Die vergangenen Saisons waren bei Ducati geprägt durch zunehmenden Erfolg, aber auch durch interne Streitigkeiten zwischen den Fahrern. Die Beziehung zwischen Andrea Dovizioso und Andrea Iannone fand etwa nach der Stallkollision in Argentinien 2016 den Tiefpunkt und auch das Verhältnis von Dovizioso zu Lorenzo war nicht besser. Immer wieder tauschten sie über die Medien Sticheleien aus und bis heute wird darüber diskutiert, ob Lorenzo Dovizioso im Saisonfinale 2017 Schützenhilfe verweigerte.

Bei Ducati hat man erkannt, dass derartige Machtkämpfe am Weg zum ersten MotoGP-Titel seit 2007 entscheidende Hindernisse darstellen können. Deshalb wurden die nötigen Konsequenzen gezogen. "Wir haben unsere Strategie geändert", erklärte General Manager Gigi Dall'Igna. "Wir haben uns dazu entschieden, von einem System, in dem zwei Fahrer unabhängig voneinander und ohne Rücksicht auf das Team handeln, zu einem System, das die bestmöglichen Resultate ermöglichen wird, zu wechseln. Ich spreche nicht von Stallorder, sondern von Synergien in der Entwicklung und Abstimmung des Motorrads."

Eine Strategie, die grundsätzlich wohl jedes Team gerne verfolgen würde. Einziges Problem: Sie ist nur schwer umzusetzen, denn Rennfahrer sind in erster Linie immer Egoisten. Mit Dovizioso und Danilo Petrucci könnte man aber tatsächlichen eine Paarung gefunden haben, die bereit ist, persönliche Befindlichkeiten hintanzustellen.

Dovizioso und Petrucci: Kumpels statt Konkurrenten

Diesen Eindruck vermittelten zumindest die Aussagen, die beide Piloten im Rahmen der offiziellen Ducati-Präsentation für die MotoGP-Saison am vergangenen Freitag im schweizerischen Neuchatel tätigten. Petrucci verriet da etwa, dass ihm Dovizioso denselben Arzt und denselben Psychologen vermittelte, mit denen er selbst schon seit Jahren zusammenarbeitet. Ein Akt, der auch Petrucci verwunderte. "Ich habe ihn gefragt: 'Warum machst du das? Warum verrätst du mir deine Geheimnisse?'", so Petrucci. "Dovi hat daraufhin nur gemeint, dass er mich braucht und wir uns gegenseitig helfen sollen."

Dovizioso wartet trotz zehn Siegen in zwei Jahren noch auf einen MotoGP-Titel, Foto: LAT Images
Dovizioso wartet trotz zehn Siegen in zwei Jahren noch auf einen MotoGP-Titel, Foto: LAT Images

Um die Bindung zwischen den Neo-Teamkollegen weiter zu verstärken, zog Petrucci sogar in die unmittelbare Nähe von Doviziosos Heimatstadt Forli, die wiederum nur eine knappe Autostunde von der Ducati-Zentrale im bolognesischen Stadtteil entfernt liegt. "Das gibt uns die Möglichkeit, viel miteinander zu trainieren - auf dem Motorrad genauso wie in allen anderen Sportarten", freut sich Dovizioso über die Entscheidung Petruccis.

Generell wirkt Dovizioso mit seinem neuen Stallgefährten entspannter als in früheren Jahren. "Wenn man teamintern ein gutes Verhältnis hat, macht das alles einfach. Nur dadurch wird man keine Weltmeisterschaft gewinnen, aber wenn man auf höchstem Level fährt, ist jede Kleinigkeit wichtig", so der MotoGP-Vizeweltmeister der letzten beiden Saisons. "Ich bin deshalb mit der aktuellen Situation sehr zufrieden. Danilo und ich haben gemeinsam großes Potenzial!"

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Auf dem Papier ist Danilo Petrucci kein würdiger Nachfolger für Jorge Lorenzo. Kein einziger Grand-Prix-Sieg oder Weltmeistertitel stehen da 68 GP-Erfolgen und fünf WM-Kronen gegenüber. Und doch könnte sich 'Petrux' für Ducati als echter Glücksgriff erweisen. Weil er, zumindest 2019, nicht mit Andrea Dovizioso um die Vormachtstellung im Team kämpft. Zum ersten Mal seit Jahren gibt es somit in Borgo Panigale keinen Stallkrieg. Dovizioso hat die Gunst der Stunde erkannt. Er weiß, dass ihm Petrucci vorerst nicht gefährlich wird, sehr wohl aber im ein oder anderen Rennen wichtige Schützenhilfe leisten kann. Daher versorgt Dovizioso seinen neuen Teamkollege mit wertvollen Tipps und Kontakten, um Petrucci zum besten Adjutanten zu machen, den sich ein MotoGP-Titelanwärter wünschen kann. Gut möglich, dass dieser Plan aufgeht. (Markus Zörweg)