2015 als das letzte Jahr zu bezeichnen, in dem Yamahas Welt noch in Ordnung war, wäre falsch. Denn es war das Jahr, als der Krieg zwischen Jorge Lorenzo und Valentino Rossi im Fahrwasser des Sepang-Clash so richtig eskalierte. Keine Spur also von heiler Welt, doch zumindest die Erfolge waren damals noch da. 2015 war jenes Jahr, in dem Yamaha zum letzten Mal Fahrer- und Konstrukteurs-WM für sich entscheiden konnte.

Seither ging es stetig bergab: Von elf Saisonsiegen sank man auf zunächst sechs, dann vier und im Vorjahr auf nur noch einen. 2018 holten Valentino Rossi und Maverick Vinales gemeinsam nicht einmal mehr 60 Prozent der Punkte, die Rossi und Lorenzo drei Jahre zuvor eingefahren hatten. In Team- und Hersteller-Wertung rutschte man zum ersten Mal seit 2007 auf den dritten Rang hinter Honda und Ducati ab.

Bereits im Frühsommer schrillten bei allen Beteiligten die Alarmglocken und erste Schritte für eine Trendwende wurden eingeleitet. Diesen Weg führte Yamaha in der Winterpause fort, aber ob das genügt, wieder auf Augenhöhe mit Honda und Yamaha agieren zu können?

MotoGP-Saisonvorschau 2019: Yamaha (06:57 Min.)

Fahrer & Teams für 2019

Team Nr. Fahrer MotoGP-Erfahrung
Monster Energy Yamaha12 Maverick Vinales 71 Starts - 5 Siege - 16 Podien
46 Valentino Rossi 322 Starts - 89 Siege - 196 Podien
Petronas Yamaha SRT20 Fabio Quartararo Rookie
21 Franco Morbidelli 16 Starts - 0 Siege -0 Podien

Im Werksteam von Yamaha setzt man auf Kontinuität und verlängerte die Verträge von Valentino Rossi und Maverick Vinales bereits früh um zwei Jahre. Das Duo geht 2019 in seine dritte gemeinsame Saison. Beide Fahrer haben allerdings in ihrem Umfeld Änderungen vorgenommen.

Vinales trennte sich von Crewchief Ramon Forcada und vertraut künftig auf Esteban Garcia, mit dem er einst Moto3-Weltmeister wurde. Als Riding Coach angelte er sich den ehemaligen 125cc-Champion Julian Simon. Auf Rossis Seite der Garage zog sich Coach Luca Cadalora auf eigenen Wunsch per Saisonende zurück, einen Ersatz hat Rossi offiziell noch nicht präsentiert.

Auch in Yamahas Chefetage gab es einen prominenten Wechsel: MotoGP-Projektleiter Kouji Tsuya nahm im Winter seinen Hut und wurde durch Takahiro Sumi ersetzt, der bislang Chef der Chassis-Entwicklung war.

Einen Paradigmenwechsel gab es im Hinblick auf den Kundensport. Langzeitpartner Tech3 suchte nach Jahren der stiefmütterlichen Behandlung das Weite und dockte bei KTM an. Yamaha musste Ersatz suchen und wurde in Malaysia fündig. Auf Betreiben von Sepang-Circuit-Chef Razlan Razali wurde eine Allianz mit Petronas und Yamaha geschmiedet, welche die finanzielle Grundlage des neues MotoGP-Teams bildet.

Yamaha hat die Zeichen der Zeit erkannt und beliefert seinen neuen Kunden nicht mehr mit Altmaterial, sondern mit Factory-Bikes. Franco Morbidelli bekommt dabei zum Saisonstart das baugleiche Bike wie Rossi und Vinales, Rookie Fabio Quartararo muss vorerst mit einem etwas gedrosselten Motor Vorlieb nehmen, der allerdings auch der neuesten Spezifikation entspricht.

Wie ernst es Yamaha mit dem neuen Partner ist, beweist auch der Umstand, dass man den langjährigen Teammanager Wilco Zeelenberg sowie den erfahrenen Crewchief Forcada zur malaysischen Truppe entsandte. Ernst ist es Yamaha auch bezüglich Testfahrten. Parallel zum bestehenden Testteam in Japan rund um Katsuyuki Nakasuga wurde eine europäische Truppe rund um Jonas Folger aufgebaut.

Diese operiert von Italien aus und soll 2019 intensiv zum Zug kommen, um neue Teile oder Elektronik-Lösungen für die MotoGP-Mannschaft vorzubereiten. Auf Wildcard-Einsätze von Folger sollten sich deutsche Fans aber keine Hoffnungen machen. Nach aktuellem Stand ist lediglich ein Wildcard-Start von Nakasuga beim Heimrennen in Motegi geplant.

