Die MotoGP wirkt für die Fans auf den Tribünen und die Millionen vor den TV-Schirmen magisch. Doch wer die Gelegenheit hat, hinter die Kulissen dieses atemberaubenden Sports zu blicken, dem wird schnell klar, dass die Motorrad-WM vor allem eines ist: ein knallhartes Business, mit dem viele Leute viel Geld verdienen. Wir werfen einen Blick hinter den Vorhang der vielleicht besten Motorsport-Show des Planeten.

Welche Organisationen haben in der Motorrad-WM das Sagen?

In der Motorrad-WM gibt es vier Organisationen, die alle wichtigen Entscheidungen treffen: Der Motorrad-Weltverband FIM, der Promoter Dorna Sports, die Team-Vereinigung IRTA und die Hersteller-Vereinigung MSMA. 2016 feierten sie in Brünn den 400. gemeinsamen Grand Prix unter dem Slogan "Racing Together". Wichtigster Player in diesem Quartett ist die Dorna, an deren Spitze Carmelo Ezpeleta steht. Als "Bernie Ecclestone der MotoGP" hat der 73-jährige Spanier in der Motorrad-WM zwar keine Allmacht, aber die gewichtigste Stimme aller Beteiligten. Ursprünglich nur für die Vermarktung zuständig, hat die Dorna längst alle kommerziellen Zuständigkeiten übernommen. Sie vergibt die millionenschweren TV-Verträge, verhandelt mit den Strecken über die Plätze im Rennkalender, sitzt mit ihren Vertretern in den Gremien, in denen Startplätze an Teams sowie die Starterlaubnis für Fahrer vergeben werden, sitzt auch beim Sportlichen und Technischen Reglement mit am Verhandlungstisch, entsendet einen Vertreter in die Rennleitung, kümmert sich um die Produktion und Distribution der Live-Bilder und vergibt nicht zuletzt die Akkreditierungen an Medien.

Theoretisch ist die FIM die höchste Instanz in der Motorrad-WM, heißt die als MotoGP bekannte Rennserie streng genommen doch noch immer "FIM Grand Prix World Championship". Das operative Geschäft hat der Weltverband aber schon längst in die Hände der Dorna gelegt, die ihrerseits eine Gebühr für die Übernahme dieser Geschäfte an die FIM entrichtet. In den wichtigen Gremien ist der Weltverband aber vertreten, zudem hat er die Sporthoheit inne. Das bedeutet, dass der Verband mit seinen Funktionären die Einhaltung des Reglements überwachen muss. Die Entscheidung über Strafen, Berufungen oder Sperren obliegt nach wie vor einzig und allein der FIM (bzw. ihren Stewards), ebenso wie die Homologation von Rennstrecken. Über das Reglement selbst entscheidet die FIM aber nur zu 25 Prozent mit, da der Verband im wichtigsten Gremium, der "Grand Prix Commission", nur einen der vier Vertreter stellt. Die anderen drei konstituieren sich aus je einem Unterhändler der Dorna, der IRTA und der MSMA. Einzig und allein diese Kommission bestimmt über die Sportlichen und Technischen Regularien, unter denen die Motorrad-WM ausgetragen wird.

Wer entscheidet, wer in der Motorrad-WM antreten darf?

In diesem Punkt ist die Motorrad-WM eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Denn während in der Moto3 und Moto2 jeweils nur Ein-Jahres-Verträge an die Teams vergeben werden, reichen die Kontrakte mit den Rennställen der MotoGP-Klasse über einen längeren Zeitraum. Die großen Motorradkonzerne bilden dabei das Fundament und verpflichten sich vertraglich gegenüber der Dorna zur Teilnahme für einen gewissen Zeitraum. So verlängerte etwa KTM im August seine Teilnahmegarantie bis inklusive 2026. Jeder Hersteller schließt seine Verträge individuell, die genauen Sanktionen, die bei Vertragsbruch zur Anwendung kommen, sind streng geheim.

Neben den Werksteams verfügen auch die privat geführten Rennställe über mehrjährige Verträge mit der Dorna. Im Jahr 2015 machte Ezpeleta an diese Teams das Zugeständnis, dass sich kein neuer Rennstall für die MotoGP bewerben darf, so lange die Startaufstellung mindestens 22 Stammpiloten umfasst. Sämtliche Neueinsteiger müssen ihren Startplatz somit von einem bestehenden Team erwerben. So zuletzt geschehen im vergangenen Winter, als das malaysische "Petronas Yamaha Sepang Racing Team" die beiden Plätze des "Angel Nieto Team" übernahm. In den kleineren Klassen Moto3 und Moto2 gibt es derartige Regelungen nicht. Hier entscheidet einzig und allein ein Selektionskomitee, das aus Vertretern von FIM, Dorna und IRTA besteht, über die Teilnahmeerlaubnis an der Weltmeisterschaft.

