. Im Fall von Freddie Spencer reichte es nach seiner herausragenden Saison 1985, in der er die Titel in den Klassen bis 250 und 500ccm holte, nur noch zu sporadischen Auftritten in der Weltmeisterschaft. Seine Schwierigkeiten begannen bereits im Alter von 24 Jahren.