Das scheinbar Unmögliche ist beim San Marino-GP in Misano Realität geworden: Erstmals in der 67-jährigen Geschichte der Motorrad-WM gab es in der höchsten Kategorie acht verschiedene Sieger in Folge. Diese Rekordserie wurde von einem Mann perfekt gemacht, den es wohl alle im Paddock von Herzen gegönnt haben: Dani Pedrosa. Nach einem problembehafteten Jahr wirkt dieser Sieg wie ein Befreiungsschlag für den Repsol-Honda-Pilot. In der Rennanalyse dreht sich deshalb dieses Mal alles um das Duell Rossi vs. Pedrosa und darum, wie Pedrosa in Misano ein derart aufsehenerregendes Sieg-Comeback feiern konnte.

Duell Rossi vs. Pedrosa in Misano: Ein Rennen in zwei Etappen

Etappe 1 (Rossi führt und kontrolliert): Valentino Rossi machte schnell seine Ambitionen auf den Heimsieg klar. Bereits in der ersten Schikane zeigte er Maverick Vinales, wo der Hammer hängt und ging außen in Kurve eins neben ihm, um für Turn zwei die bessere Linie zu haben. Rossi wollte auf jeden Fall eine Solo-Flucht von Lorenzo verhindern. Doch Rossi erkannte schnell, dass er eine höhere Pace als Lorenzo, daher fackelte der Doktor nicht lange und ging schon in Runde zwei vorbei. Rossi zur Situation: "Ich war in Mugello schon hinter Jorge und das hat mir kein Glück gebracht. Deshalb wollte ich rasch vorne sein."

Anschließend konnte sich Rossi ein kleines Polster von knapp einer Sekunde herausarbeiten. "Als ich an Jorge vorbei war, habe ich bis ans Maximum gepusht, aber es war nicht einfach. Ich hatte die Pace, um vorne zu bleiben, aber nicht um wegzuziehen. Das ist physisch sehr anstrengend. Ich konnte 33,2 alleine fahren vorne, das war eine gute Pace. Ich habe gesehen, dass ich diese eine Sekunde Vorpsrung kontrollieren konnte", berichtete Rossi nach dem Rennen. Die Grafik unten zeigt, wie gut Rossi seinen Vorsprung an der Spitze verwalten konnte. Zwischen Runde fünf und Runde 16 betrug der Abstand nach hinten stets zwischen 0,8 und 1,2 Sekunden. In Runde 17 schließlich lag Pedrosa an zweiter Stelle und fuhr die Lücke zu.

Dass sich an diesem Tag ausgerechnet Dani Pedrosa zu Rossis schärfstem Konkurrent um den Sieg herauskristallisieren würde, glaubte in der Anfangsphase noch keiner, nicht einmal Pedrosa selbst. Der Repsol-Honda-Pilot kämpfte sich mühsam von Startplatz acht aus nach vorne und lag nach sieben Runden schließlich auf Rang vier. Danach brauchte Pedrosa einige Umläufe, um seinen eigenen Rhythmus zu finden. Ab Runde elf jedoch war Pedrosa nicht mehr aufzuhalten und blies zur Aufholjagd. "Ich habe nach und nach gesehen, wie ich aufgeholt habe. Ich habe nicht an den Sieg gedacht bis zehn Runden vor Schluss. Ich habe gesehen, dass ich um das Podest kämpfe, aber nicht um den Sieg", war Pedrosa zunächst jedoch nur vorsichtig optimistisch.

Etappe 2 (Pedrosa braust unaufhaltsam zum Sieg): 2,999 Sekunden lag Pedrosa am Ende von Runde zehn hinter Rossi - und genau 2,9 Sekunden davon hat der Spanier innerhalb der nächsten elf Umläufe wettgemacht. Die Grafik unten verdeutlicht den Unterschied in der Pace von Rossi und Pedrosa. Dabei muss man aber auch noch bedenken, dass Pedrosa im selben Zeitraum noch Marc Marquez und Jorge Lorenzo überholen musste! "Ich wusste, dass ich keine Zeit verschwenden darf, wenn ich Vale einholen will", war sich Pedrosa im Klaren. Marquez packte er daher gleich bei der erstbesten Gelegenheit, während er hinter Lorenzo noch zwei Runden warten musste, ehe sich ihm die Chance bot.