Jeder Rennstall, egal ob bereits in der WM vertreten oder Neueinsteiger, muss bis Ende August (zuletzt lag die Deadline immer am Wochenende des Rennens in Silverstone) seine Bewerbungsunterlagen im Büro der IRTA abgeben. In diesen legen die Teambesitzer Finanzierungsplan, Vorverträge für Motorräder und mögliche Fahrernamen vor. Das Selektionskomitee entscheidet dann über Gewährung oder Verweigerung eines oder mehrerer Startplätze. Bereits im Vorfeld intervenieren die Offiziellen, wollen etwa Teams zu einer Teilnahme in einer anderen Klasse (so geschehen bei Kiefer Racing) oder zum Einsatz von mehr Motorrädern überreden. Nach wochenlanger Prüfung der Anträge wird - meist gegen Ende September oder Anfang Oktober - die provisorische Starterliste der teilnehmenden Teams der kommenden Saison bekanntgegeben. Die Teamchefs werden schon zuvor von der IRTA informiert, so wie etwa Jochen Kiefer bereits Anfang August gesagt wurde, dass er erst gar keine Bewerbung für 2020 vorzubereiten braucht, weil man ohne ihn plane. Große Teams mit potenten Sponsoren, wie etwa das "Estrella Galicia 0,0 Team", "Petronas SRT" oder Max Biaggis "Max Racing Team", können sich ihrer Zusagen für das jeweils kommende Jahr recht sicher sein. Im hinteren - und vor allem finanzschwächeren - Feld gibt es aber eine gewisse Fluktuation an Teams, der nun eben auch Kiefer Racing zum Opfer gefallen ist.

Wie kommen die Fahrer an ihre Startplätze?

Im Grunde ganz einfach: Durch Verträge mit einem Team, dem ein Startplatz zugesichert wurde. Eine sportliche Direkt-Qualifikation gibt es nicht. In keiner der aktuellen Nachwuchsklassen existiert ein automatisches Startrecht für den amtierenden Champion, ebenso wenig gibt es ein Auf- und Abstiegs-System wie im Fußball.

Wenn man nicht gerade der VR46 Riders Academy, der Monlau-Rennschule von Emilio Alzamora oder einem der anderen Förderprogramme (etwa von Paolo Simoncelli oder von KTM) angehört, ist eine finanzielle Mitgift in Form von Direktzahlungen (wie z.B. Domi Aegerter durch sein Crowdfunding) oder Sponsoren im Rücken vor allem in der Moto3 und Moto2 das schlagkräftigste Argument. Denn nicht alle Teams können oder wollen es sich leisten, ihre Fahrer für ihre Dienste auch zu bezahlen. "Viele dieser Teams aus Spanien oder Italien sind Wirtschaftsunternehmen, für die am Ende des Jahres ein Plus auf dem Konto stehen muss. Fahrer aus dem deutschsprachigen Raum sind dort oft willkommene Melkkühe", analysiert ein im MotoGP-Paddock tätiger Fahrer-Manager im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Die Summen, die man aufbringen muss, sind horrend: In der spanischen Meisterschaft, dem wichtigsten WM-Sprungbrett, kann man für eine komplette Saison bis zu einer Viertelmillion Euro verblasen. Eine volle Saison in der Moto2-Weltmeisterschaft in einem mehrfachen Weltmeister-Team wurde im Sommer 2019 talentierten Fahrern für eine gute halbe Million Euro angeboten. Der etwas weniger talentierte Milliardärssohn Xavi Cardelus soll für seinen Arbeitsplatz sogar mehr als eine Million Euro auf den Tisch legen. Eine ähnliche Summe bezahlte Karel Abraham an seinen Arbeitgeber Avintia Racing für sein Jahr in der MotoGP-Klasse. Dort war der Tscheche allerdings der letzte verbliebene klassische Payrider. Denn die Mehrzahl an Herstellern ging mit einer deutlichen Verbesserung der Arbeitsverträge der Fahrer einher - in der MotoGP-Klasse wohlgemerkt.

Karel Abraham: Bestritt 2019 als Payrider bei Avintia, Foto: Avintia Racing
Karel Abraham: Bestritt 2019 als Payrider bei Avintia, Foto: Avintia Racing

Ein Vertrag als Werksfahrer ist im Regelfall mit einem siebenstelligen Betrag dotiert. Größen wie Marc Marquez oder Valentino Rossi sind sogar im zweistelligen Millionenbereich unterwegs. Aber auch bei den privaten Teams verdienen die Fahrer mittlerweile besser als noch vor einem Jahrzehnt, weil die Hersteller ihre Kunden immer enger an sich binden. So stehen die Piloten von Tech3 auf der Gehaltsliste von KTM, Jack Miller bekommt sein Geld direkt von Ducati und Cal Crutchlow von der Honda Racing Corporation. LCR-Teambesitzer Lucio Cecchinello gestand sogar, dass er gar nicht in die Vertragsverhandlungen mit "seinem" Fahrer Taka Nakagami involviert gewesen sei, weil diese Gespräche direkt zwischen dem Japaner und Honda liefen.

