Mugello sah am Sonntag einen MotoGP-Sieger, dem wohl jeder im Paddock diesen Erfolg gönnte: Danilo Petrucci. Der 28-jährige Italiener gewann in seinem 124. Rennen in der Motorrad-WM zum ersten Mal und bewies damit, dass man in einer Zeit voller Förderprogramme und gekaufter Startplätze mit genügend Ausdauer von ganz unten nach ganz oben kommen kann. Die MotoGP hat mit Petrucci ihre eigene Aschenputtel-Story bekommen.

Denn Petrucci wurde in seiner Karriere nichts geschenkt. Er kämpfte sich über die Superstock-Europameisterschaften, die kein MotoGP-Teamchef für Neuverpflichtungen im Auge hat, in die WM, wo er sich in seinen ersten Jahren mit diversen Auswüchsen der CRT-Ära, wie etwa einer Suter mit BMW-Motor abmühen musste. Beim nicht gerade gut betuchten Ioda-Rennstall schnupperte er seine erste MotoGP-Luft.

Hart erkämpfter Aufstieg

Als er 2014 verletzungsbedingt sein Heimrennen in Mugello auslassen musste, hätte wohl kaum einer erahnt, dass Danilo Petrucci dort fünf Jahre später als Sieger vor die Fan-Massen treten würde. In der Stunde des Erfolgs gab er am Sonntag gerührt zu: "Einige Male in meiner Karriere dachte ich ans Aufhören. Ich dachte, das sei einfach nicht meine Welt hier." Und so agierte er immer wieder auch. Anfänglich kaum des Englischen mächtig, gab er sich für einen MotoGP-Fahrer lange Zeit beinahe schüchtern. Es dauerte einige Jahre, bis er ein wenig auftaute und seinen italienischen Humor auch in englischer Sprache an den Mann bringen konnte. Seither ist Petrucci gern gesehener, weil witziger, Gast in Pressekonferenzen.

Sein Talent ließ er vor allem unter schwierigen Bedingungen oft aufblitzen und an guten Tagen reichte es in den Diensten von Pramac-Ducati auch zu Podestplätzen. Wie sehr die vier gemeinsamen Jahre das Team und den Italiener zusammenschweißten, zeigte sich am Sonntag, als die gesamte Pramac-Truppe in der Boxengasse "ihren Danilo" in der Boxengasse bei der Fahrt in den Parc ferme umschwärmte. "Er ist noch immer einer von uns", jubelte Teamchef Paolo Campinoti in die Kamera von ServusTV.

Eine Bürde namens Ducati

Die Rolle des Underdogs verließ Petrucci aber nie. So auch bei seinem Aufstieg in das Werksteam von Ducati, wo er im Winter Jorge Lorenzo ersetzen musste. Ein ehemaliger Superstock-Fahrer statt eines fünfmaligen Motorrad-Weltmeisters - von einigen Kollegen wurde dieser Transfer als Notlösung gesehen. Wie Petrucci später aussagte, lehnte er einen Zwei-Jahres-Vertrag von sich aus ab. Offizielle Begründung: Damit er bei guten Leistungen eine Gehaltserhöhung durchsetzen kann. Doch im Paddock munkelten viele, dass er sich schlichtweg unsicher sei, ob er der Rolle als Factory-Rider gewachsen ist.

Denn zum ersten Mal in seiner Karriere gab es für den chronischen Underdog Leistungsdruck bei gleichzeitigem Anstieg der terminlichen Verpflichtungen. Dass ihm der Aufstieg zu Würden des Ducati-Werksfahrers nicht leichtgefallen ist, gab Petrucci am Sonntag offen zu. Weshalb er sich in Mugello auch mehrfach bei seinem Teamkollegen Andrea Dovizioso bedankte. Der sei ihm eine große Hilfe gewesen, habe ihn gar wie einen Bruder behandelt, so Petrucci.

Petrucci bleibt Teamplayer

Umso schöner ist es, dass der Knoten nun geplatzt ist Für den ersten Sieg hätte es keinen schöneren Platz geben können als Mugello. Petrucci hatte dort bereits vor zwei Jahren Tränen auf dem Podest vergossen, als er Dritter wurde und sein Fanklub ihn im ansonsten gelben Fan-Meer mit einem riesengroßen Transparent seiner Startnummer 9 in Empfang nahm.

Aus welchem Holz er geschnitzt ist, zeigte sich ebenfalls am Sonntag, als er sich nach dem Rennen zunächst bei Dovizioso für die siegbringende Attacke in der letzten Runde entschuldigte, und dann bekanntgab: "Ich habe die Vorgabe von Ducati erfüllt und jetzt werden wir wieder als Team an das gemeinsame Ziel denken." Ein Teamplayer, der es nun als seine Aufgabe sieht, Andrea Dovizioso zum Champion zu machen und mit Ducati Team- und Konstrukteurs-Titel zu holen. Der demütige Petrucci ist eine willkommene Erfrischung in diesem Sport der übergroßen Egos. Auch deshalb gönnt ihm wohl jeder seinen Sieg in Mugello.