Die MotoGP lieferte in Silverstone eine weitere Galavorstellung ab. Andrea Dovizioso holte sich den zweiten Sieg in Folge und übernahm die Führung in der WM-Wertung, weil Marc Marquez der Honda-Motor um die Ohren flog. Hatte der Marquez-Defekt aber auch schlechte Auswirkungen auf das Rennen von Maverick Vinales? "Ich habe dadurch viel Boden auf Dovi und Vale verloren", sagte der Spanier nach dem Rennen. Aber wie viel hat ihn die Rauchwolke tatsächlich gekostet? Und was hat Valentino Rossi in Silverstone falsch gemacht? Die Antworten in der GP-Analyse:

Der Start

Am Start gab es kaum Veränderungen: Rossi und Marquez tauschten die Positionen auf 1 und 2, Crutchlow und Vinales auf 3 und 4, dahinter behielten Lorenzo, Dovizioso und Pedrosa ihre jeweiligen Startplätze bis zum Ende der ersten Runde. Zu gewinnen gab es in Silverstone am Start nichts, das war selbst Lorenzo klar, der zuletzt immer in den ersten Runden sein ganzes Pulver verschossen hatte, um am Ende einzubrechen. "Ich habe mich diesmal für einen konservativeren Start entschieden", sagte er danach. Somit war allen Piloten klar: Silverstone wird ein taktisches Rennen.

Erste Rennhälfte: Rossi führt

Den einzigen Fluchtversuch startete an diesem Tag Valentino Rossi: Schon in der ersten Kurve in Führung, fuhr er in der 3. Runde als Erster eine Rundenzeit unter 2:02 Minuten und hatte am Ende dieser Lap einen Vorsprung von 1,159 Sekunden. Damit hatte der Doktor sein Pulver aber auch schon verschossen. Seine 2:01.855 auf dem dritten Umlauf sollte bis zur Zielflagge seine schnellste Runde bleiben, sein Vorsprung sollte trotz 17 Führungsrunden nie mehr größer werden als zu diesem Zeitpunkt. Runde 3 war auch die einzige, in der Rossi die schnellste Einzelzeit aller Fahrer erzielte.

Ein Blick auf die Rundenzeiten beweist, wie ausgeglichen das Feld in der ersten Rennhälfte unterwegs war. In den Runden 2 bis 10 konnten insgesamt sieben Fahrer die schnellste Einzelzeit erzielen: Alex Rins (Lap 2), Rossi (3), Vinales (4), Dovizioso (5-6 & 9), Crutchlow (7), Zarco (8) und Marquez (10). Die 2:01,560 von Marquez im 10. Umlauf sollte bis Ende des Rennens die schnellste Rennrunde bleiben.

Bei Halbzeit führte Rossi rund eine halbe Sekunde vor Vinales, Marquez und Dovizioso. Mit 1,2 Sekunden Rückstand hielt sich Crutchlow noch in Schlagdistanz.

Ergebnis der ersten Rennhälfte (Lap 1-10):

PFahrerRückstand in Lap 10
1.Valentino Rossi
2.Maverick Vinales+0,498 Sek.
3.Marc Marquez+0,652
4.Andrea Dovizioso+0,688
5.Cal Crutchlow+1,258

Zweite Rennhälfte: Dovi und Vinales drehen auf

Die zweite Rennhälfte brachte schon ab Runde 11 ein signifikantes Ansteigen der Rundenzeiten. Blieb die Topgruppe bis Runde 10 fast durchgehend unter 2:02 Minuten, war diese Marke ab Rennmitte kaum noch zu halten. Rossi und Crutchlow knackten sie überhaupt nicht mehr, Vinales und Marquez nur je einmal Dovizioso immerhin zweimal.

Da sich der Vierkampf hinter Rossi zuspitzte, stiegen die Zeiten zwischen 10. und 11. Lap bei Dovizioso um fast 0,6 Sekunden an, bei Vinales um über 0,7 und bei Marquez um sogar 1,1. Selbst Rossi ließ bei seiner Solofahrt binnen einer Runde um 0,3 Sekunden nach. Vinales fiel in diesem Zeitraum von Platz zwei auf Rang vier zurück. Dass er seinen Platz nicht auf Biegen und Brechen verteidigte, war Teil seines Plans: "Als mich Marc und Dovi überholt haben, wusste ich, dass meine stärkste Zeit in den letzten Runden noch kommen würde", verriet Vinales nach dem Rennen. Denn der Spanier hatte als einziger Fahrer aus dem Spitzenfeld auf den weichen Hinterreifen gesetzt.

