Als großer Heilsbringer wurde Johann Zarco zur MotoGP-Saison 2019 von KTM verpflichtet. Mit ihm hatte man den Spitzenpiloten an Bord, den man für nötig hielt, um die Lücke zur arrivierten Konkurrenz von Honda, Ducati, Yamaha und Suzuki zu schließen. Zarcos MotoGP-Lebenslauf sprach für sich: In zwei Jahren auf der Kunden-Yamaha bei Tech3 holte er sechs Podestplätze, viel Pole Positions und beendete beide Saisons auf dem hervorragenden sechsten Gesamtrang.

Doch der Umstieg von der gutmütigen Yamaha M1 auf das Biest namens RC16 aus dem Hause KTM fiel Zarco von Beginn an schwer. Schon bei den Testfahrten unterliefen ihm einige Stürze, gleichzeitig fehlte es an Pace. In den ersten drei Saisonrennen holte Zarco nur fünf WM-Punkt, sein Teamkollege Pol Espargaro hingegen 18.

Am Trainingsfreitag in Jerez konnte Zarco seine Frustration dann schließlich nicht mehr zurückhalten. Nach seinem zweiten Sturz an diesem Tag schilderte Zarco der KTM-Crew seine Probleme mit dem Motorrad und verwendete dabei Worte, die für einen der hochrangigsten Angestellten des Unternehmens alles andere als passend waren. Vor laufenden TV-Kameras sprach er unter anderem von einem 'fucking shit chassis'.

KTM droht, Zarco lenkt ein

KTM-Boss Stefan Pierer, der beim Spanien-Grand-Prix in Jerez zu Gast war, stellte Zarco daraufhin medial die Rute ins Fenster. Die Teamführung rund um Motorsportchef Pit Beirer und Teammanager Mike Leitner versuchte, zu beschwichtigen. Einige Tage nach dem Eklat meldete sich Zarco auf Instagram zu Wort. "Ich war nach dem Sturz so wütend und habe viele schlechte Dinge über das Motorrad gesagt, obwohl KTM alles versucht, um einen bestmöglichen Job zu machen", zeigte er sich in einer Videobotschaft reumütig.

Im Rahmen seines Heim-Grand-Prix in Le Mans bezog Zarco nun noch einmal Stellung zu den Vorfällen von Jerez: "Ich konnte leider kein klärendes Gespräch mit Stefan Pierer führen, aber ich habe mit Pit geredet und verstehe auch, warum gewisse Dinge gesagt wurden. Ich habe schlecht über das Motorrad geredet, das ich eigentlich entwickeln sollte. Ich habe die Kontrolle verloren. Da konnte Herr Pierer nur so antworten, wie er es getan hat. Er ist ein starker Charakter."

Nun will man bei KTM die Streitigkeiten hinter sich lassen und daran arbeiten, Zarco endlich auf das Niveau zu hieven, dass man sich von ihm erwartet und erhofft hatte. An zwei Testtagen nach dem Jerez-Wochenende habe man gute Fortschritte mit dem Motorrad und Veränderungen am Fahrstil gemacht, beteuert Zarco.

MotoGP: Fahrer-Analyse mit dem Riding-Coach (11:28 Min.)

Zarco setzt auf neuen Coach

Auch im personellen Bereich nahm der zweifache Moto2-Weltmeister Anpassungen vor. Im Vorjahr trennte er sich ja von seinem langjährigen Coach und Mentor Laurent Fellon, nun hat Zarco Ersatz gefunden. Landsmann Jean-Michel Bayle soll Zarco zurück zu alter Stärke verhelfen, die Zusammenarbeit begann vor einigen Tagen. Bayle ist zweifacher Motocross-Weltmeister und erzielte auch auf Asphalt Spitzenplatzierungen. 1996 wurde er Gesamtneunter in der 500ccm-Klasse der Motorrad-WM.

"Ich habe ihn schon im Vorjahr kontaktiert und wir haben ein wenig miteinander gesprochen, aber es hat Zeit gebraucht, bis ich verstanden habe, was ich benötige", erklärt Zarco das Zustandekommen der Partnerschaft. "Wie jeder weiß, waren sich mein Ex-Coach und ich sehr nahe. Es geht nicht um fahrerische Dinge, sondern auch um die mentale Komponente. Vor allem diese war in den vergangenen Monaten sehr schwierig für mich, deshalb will ich mit Jean-Michel jetzt daran arbeiten, den Kopf wieder frei zu bekommen. Beim Training klappt das schon gut, jetzt muss ich das auch am Rennwochenende umsetzen."