Das Motorrad

Die wichtigste Entscheidung bei Yamaha fiel bereits vor Beginn der Testfahrten: jene über den neuen Motor. Bereits zum Testauftakt in Sepang gaben Valentino Rossi und Maverick Vinales zu, nur jeweils eine Variante des Yamaha-Aggregats in der Box zu haben. Bei den Testfahrten konzentrierte man sich darauf, das restliche Paket auf diesen Motor abzustimmen.

Ganz zufrieden zeigten sich die Fahrer mit den gefundenen Lösungsansätzen noch nicht. Vor allem mit der Beschleunigung aus den Kurven waren Rossi und Vinales noch unzufrieden. "Unsere Pace ist ganz okay, aber wir müssen noch etwas finden, um tatsächlich vorne mitkämpfen zu können", stellte Rossi nach dem finalen Test in Katar klar.

Immerhin: Mit vier Factory-Maschinen und zwei Test-Teams sollte die nötige Datenmenge für Verbesserungen verfügbar sein. Zudem kann das neue europäische Testteam rund um Folger das Werksteam entlasten und neue Entwicklungen vorab freigeben oder aussortieren. Den Ernstfall für neue Teile kann Yamaha danach mit Morbidelli oder Quartararo proben und die Speerspitzen Rossi und Vinales können sich auf die reine Rennperformance konzentrieren. So machen das andere Hersteller schon lange, nun ist Yamaha endlich nachgezogen.

So liefen die Tests

Maverick Vinales war der dominante Mann der Februar-Wintertests. Er war an drei der sechs Testtage der schnellste Mann und absolvierte mit insgesamt 357 Runden in Sepang und Losail mehr als jeder andere MotoGP-Fahrer. In Malaysia fuhr er vier der zehn schnellsten Runden, in Katar sogar fünf und holte sich dort die absolute Bestzeit. Teamkollege Rossi lobte danach: "Maverick ist in außergewöhnlicher Form."

Rossi selbst hielt sich - wie fast immer bei Testfahrten - nobel zurück, landete in der Endabrechnung der Katar-Tests aber immerhin auf dem fünften Platz. Wie Vinales verzichtete der Doctor auf Longruns, was Rückschlüsse auf die tatschliche Rennpace der Yamaha-Asse schwierig macht.

Für einen Hoffnungsschimmer dürfte aber die Performance des jungen Petronas-Duos sorgen. Fabio Quartararo zeigte bei seinem Longrun in Katar eine bessere Pace als die Ducati-Asse, während Franco Morbidelli nur knapp langsamer als Andrea Dovizioso war. Hinter Vinales bestritten Quartararo und sein Teamkollege die zweit- und drittmeisten Test-Runden dieses Winters.

Was trauen wir Yamaha zu?

Michael Höller: Die Ergebnisse aus Sepang und Katar sollten Yamaha zuversichtlich stimmen. Maverick Vinales hinterließ bei beiden Tests den stärksten Eindruck aller MotoGP-Fahrer. Fabio Quartararo überraschte in Katar mit einer bärenstarken Leistung, während Franco Morbidelli und Valentino Rossi grundsolide Wintertests abspulten. Damit sollte man Yamaha eigentlich schon beim Saisonstart auf dem Zettel haben.

Allerdings waren die Aussagen von Vinales und Rossi nach den Testfahrten alles andere als optimistisch. Rossi sieht noch einen langen Weg vor Yamaha, Vinales ortete noch mehrere Schwachstellen. Auf einem Niveau mit Honda und Ducati sahen sich beide Fahrer noch nicht. Daher bleibt nun die Frage offen: Stapelt Yamaha nach den bitteren Niederlagen der letzten eineinhalb Jahre tief oder hat man seine Karten schon auf den Tisch gelegt, während die Rivalen sich noch nobel zurückgehalten haben? Mit erscheint Option zwei wahrscheinlicher.

Sophie Riga: Die ganz große Erlösung scheint es bei Yamaha auch 2019 nicht zu geben. Im Vergleich zur letzten Saison geht es für Vinales und Co. wohl aufwärts, aber die Arbeit ist noch nicht getan. Rossi stellte bereits fest, dass die Lücke, die sich zwischen Yamaha und der Konkurrenz aufgetan hat, nicht in drei Monaten geschlossen ist. Deshalb denke ich, dass 2019 für Yamaha sicher ein Fortschritt im Vergleich zum Vorjahr wird. Allerdings nur, wenn man nicht in alte Muster zurückfällt. Ein neuer Ansatz muss her, will Yamaha die Lücke auf Honda und Co. schließen.

Markus Zörweg: Eine derart schwache Saison wie 2018 wird Yamaha in diesem Jahr nicht mehr erleben, da bin ich mir sicher. Dass man die massiven Probleme im Bereich des Motors und der Elektronik über den Winter vollkommen ausräumen konnte, glaube ich aber nicht. Das wird sich vor allem in den Rennen wohl wieder negativ auswirken. Ich denke also, dass Yamaha näher an Honda oder Ducati dran ist als 2018. Ganz vorne sehe ich Rossi und Vinales - vor allem zu Saisonbeginn - aber noch nicht.