Selten werden in einem MotoGP-Rennen die Reifen eine derart große Rolle spielen wie am Sonntag im Grand Prix von Katalonien. Der schlechte Grip am 13 Jahre alten Asphalt des Circuit de Catalunya in Verbindung mit prognostizierten Streckentemperaturen von bis zu 55 Grad werden die Michelin-Pneus regelrecht auffressen. Die Piloten erwarten einen Abbau in den Rundenzeiten, wie man ihn lange nicht mehr gesehen hat. Einzelne Fahrer rechnen mit mehreren Sekunden.

Natürlich sind die Bedingungen für das gesamte Feld gleich, jeder fährt bei den gleichen Temperaturen auf demselben Asphalt. Allerdings beansprucht nicht jedes Motorrad die Reifen gleich stark und auch die Fahrstile der einzelnen Piloten können am Sonntag in Barcelona den entscheidenden Unterschied machen. Motorsport-Magazin.com prüft die Sieganwärter auf ihre Fähigkeiten im Reifenmanagement:

Dani Pedrosa und Marc Marquez

Nicht nur, dass er in Barcelona zum zweiten Mal in dieser Saison auf der Pole Position steht. Dani Pedrosa gilt auch als der Reifenflüsterer unter den MotoGP-Piloten. "Dani kann mit diesen Bedingungen sicherlich am besten umgehen", stellte am Samstag Repsol-Honda-Teamkollege Marc Marquez fest. Warum ist das so? Zum einen liegt das an den körperlichen Voraussetzungen Pedrosas. Mit 160 Zentimetern und gerade einmal 51 Kilogramm ist er der kleinste und leichteste Pilot im gesamten MotoGP-Feld. Weniger Gewicht bedeutet weniger Last auf den Reifen, was zu geringerem Verschleiß führt.

Bei kühleren Bedingungen bereitet diese Tatsache Pedrosa oft Probleme, weil er nicht genug Temperatur in die Reifen bekommt, um sie optimal arbeiten zu lassen. Im Hitzerennen von Barcelona könnte dieser Faktor aber Gold wert sein. Zudem pflegt Pedrosa einen sehr sauberen und weichen Fahrstil, was sich selbstverständlich ebenfalls positiv auf den Verschleiß auswirkt. Der kleine Katalane ist damit bei seinem Heimrennen der ganz große Favorit.

Mehr Sorgen müssen sich die Fans von Marc Marquez machen. Was das Gewicht betrifft liegt der amtierende Weltmeister zwar im Mittelfeld, allerdings zählt er zu den härtesten Bremsern im MotoGP-Grid. Schon bei Rennen unter normalen Bedingungen stößt er oftmals an die Grenzen des Michelin-Vorderreifens, an diesem Wochenende in Barcelona könnte er in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. "Der Vorderreifen macht mir Sorgen", bestätigte er schon am Freitag. Auf Marquez könnte also ein ganz hartes Rennen zukommen.

Marquez' Stärke in den Bremszonen könnte ihm zum Verhängnis werden, Foto: HRC
Marquez' Stärke in den Bremszonen könnte ihm zum Verhängnis werden, Foto: HRC

Die Ducatis

Die rote Fraktion aus Bologna könnte am Sonntag Dani Pedrosa die große Show vor seinem Heimpublikum vermiesen. Denn die Ducati Desmosedici hat gegenüber den anderen siegfähigen Motorrädern Honda RC213V und Yamaha M1 einen großen Vorteil. Sie beansprucht den Vorderreifen deutlich weniger. "Wir haben an der Front weniger Graining, die Yamahas und Hondas überhitzen da leichter. Das wird uns im Rennen sicherlich helfen", weiß Jorge Lorenzo, der mit Startplatz zwei sein bestes Qualifying-Resultat auf Ducati einfuhr. Er sieht dafür aber Schwächen bei der Traktion am Hinterrad, die man im Warm Up am Sonntag noch ausbügeln will. Gleiches gilt selbstverständlich für seinen Teamkollegen und Mugello-Sieger Andrea Dovizioso, der trotz P7 im Grid optimistisch ist: "Ich glaube, dass wir mit einem guten Start im Rennen ein Wörtchen mitreden können."

Mit Pramac-Pilot Danilo Petrucci gibt es noch einen dritten Piloten auf einer GP17 im Starterfeld. Er qualifizierte sich auf dem hervorragenden dritten Startplatz. Nachdem er in Mugello von P9 noch auf das Podium fahren konnte, sind die Erwartungen an ihn natürlich groß. Er befürchtet aber, dass er aufgrund seines Fahrstils mehr unter der mangelnden Traktion am Hinterrad leiden wird als die Ducati-Werkspiloten: "Ich bin da etwas zu aggressiv am Gas. Die anderen Ducati-Fahrer haben mehr Erfahrung in diesem Bereich, deshalb schaue ich mir ihre Daten auch immer genau an. Ich muss hier noch dazu lernen."

Sorgt Jorge Lorenzo am Sonntag für eine Überraschung?, Foto: Ducati
Sorgt Jorge Lorenzo am Sonntag für eine Überraschung?, Foto: Ducati

Das Yamaha-Lager

Das Barcelona-Wochenende war für Yamaha bislang ein einziges Debakel. Vom Freitag an kam keiner der vier Piloten auf einer M1 wirklich auf Touren, erstmals in der Geschichte des neuen Qualifiyng-Modus mussten alle Yamaha-Fahrer in Q1. Die Startpositionen acht für Jonas Folger, neun für Maverick Vinales, 13 für Valentino Rossi und 14 für Johann Zarco waren die ernüchternde Folge. Allzu große Hoffnungen, dass es im Rennen am Sonntag nach vorne geht, sollte man sich bei Yamaha nicht machen.

Denn im Gegensatz zur Konkurrenz von Honda oder Ducati hat man nicht nur mit einem Reifen Probleme. Sowohl am Vorder- als auch am Hinterrad sind der Grip zu gering und der Verschleiß zu hoch. Auch sämtliche Setup-Veränderungen im Laufe des Wochenendes konnten daran nichts ändern. Bessere Karten als die Werksfahrer haben in der Hitze wohl noch die Tech3-Piloten Folger und Zarco. Dass ihre M1 des Modelljahrgangs 2016 bei hohen Temperaturen deutlich besser funktioniert, war bereits in Jerez klar zu sehen. "Das letztjährige Bike fühlt sich unter solchen Bedingungen besser an", bestätigte am Samstag Valentino Rossi, der im Vorjahr den Katalonien-GP ja noch gewann.

Ein möglicherweise zusätzlicher Vorteil für Folger: Da alle Fahrer am Sonntag sehr darauf bedacht sein werden, ihre Reifen nicht schon in der Startphase zu verheizen, wird das Tempo zu Beginn wohl eher niedriger sein. Genau in dieser Phase hatte der Deutsche bislang Probleme, mit der Pace der Spitzenpiloten Schritt zu halten. Vielleicht spielt ihm am Sonntag also der Rennverlauf etwas in die Hände.