Zu Beginn des letzten Renndrittels wurde es plötzlich hektisch. Dovizioso zog - endlich auf Rang zwei angekommen - ab Runde 13 das Tempo an: Mit 2:01,822 und 2:01,843 unterbot er die 2:02er-Marke zweimal in Folge und war damit wieder auf dem Niveau der ersten Rennhälfte angelangt. Marquez wollte eine Flucht des Italieners verhindern und setzt in Lap 13 ebenfalls eine starke 2:01,820.

In Runde 14 war für den Weltmeister aber Endstation, als sein Motor in einer dicken Rauchwolke explodierte. Vinales, aber auch Crutchlow, mussten durch den Rauch des Honda-Motors anbremsen und büßten in ihrer Jagd auch Dovizioso und Rossi wertvolle Zehntelsekunden ein. "Ich hatte echt Angst, denn ich wusste nicht, wie viel Flüssigkeit da austrat. Deshalb habe ich lieber 30 Meter früher gebremst", gestand Vinales nach dem Rennen.

Tatsächlich hielt der Marquez-Defekt Dovis Verfolger auf: Während der spätere Sieger in der verhängnisvollen Lap 14 eine 2:01,843 anschrieb, kamen Vinales und Crutchlow nicht unter 2:02.2. In Lap 13 hatte Vinales 0,737 Sekunden Rückstand auf Dovizioso, einen Umlauf später bereist 1,133. Der Spanier brauchte bis zur 16 Runde, ehe er seinen Abstand auf Dovizioso wieder auf dem Niveau vor Marquez' Motorplatzer hatte. Der Defekt des Konkurrenten warf seine Pläne also um drei Runden zurück.

Gegen Ende ging Vinales also die Zeit aus, denn es waren nur noch vier Runden zu fahren. In der 18. Runde kassierten beide Valentino Rossi, der im Verteidigungsmodus in Lap 18 sogar über eine Rundenzeit 2:03 Minuten abfiel. Der Doktor war am Ende chancenlos, obwohl er über drei Viertel des Rennens geführt hatte.

In den letzten Runden ging es aber nur noch zwischen Dovizioso und Vinales, der im finalen Umlauf voll attackierte: Mit 2:01.701 fuhr er die mit Abstand schnellste Einzelzeit des letzten Rennviertels und seine persönlich zweitbeste Zeit des gesamten Rennens. Letztlich sollte Dovizioso aber um 0,114 Sekunden die Nase vorne haben.

Überraschungsmann Lorenzo

Wie konstant die Ducati mittlerweile über die volle Renndistanz ist, zeigt auch die Performance von Jorge Lorenzo in der zweiten Rennhälfte. Von Lap 10 bis 20 war der Spanier der drittschnellste Mann im gesamten Feld und damit schneller als etwa Rossi oder Crutchlow. Selbst auf Sieger Dovizioso büßte Lorenzo in den letzten zehn Runden nur 0,540 Sekunden ein.

Ergebnis der zweiten Rennhälfte (Lap 10-20):

PFahrerRückstand in Lap 10
1.Andrea Dovizioso
2.Maverick Vinales+0,304 Sek.
3.Jorge Lorenzo+0,540
4.Cal Crutchlow+1,109
5.Valentino Rossi+1,437

"Das war das mein bestes Rennen der Saison", sagte der dreifache MotoGP-Champion danach stolz. Und tatsächlich: In Runde 15, 17 und 18 war Lorenzo der schnellste Fahrer im gesamten Feld. Die neue taktische Ausrichtung - weg von der Soloflucht zu Beginn, hin zu einem starken Finish - hat sich voll ausgezahlt.

Lorenzo war der einzige Fahrer im Feld, der seine schnellste Rennrunde in der zweiten Rennhälfte erzielte (2:01.958 - Lap 11). Er war zudem der vorletzte Fahrer, der eine Runde unter 2:02 Minuten abspulte (2:01.980 - Lap 15) und blieb somit in der zweiten Hälfte des Grand Prix zweimal unter der Marke von 2:02. Das schafften außer ihm nur Sieger Dovizioso und Johann Zarco.