Die MotoGP musste am Sonntag zum ersten Mal seit 1980 die Rennen aller Klassen absagen. In Silverstone kämpften die Streckenposten und Hilfskräfte von 12.30 bis kurz nach 17.00 Uhr um die Durchführung, mussten sich aber dem Wasser auf der Strecke geschlagen geben. Im Anschluss an das Asphalt-Debakel gab es eine Pressekonferenz mit den drei Mitgliedern der Race Direction, in der Mike Webb, Loris Capirossi und Franco Uncini Auskunft über die Absage und über weitere Folgen für Silverstone gaben. Wir fassen den chaotischen MotoGP-Sonntag im Q+A zusammen:

MotoGP-Debakel in Silverstone: Was sind die Folgen? (17:20 Min.)

Warum wurde das Rennen abgesagt?

Schuld war die schlechte Asphaltqualität in Silverstone in Kombination mit schlechtem Wetter. Zwar wurde auf dem Traditionskurs erst im Februar ein komplett neues Streckenband verlegt, doch der neue Belag ließ an einigen Stellen das Wasser in großen Pfützen zusammenlaufen, anstatt es abzuleiten. Das führte schon am Samstag im 4. Training zu einem Massen-Crash und ließ die Race Direction am Sonntag stundenlang mit der Freigabe zögern.

"Wir mussten aufgrund dieser Streckenbedingungen das Rennen absagen", erklärte Renndirektor Mike Webb. "In erster Linie aufgrund von stehendem Wasser auf der Oberfläche. Der Regen rinnt hier nicht ab und das ist gefährlich, weil es zu Aquaplaning führt." Aus Sicherheitsgründen wurden die Rennen daher nach einem viereinhalbstündigen Abwarten abgesagt.

Wer hat über die Absage entschieden?

Die finale Entscheidung kann einzig und alleine die Race Direction bestehend aus Mike Webb, Franco Uncini und Loris Capirossi treffen. Diese holte kurz vor 17.00 aber die Meinung der MotoGP-Fahrer in. Die trafen sich kurz zuvor im Rahmen der Safety Commission und taten ihre Meinung kund. Zwar waren nicht alle Fahrer anwesend, doch eine klare Mehrheit entschied sich gegen einen Start. Laut Tech3-Teamchef Herve Poncharal sollen sich nur Johann Zarco und Jack Miller bei diesem Meeting für einen Rennstart ausgesprochen haben.

Warum wird nicht am Montag gefahren?

2009 konnte ein MotoGP-Rennen in Katar wegen heftiger Regenfälle und überfluteter Strecke nicht ausgetragen werden. Damals ließ man einen Tag später am Montagabend starten. Die Renndirektion hielt ein derartiges Vorgehen auch diesmal in Silverstone für möglich, wurde aber vom lokalen Promoter des Rennens davon abgebracht.

"Aus meiner Sicht als Renndirektor wäre es möglich gewesen, aber da gab es andere kommerzielle Faktoren, die letztlich ausschlaggebend für das Nein waren", erklärte Webb in der Pressekonferenz. Der Ausweichtermin war früh vom Tisch, denn die Dorna informierte bereits gegen 13.20 Uhr darüber, dass der Montag keine Option sei. Gerüchten zufolge sollen sich auch drei MotoGP-Teams gegen ein Rennen am Montag ausgesprochen haben.

Aus Promoter-Sicht gab es mit dem Ersatztermin zwei Probleme: Einerseits hatte Triumph Teile der Anlage für einen kleinen Moto2-Test reserviert. Andererseits hätten sämtliche Einsatzkräfte und Helfer für Montag erneut verpflichtet werden müssen. Sowohl logistisch und wohl auch finanziell ein immenser Aufwand. Silverstone muss am Renntag an die 90.000 Fans an der Strecke bringen und dort betreuen bzw. absichern. In Katar mussten sich die Verantwortlichen 2009 gerade mal um ein Fünftel dieser Zahl kümmern.

Warum startete man nicht noch früher?

