Andrea Iannone ist verdammt schnell. Andrea Iannone ist verdammt ehrgeizig. Andrea Iannone ist verdammt rücksichtslos. Eine Kombination aus drei Faktoren, die den 26-jährigen Italiener oft dazu treibt, zwischen Genie und Wahnsinn zu schwanken. Topspeed-Rekorde (aktuell 351,2 km/h) und spektakuläre Überholmanöver wechseln sich mit Ausrutschern und Harakiri-Aktionen ab. Wie der Argentinien GP bewiesen hat, schwenkt das Pendel aktuell eher in Richtung Wahnsinn. Und das auch noch zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt einer enorm wichtigen Saison. Hat die MotoGP schon bald ihren eigenen Pastor Maldonado?

Was war in Argentinien passiert? In der letzten Runde steuerte Ducati auf ein Traumresultat zu. Dovizioso und Iannone glitten im Parallelflug dem Zielstrich entgegen, als plötzliche Dr. Jekyll Iannone zu Mr. Hyde aka "The Maniac" wurde. In der letzten Kurvenkombination setzte er eine übermütige Attacke, verlor seine Ducati und räumte seinen Teamkollegen gleich mit ab. 36 WM-Punkte landeten im Kies, von denen Dovizioso immerhin noch drei retten konnte, als er sein Motorrad die letzten Meter über die Ziellinie schob. Rügen regnete es danach nicht nur vom abgeräumten Dovizioso, sondern auch von Valentino Rossi, der Iannones Fahrweise im Duell mit ihm selbst scharf kritisierte.

Dabei hatte es im Vorjahr so ausgesehen, als könnte sich Iannone als Werksfahrer endlich konsolidieren. In seinem elften Jahr in der Motorrad-WM stellte sich unter dem Factory-Banner von Ducati endlich so etwas wie Konstanz ein. 14 Rennen, in denen er stets in den Top-8 und in 50 Prozent davon sogar in den Top-4 landete. Der einstige Crash-Pilot ging als WM-Vierter in den Saison-Endspurt und ließ den grundsoliden Dovizioso bis dahin recht alt aussehen.

Übermut tut selten gut

Ob der vielversprechenden Wintertests von Ducati sahen viele Iannone vor Saisonstart bereits als Anwärter auf Rennsiege. Davon kann nach den ersten beiden Rennen kaum mehr die Rede sein. 0 Punkte nach zwei Events. Zusammen mit seinem Crash beim Saisonfinale 2015 in Valencia hält Iannone mittlerweile bei drei selbst verschuldeten Ausfällen in Folge. Und das zum vielleicht schlechtesten Zeitpunkt dieser Saison.

Wie die Verträge von fast allen MotoGP-Fahrern, läuft auch jener von Iannone am Saisonende aus. Wie nervös alle Akteure am Transfermarkt sind, zeigt der Umstand, dass schon im Rahmen des ersten Saisonrennens zwei Fahrer (Rossi bei Yamaha, Smith bei KTM) ihre Verträge für 2017 unterzeichnet hatten. Nie brauchte man gute Ergebnisse mehr als jetzt. Bei Ducati kommt erschwerend hinzu, dass man Jorge Lorenzo mit einem großen Geldsack in der Hinterhand anbaggert und womöglich für 2017 nur noch ein Platz zu vergeben ist.

Ja, Andrea Iannone ist verdammt schnell. Aber in dieser Saison braucht es mehr als das, um gute Ergebnisse ins Trockene zu bringen. Die teilweise unberechenbaren Reifen und die Einheitselektronik bestrafen übermütige Manöver mehr als das Bridgestone und Homemade-Software taten. Oft ist am Gasgriff in den kommenden Wochen Monaten also weniger mehr. Aber ob das zu Andrea Iannone durchdringt? Oder verbreitet der Italiener in der MotoGP bald Angst und Schrecken wie in der Formel 1 bis zum Vorjahr Pastor Maldonado? Dessen Ausfallsrekord liegt bei neun. Etwas Schonfrist darf man Iannone also noch einräumen.