Mitte der 2000er-Jahre wurde in der europäischen Union schrittweise Werbung für Tabakprodukte wie Zigaretten verboten. Da in der jüngsten Vergangenheit stets rund zwei Drittel der MotoGP-Rennwochenenden in Ländern der EU ausgetragen werden, bedeutete das auch das Ende des Sponsorings durch die großen Tabakmarken wie Marlboro, Camel oder Gauloises. Zumindest theoretisch.

Denn Ducati erhielt, gleich wie übrigens Ferrari in der Formel 1, seither immer noch beträchtliche finanzielle Unterstützung des Marlboro-Mutterkonzerns Philip Morris, auch wenn der Schriftzug der bekannten Zigarettenmarke von Motorrädern und Teamkleidung verschwunden war. Die Tatsache, dass man Ducati aufgrund des rot-weißen Designs der Bikes weiterhin mit Marlboro in Verbindung bringen würde und die Chance, etwa bei MotoGP-Events Geschäftspartnern besondere Erfahrungen wie die Fahrt auf Randy Mamolas Zweisitzer-Ducati bieten zu können, reichte den Philip-Morris-Verantwortlichen seither für die Überweisung vieler Millionen nach Borgo Panigale.

2019 geht man aber einen Schritt weiter. Tabak aus dem Hause Philip Morris dominiert wieder den Teamnamen und die Lackierung der Motorräder, wie einst zu Ducati-Marlboro-Zeiten. Anstatt des Logos und Namens einer bekannten Zigarettenmarke heißt der Rennstall aber nun 'Mission Winnow Ducati', der Schriftzug 'Mission Winnow' dominiert auch die Verkleidung der Desmosedici GP19.

Was ist 'Mission Winnow'? Hier handelt es sich um eine Kampagne des Philip-Morris-Konzerns, die, so die offizielle Version, eine rauchfreie Zukunft promoten soll. Und genau hier nützt man ein rechtliches Schlupfloch. Denn verboten ist Werbung für Marken oder Produkte der Tabakbranche, nicht aber für eine, laut Philip Morris, wohltätige Kampagne im Sinne einer besseren Zukunft für Raucher und deren Umfeld.

Der neue Slogan ist nicht zu übersehen, Foto: Ducati
Der neue Slogan ist nicht zu übersehen, Foto: Ducati

Dass dies tatsächlich das große Anliegen von Philip Morris ist und man nicht einfach nur die hauseigene E-Zigaretten-Marke IQOS promoten will, die im Vorjahr bereits bei vielen Grands Prix mit einem eigenen Stand im Paddock vertreten war, versucht man mit viel Nachdruck zu verdeutlichen. Dazu hat man in diesem Jahr alle Medien, die im MotoGP-Paddock Rang und Namen haben - darunter auch Motorsport-Magazin.com - zum Launch von 'Mission Winnow Ducati' ins schweizerische Neuchatel eingeladen. Von Flug über Hotel bis zu Transfer im Luxusauto und Mittagessen um 60 Schweizer Franken pro Nase wurden sämtliche Kosten übernommen.

Mission Winnow: Die Botschaft muss ankommen

Die eigentliche Präsentation fand im PMI R&D Cube, der Forschungszentrale von Phillip Morris in Form eines gigantischen Glaswürfels, direkt am Ufer des Lac de Neuchatel statt. Die Lage, die Architektur, schrullige Details wie aus dem Boden wachsende Tabakplantagen - der 'Cube' würde auch ohne weiteres als Hauptquartier eines James-Bond-Bösewichts durchgehen. Im Laufe des insgesamt fast dreistündigen Medienteils wiederholen mehrere Philip-Morris-Angestellte und auch Ducati-CEO Claudio Domenicali die vorgefertigten Stehsätze von einer rauchfreien Zukunft gebetsmühlenartig, sogar Technikguru Gigi Dall'Igna liest ebensolche von einem Spickzettel ab.

Die versammelte MotoGP-Presse wurde hofiert, Foto: Motorsport-Magazin.com
Die versammelte MotoGP-Presse wurde hofiert, Foto: Motorsport-Magazin.com

Wie lässt sich das erste sichtbare Tabaksponsoring der MotoGP seit gut einem Jahrzehnt moralisch einordnen?

Ist es falsch von Ducati und Philip Morris, dieses Schlupfloch in der Gesetzgebung zu nutzen? Vielleicht. In der Welt des Motorsports ging es aber nie darum, nur das zu tun, was ausdrücklich erlaubt ist. Erfolgreich war immer derjenige, der überlegte, was denn nicht verboten ist.

Ist es generell falsch, in einem Sport, der weltweit auch von vielen Millionen Kindern verfolgt wird, Tabakprodukte - wenn auch nur indirekt - zu bewerben? Es ist definitiv nicht wünschenswert. Tabak ist ungesund, egal ob er nun als Zigarette geraucht oder in einer E-Zigarette verdampft wird. Fakt ist aber auch, dass sich alternative Sponsorbranchen wie die Bankenwelt, die vor allem in der Formel 1 oft den Platz der Zigarettenfirmen einnahm, oder die Energy-Drink-Industrie ebenfalls gewisse moralische Vorwürfe gefallen lassen muss. Verbietet man also jedes irgendwie bedenkliche Sponsoring, wird Motoradsport auf Weltmeisterschaftsniveau nicht mehr finanzierbar sein. Und das kann sich auch kein Fan wünschen.