Der MotoGP-Saisonauftakt 2016 in Katar brachte einige Überraschungen mit sich. Manche überraschten positiv, andere eher negativ. Motorsport-Magazin.com hat sich das Wochenende nochmal genau angesehen und dabei die schönsten und weniger schönen Überraschungen herausgesucht.

Die positiven Überraschungen:

Drei Hersteller auf dem Podium: Die Startaufstellung des Katar-GPs war von der ersten bis zur vierten Reihe in Nationen unterschieden. Spanien, Italien, Spanien und Großbritannien war die Reihenfolge vor dem Start. Von so viel Einheitlichkeit war auf dem Podium später aber keine Spur. Zwar überwog die spanische Nation zwei zu eins, aber wenigstens die Markenvielfalt blieb erhalten. Jorge Lorenzo auf der Yamaha gewann, Andrea Dovizioso auf der Ducati folgte und Marc Marquez auf der Honda komplettierte das Trio.

Für die Spannung in der MotoGP ist dieses Ergebnis mehr als zuträglich. Es bedeutet, dass drei von fünf Marken in der Königsklasse konkurrenzfähiges Material liefern und Fahrer haben, die in der Lage sind, um den Sieg zu kämpfen. Suzuki fehlt in diesem Konstrukt, allerdings dürfte das an den unglücklichen Umständen des Wochenendes gelegen haben. Im ersten Rennen des Jahres konnte sich allerdings kein Team absetzen und gilt als klarer Favorit. Für die Zukunft verspricht dies noch spannendere Rennen.

Schnellere Pace: Zwar fanden die MotoGP-Artisten nach den ersten Testfahrten des Jahres statt unentwegten Schimpftiraden auch positive Worte für die neuen Michelin-Pneus, mit einer derart schnellen Pace hat jedoch niemand gerechnet. "Die Pace war wirklich eine Überraschung, Michelin hat einen tollen Job gemacht", lobte Valentino Rossi nach dem Rennen. Rennsieger Lorenzo schlug im Rennen die im Vorjahr gefahrene Bestzeit von Valentino Rossi um 0.034 Sekunden.

In den Freien Trainingssessions mussten sich die Fahrer noch an die Pneus gewöhnen, die Zeiten aus dem ersten, zweiten und vierten Freien Training waren noch langsamer als die Vorjahres-Zahlen. Auch beim Qualifying am Sonntag haperte es noch, am Sonntag kam es dann jedoch gleich faustdick. Im Warm-Up pulverisierte Marquez seine Bestzeit aus dem letzten Jahr um 0,419 Sekunden. Auch im Rennen war Lorenzo schneller als Rossi im vergangenen Jahr. Das lässt auf ein erneutes Zeiten-Spektakel in Argentinien hoffen. In Termas de Rio Hondo hat noch kein Fahrer Erfahrungen mit den neuen Pneus sammeln können, weshalb die Umstellung für alle gleich schwer sein wird.

Ab 2017 KTM-Werksfahrer: Bradley Smith, Foto: Tech 3
Ab 2017 KTM-Werksfahrer: Bradley Smith, Foto: Tech 3

Bradley Smiths Wechsel zu KTM: Kurz nach Beginn der Silly Season haben zwei Fahrer ihre Verträge für die nächsten zwei Jahre bereits unterschrieben. Einer von ihnen ist Bradley Smith, der im kommenden Jahr für die Neueinsteiger KTM an den Start geht. Eine überraschende Entscheidung, mit der sicher niemand gerechnet hat. Nach vier Jahren in der Königsklasse beim Kundenteam Tech3 ist es für Smith nun der erste Werksvertrag.

Das Totschlagargument für den Wechsel zu KTM war für Smith die Entwicklungsarbeit. "Ein Motorrad vom Reißbrett weg zu begleiten und der Austausch mit den Ingenieuren - das sind die interessanten Faktoren an diesem Projekt", erklärte Smith am Katar-Wochenende. "Ich muss nicht mehr mit dem auskommen, was mir vorgesetzt wird, sondern kann mit eigenen Ideen an Verbesserungen arbeiten." Nach vier Jahren MotoGP-Erfahrung, dem sechsten Rang in der Gesamtwertung 2015 und damit verbunden der Ehrung als bester Satelliten-Fahrer hat Smith sich diesen Platz auch hart erarbeitet.