Der Regen am Sonntag wurde erst ab ca. 12.00 Uhr zum Problem. Zuvor konnten ab 10.00 Uhr die Warmups aller drei Klassen problemlos durchgeführt werden. Die Wetterprognosen deuteten bereits am Samstag darauf hin, dass es ab den Mittagsstunden deutlich nasser werden würde. War ein noch früherer Startzeitpunkt keine Option?

Mike Webb klärte auf: "Unser Motto lautete: je früher, desto besser. Wir haben das mit den Teams und mit dem lokalen Promoter besprochen. Die Organisatoren forderten eine gewisse Zeit ein, damit die Zuschauer am Vormittag überhaupt an die Strecke gelangen konnten. Deshalb mussten wir diesen Kompromiss schließen." Zudem wollten auch einige MotoGP-Teams nicht auf das Warmup verzichten.

Wie geht es nun mit Silverstone weiter?

Ein Asphalt in dieser Qualität ist für die MotoGP inakzeptabel - zumal man in Großbritannien immer mit Regen rechnen muss. Eine weitere derartige Blamage dieser Größenordnung wird Vermarkter Dorna nicht über seine wichtigste Rennserie ergehen lassen. Das stellte auch Sicherheitsberater Franco Uncini klipp und klar fest.

"Sie müssen mit Sicherheit einen neues Asphalt verlegen", sagte der Italiener in der Pressekonferenz. Uncini war zu diesem Thema bereits im Juli in Silverstone vorstellig geworden, nachdem sich viele Formel-1-Fahrer nach deren Rennen über den neuen Asphalt beschwert hatten. "Ich hätte am liebsten schon damals einen neuen Asphalt bekommen, aber das war in der kurzen Zeit zwischen der Formel 1 und der MotoGP nicht möglich", erklärte Uncini.

In den kommenden sechs Wochen werden die Streckenbetreiber in Silverstone gemeinsam mit der zuständigen Baufirma "Aggregate Industries" eine Untersuchung einleiten, was bei der Asphaltverlegung schief gelaufen ist. Um eine komplette Neuverlegung wird man aber kaum herumkommen, wenn man die scharfe Kritik von F1 und MotoGP bedenkt.

Warum wurde die Strecke in diesem Zustand homologiert?

Franco Uncini besichtigte das Streckenband zur technischen Abnahme zweimal: Im Februar direkt nach der Verlegung und noch einmal im März, als Cal Crutchlow dort einige Runden drehte. Damals sei alles in Ordnung gewesen, beteuerte der Italiener: "Ich hatte bei der ersten Abnahme zwei Stellen bezüglich Bodenwellen beanstandet und diese Stellen hatten sie bis zu Cals Test ausgebessert. Damals war diese Strecke hier nahezu perfekt. Dann hat der Asphalt aber zwischen März und Juli stark abgebaut und daher hatte schon die Formel 1 Probleme."

Unter nassen Verhältnissen konnte Uncini die Strecke nicht besichtigen, weshalb die Probleme vom Renn-Sonntag für die MotoGP-Offiziellen auch nicht absehbar waren: "Der einzige Weg, so etwas vorab festzustellen, wäre, hier mit einem MotoGP-Bike die Strecke bei Regen abzufahren. Und das lässt sich unmöglich organisieren."

Erhöht das Debakel die Chancen für Donington?

Der Vertrag zwischen der MotoGP und Silverstone über den Fixplatz im Rennkalender läuft noch bis 2020. Mit Donington gibt es einen starken Rivalen um die Ausrichtung des Grand Prix von Großbritannien. Vor allem seit der Übernahme der Strecke durch den Motorsport-Unternehmer Jonathan Palmer hegt man dort wieder berechtigte Hoffnungen auf ein Comeback der MotoGP, die man bereits von 1988 bis 2009 beherbergte. Das aktuelle Rennen bekam Silverstone bei der Dorna erst beim Saisonfinale vor neun Monaten unter Dach und Fach. Zudem durfte man lediglich einen Drei-Jahres-Vertrag unterschreiben, während andere Strecken wie Assen oder Katar zuletzt mit Einigungen über zehn Jahre ausgestattet wurden. Silverstone ist also schon länger ein Wackelkandidat im Rennkalender. Das Debakel vom Sonntag war dem Ansehen der Strecke bei der Dorna sicher nicht zuträglich.