Was für die Chefs der MotoGP-Privatteams ein Segen ist, erweist sich für die Kommandostände der kleinen Klassen zunehmend als Fluch. Denn im Wettrüsten der Hersteller geht es auch um die möglichst frühe Sicherung der größten Talente. Der Erfolg eines Marc Marquez vor sieben Jahren oder der aktuelle Erfolgslauf von Fabio Quartararo fachten diesen Jugendwahn noch mehr an. Viele Fahrer unterzeichnen schon in jungen Jahren (hin und wieder noch vor dem WM-Einstieg) Vorverträge mit Herstellern oder Teams in deren Umfeld, in denen Ablösesummen für feindliche Abwerbeversuche festgeschrieben sind. Für einen 16-Jährigen können so schon einmal 200.000 Euro fällig werden, was für herkömmliche Moto3-Rennställe nicht aufzubringen ist. "Die Realität ist leider, dass du oft einen Fahrer nehmen musst, den du nicht wirklich willst, der aber Geld mitbringt, weil du dir den Fahrer, den du eigentlich willst, nicht leisten kannst", klagte ein langjähriger Moto3-Teamchef im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com sein Leid.

Gibt es Aufnahmekriterien für Fahrer?

Geld regelt in der Motorrad-WM zum Glück nicht alles und so gibt es Rahmenbedingungen, die jeder Fahrer erfüllen muss. In der Moto3 ist die Teilnahme nur für Piloten im Alter von 16 bis 28 Jahren (25 Jahre als Alterslimit für Rookies) erlaubt. In der Moto2- und der MotoGP-Klasse ist die Teilnahme ab 18 Jahren erlaubt und mit einem Alterslimit von 50 Jahren begrenzt. Ausnahmeregelungen für das Einstiegsalter in der Moto3 existieren aktuell für den amtierenden Champion der spanischen Moto3-Meisterschaft (dank Honda wegen Fabio Quartararo) und des Red Bull Rookies Cup (dank KTM wegen Can Öncü).

Das Selektionskomitee, das auch die Startplätze an die Teams vergibt, muss jede Fahrer-Verpflichtung absegnen und darf Teams auch den Einsatz bestimmter Fahrer verbieten, falls man am fahrerischen Können des Piloten Zweifel hat. Diese Regelung gilt seit dem Vorjahr auch für Fahrer, die Stammpiloten bei einem oder mehr Rennen ersetzen. Grund dafür war die Verpflichtung des französischen Superbike-Piloten Christophe Ponsson durch das Avintia-Team als Ersatz für Tito Rabat. Ponsson hatte sich eigentlich drei Einsätze finanziert, war aber schon beim ersten dermaßen überfordert, dass ihm die Offiziellen weitere Starts verboten.

Wieviel kostet ein Rennstall den Teambesitzer?

Herve Poncharal bezifferte sein jährliches Budget vor einigen Jahren mit rund zehn Millionen Euro. Die Privatteams der MotoGP erhalten von der Dorna allerdings pro Fahrer 2,5 Millionen Euro, was in etwa die Kosten für das bei einem Hersteller zu beziehende Motorrad decken soll. Die Werksteams haben deutlich höhere Ausgaben, müssen sie doch ihre Maschinen weiterentwickeln und die besten Fahrer und Techniker der Welt bezahlen. KTM-Boss Stefan Pierer setzte die Ausgaben seines Konzerns für das MotoGP-Projekt bei einem Pressetermin im Februar bei rund 40 Millionen Euro an. Bei Honda sollen angeblich 300 Ingenieure in der Entwicklungsabteilung der RC213V arbeiten.

Eine Budgetobergrenze für die Factory Teams gibt es nicht, doch wird im Zuge des Technischen Reglements immer wieder versucht, die Kosten einzugrenzen. Die Einführung der Einheitselektronik war dabei ein wichtiger Schritt. Die großen Werksteams haben allerdings auch die potentesten Sponsoren im Rücken und Konzerne wie Repsol (bei Honda), Red Bull (bei KTM), Monster (bei Yamaha) oder Philip Morris (bei Ducati) überweisen Schätzungen zufolge pro Jahr niedrige zweistellige Millionenbeträge an "ihr" MotoGP-Team.

Die Ausgaben in den kleinen Klassen sind zwar niedriger als in der MotoGP, aber immer noch sehr hoch. Forward-Boss Giovanni Cuzari rechnete vor zwei Jahren bei einem Mediendinner auf einem Schmierzettel vor, dass er nach Abzug der Förderungen durch die Dorna rund zwei Millionen Euro pro Jahr auftreiben müsse, um seinen Rennstall am Laufen zu halten. Und manch ein Moto3-Teamchef ächzt, dass die kleinste Klasse der mittleren in diesem Bereich um nichts nachsteht.

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