Die Aussichten für die MotoGP-Saison 2020 werden immer düsterer. Fast wöchentlich sind der Motorradweltverband FIM und MotoGP-Vermarkter Dorna dazu gezwungen, weitere Events des Rennkalenders auf einen noch unbekannten Zeitpunkt zu verschieben, da die anhaltende Corona-Krise eine Austragung unmöglich macht. Es ist auch durchaus realistisch, dass einige Rennen komplett abgesagt werden müssen, vielleicht sogar die gesamte Saison. Ursprünglich verkündete Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta, dass es mindestens 13 MotoGP-Rennen pro Saison stattfinden müssen, um diese auch als Weltmeisterschaft zu werten. Nun hat sich die Lage geändert. Doch wie viele Rennen braucht diese WM überhaupt?

Zu diesem Thema hat aktuell praktisch jeder im MotoGP-Paddock eine Meinung. Yamaha-Teammanager Massimo Meregalli zum Beispiel hat eine relativ genaue Vorstellung davon, wie viele Rennen in der MotoGP-Saison 2020 machbar sein sollten. Das verriet er der italienischen 'Corsedimoto': "Welche Mindestanzahl an Rennen es geben müsste, um die Saison als Weltmeisterschaft anzuerkennen?", überlegt Meregalli. "Ich denke ein Dutzend Rennen, nicht weniger. Meiner Meinung nach wären zehn Rennen eine faire Anzahl."

Dieser Meinung schließt sich sein Kollege Paolo Ciabatti an. Der Teamboss von Ducati äußerte sich gegenüber 'MotoGP.com' ebenfalls positiv über eine drastisch verkürzte Saison. "Wir können hoffentlich zehn Rennen fahren. Das wäre meiner Meinung nach genug, wenn man die Umstände bedenkt", so Ciabatti. "Das ist natürlich keine Ideallösung, aber wir leben gerade auch nicht in einer idealen Welt. Deshalb würde ich zehn Rennen akzeptabel finden."

Damit würde gerade einmal die Hälfte der ursprünglich geplanten 20 Rennen der Saison 2020 ausgetragen werden. Bedenkt man jedoch, dass bereits die ersten neun Rennen des Kalenders entweder ganz abgesagt, verschoben wurden oder mit dem Sachsenring aktuell noch auf der Kippe stehen und noch kein Ende der Corona-Krise in Sicht ist, wären zehn tatsächliche Rennen eine enorme Leistung.

Wann können die MotoGP-Stars wieder Gas geben?, Foto: KTM
Wann können die MotoGP-Stars wieder Gas geben?, Foto: KTM

Tech3-Chef und IRTA-Mitglied Herve Poncharal hatte bereits Ende März deutliche Worte zum Thema Saisonbeginn und Anzahl der Rennen gefunden und vorausgesagt, dass seiner Meinung nach die Rennen in Jerez, Le Mans und Mugello nicht zum ursprünglich geplanten Zeitpunkt stattfinden würden. Diese Prognose sollte sich später bewahrheiten. Zum selben Zeitpunkt machte Poncharal ebenfalls deutlich, dass für ihn eine Saison mit zu diesem Zeitpunkt noch 19 geplanten Rennen völlig unmöglich sei.

Carmelo Ezpeleta: 13 Rennen sind keine Pflicht

Während Dorna und FIM zu Beginn der Corona-Krise noch daran festhielten, mindestens 13 Rennen austragen zu müssen, sieht die Sache mittlerweile etwas anders aus. Ezpeleta erklärte kürzlich in einem Interview mit 'MotoGP.com' die veränderte Lage. "In unserem Vertrag mit der FIM steht, dass wir unter normalen Bedingungen mindestens 13 Rennen austragen müssen", so Ezpeleta. "Aber das ist aktuell ja nicht der Fall. Wir haben mit der FIM vereinbart, dass wir tun, was wir können, wenn wir es können."

Einige mögliche Szenarien hat Ezpeleta gemeinsam mit allen anderen Verantwortlichen bereits durchgespielt, wie er gegenüber der 'Marca' verriet. Dementsprechend könnte ein Startzeitpunkt der Saison im Juli sein, eine andere Möglichkeit wäre ein Start im September. So oder so, länger als bis Mitte Dezember will man die Saison aber nicht ziehen.

Darüber hinaus schließt sich der Dorna-Chef der Meinung von Ciabatti und Meregalli an: "Wenn wir eine WM mit zehn Rennen fahren könnten, wäre ich sehr zufrieden. Wir werden versuchen, noch mehr zu schaffen, aber unter diesen Umständen würden zehn Rennen heißen, dass es der Menschheit schon wieder besser geht. Und das ist das Wichtigste."

Im MotoGP-Fahrerlager scheint man sich aktuell recht einig zu sein, dass die Hälfte aller geplanten Rennen zu absolvieren für dieses schwierige Jahr durchaus ein Erfolg wäre. Dieser Meinung schließe ich mich an, auch wenn ich sie für den absoluten Idealfall halte. Neun Rennen wurden bereits entweder abgesagt, verschoben oder stehen kurz davor. Und das schlimmste daran ist: Ein Ende der weltweiten Corona-Krise ist im Moment noch nicht abzusehen. Deshalb, denke ich, wird es schwer werden, tatsächlich auch zehn Rennen auszutragen. Schließlich ist die Zeit begrenzt, um alle verschobenen oder noch zu verschiebenden Rennen mit denen, die vielleicht normal ausgetragen werden könnten, unter einen Hut zu kriegen. Für mich braucht die MotoGP-Saison 2020 deshalb genau so viele Rennen, wie eben möglich sind. (Sophie Riga)