Danach war Rossis Vorsprung von 1,2 Sekunden auch schnell Geschichte. Innerhalb von drei Umläufen stellte Pedrosa den direkten Anschluss zu Rossi her. Ähnlich wie zuvor schon mit Lorenzo, wartete Pedrosa auch dieses Mal auf eine Chance zum überholen und ergriff sie gleich beim ersten Mal. In Runde 22 fand Pedrosa eine Lücke in Kurve vier, stach hinein und drückte sich hart aber fair an Rossi vorbei. "Bei Vale ist es immer schwierig auszuwählen, wo man überholt. Er war in vielen Kurven stark. Aber dort, wo ich überholen konnte, kam ich davor in der Kurve sehr knapp raus. Ich musste mein Bremsmanöver anpassen, damit ich reinstechen konnte. Ich habe zu tief in die Kurve hineingebremst, konnte mich aber innen halten", beschrieb Pedrosa das Manöver, das ihm den Sieg brachte.

Ein direkter Konter noch in der gleichen Runde misslang Rossi - zu stark war Pedrosa unterwegs. Doch Rossi gab nicht auf und mobilisierte für den Heimsieg die letzten Kräfte. "Ich habe verloren, als er mich überholt hatte. Eine Runde lang habe ich versucht, mich anzuhängen, aber ich musste über das Limit gehen. Daher konnte ich am Ende nichts mehr machen", gestand sich Rossi schließlich die Niederlage ein. Bis vier Runden vor Schluss konnte sich Rossi innerhalb von 0,5 Sekunden zu Pedrosa halten, doch in der drittletzten Runde verlor der Doktor schließlich den Anschluss. Denn dort büßte Rossi alleine 0,6 Sekunden ein. Ungefährdet fuhr Pedrosa schließlich mit 2,8 Sekunden Vorsprung über die Ziellinie.

Drei Schlüsselfaktoren für Pedrosas Sieg in Misano

1. Reifenwahl: Ein entscheidender Faktor für Pedrosas Sieg lag in seiner Wahl des Vorderreifens. Hinten war sich das MotoGP-Feld einig, alle 20 Starter entschieden sich für den Medium-Reifen. Auch vorne entschied sich der Großteil (15 von 20 Piloten) für die Medium-Variante. Marc Marquez und das Suzuki-Duo Maverick Vinales und Aleix Espargaro dagegen schmierten mit dem harten Vorderreifen ab. Einzig Michele Pirro und Dani Pedrosa gingen den riskanten Weg und schnallten vorne den Soft-Reifen auf. Pedrosa wusste, dass der Schuss auch nach hinten losgehen kann.

"Ja, ich hatte am Start Angst. Ich habe diesen Reifen noch nie bei so heißen Temperaturen benutzt. Mein Gefühl damit war gut. Ich war am Start und habe mich seltsam gefühlt, weil ich fast der Einzige mit diesem Reifen war. Als ich gestartet bin, war das Gefühl aber besser, und ich konnte die starke Pace bis zum Schluss halten." Für Rossi dagegen war es unmöglich, mit dem weichen Vorderreifen ins Rennen zu gehen: "Für mich gab es nicht die Chance, den Reifen von Dani zu wählen. Mit den Michelins muss jeder den richtigen Reifen für sich selbst wählen und nicht DEN richtigen Reifen. Medium war daher für uns die richtige Wahl."

2. Temperaturen: Die Umstellung von Bridgestone auf Michelin-Reifen hat besonders Dani Pedrosa hart getroffen. Der Repsol-Honda-Pilot tut sich aufgrund seiner schmächtigen Statur besonders schwer, die Michelin-Reifen in das richtige Temperaturfenster zu bekommen. Immer dann, wenn es kalt oder nass war, fiel Pedrosa immer drastisch zurück. Doch in Misano war das anders. Mit 28 Grad Luft- und 43 Grad Streckentemperatur hatte Pedrosa keine Mühe, seine Reifen auf Betriebstemperatur zu bringen. Bei solch heißen Bedingungen ist Pedrosas Statur sogar ein Vorteil: Pedrosa belastet die Reifen weniger und schont sie deshalb besser als seine Konkurrenten.

3. Honda-Fortschritt: Der dritte Faktor für Pedrosas Sieg ist die aufsteigende Form bei Honda. Man hat bei der Honda RC213V in jüngster Vergangenheit erhebliche Fortschritte bei der bisherigen Achillesferse Beschleunigung gemacht. Das ist auch der Konkurrenz nicht entgangen: "Sie haben die Beschleunigung aus den Kurven heraus verbessert und ihr Bike ist jetzt agiler bei Richtungswechseln", ist Rossi in der Schlussphase des Rennens aufgefallen. Die Honda verliert zwar immer noch in den Beschleunigungszonen aus den Kurven heraus. Doch das neue Chassis, das laut Pedrosa erstmals beim Brünn-Test verwendet wurde, zeigt bereits jetzt Wirkung.