Die negativen Überraschungen:

Suzuki: Rossi war sich sicher, dass man schon beim Katar-GP mit Maverick Vinales rechnen müsste. Nachdem Vinales bereits bei den Testfahrten brilliert hatte und an Tag zwei sogar die Bestzeitenliste anführte, lag dieser Gedanke mehr als nahe. Doch am Rennwochenende kam alles anders. Nicht nur Vinales, sondern auch sein Teamkollege Aleix Espargaro waren entsetzt. "Im Warm Up hatte ich dann einen der schlimmsten Momente meiner MotoGP-Karriere! Ich war komplett verzweifelt, das Gefühl war ein Desaster", beschwerte sich Espargaro hinterher.

Probleme löste bei Suzuki nicht nur das Gefühl aus, sondern auch das Seamless-Getriebe und die Reifen, wie Vinales bereitete: "Der Grip war sehr gering und ich habe meine Reifen bei dem Versuch, Dani zu überholen, zerstört. Auch das Seamless-Getriebe müssen wir weiter ausprobieren." Vom Gefühl der Testfahrten ist am Katar-Rennwochenende bei Suzuki also nicht viel übrig geblieben. Den nächsten Angriff auf den ersten MotoGP-Sieg kann Vinales erst in Argentinien starten.

Stallkrieg bei Yamaha: So schnell hätte man mit einem erneuten Anfall von Verbalkrieg in der Yamaha-Box nicht gerechnet. Beteuerten sowohl Rossi, als auch Lorenzo vor Saisonbeginn, wie viel Respekt man voreinander habe, war dieser noch vor dem ersten Rennbeginn wieder vergessen. Grund dafür: der Yamaha-Vertragspoker und Animositäten auf der Strecke.

Rossi sprach Lorenzo den Mut für einen Wechsel zu Ducati ab, Lorenzo stellte fest, dass Rossi wohl auch kaum andere Möglichkeiten als Yamaha gehabt hätte, um in der MotoGP zu bleiben. Auf der Strecke beschuldigte Rossi Lorenzo, ihn im FP4 auf einer schnellen Runde behindert zu haben. Lorenzo antwortete darauf mit einem Schulterzucken und einer "Was willst du eigentlich?"-Handbewegung. Nach dem gewonnenen Rennen am Sonntag setze er noch einen drauf und krönte das Ganze mit einer "Mund halten"-Geste. Ein Wink in Richtung seines Teamkollegen? "Ich glaube nicht, dass er mich gemeint hat", erwidert Rossi darauf, jedoch mit einem Zwinkern. Der Verbal-Krieg zwischen den Yamaha-Piloten ist also wieder ausgebrochen. Gut für die MotoGP, schlecht für den Sport.

Danilo Petrucci: Während der Testfahrten auf Phillip Island lief es für Danilo Petrucci noch so gut. Am ersten Sessiontag fuhr er die schnellste Zeit des Tages, am letzten Tag folgte dann der Sturz und die üble Verletzung. Drei gebrochene Knochen in der rechten Hand machten es Petrucci unmöglich, an den Testfahrten in Katar teilzunehmen. Ducati-Testfahrer Michele Pirro sprang für den verletzen Pramac-Piloten ein, der zum Saisonbeginn jedoch wieder fit sein wollte.

Petrucci begann das Wochenende zunächst auch ganz normal, musste aber nach dem dritten Freien Training feststellen, dass seine inzwischen wieder verheilte Hand erneut gebrochen war. Petrucci, sein Team und die Ärzte aus der Clinica Mobile entschieden, dass der Renneinsatz für Petrucci damit unmöglich wäre. Erst in Jerez wird der Italiener wieder am Start sein. Schade, nach so einer vielversprechenden Vorsaison. Wer seinen Platz auf der Pramac-Ducati bis dahin einnimmt, ist noch unklar. Casey Stoner jedenfalls sagte bereits ab.

Die zweigeteilten Überraschungen

Ducati: Bei Ducati blickt man auf das vergangene Katar-Wochenende sicher mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. Auf dem Losail Internationcal Circuit sollte endlich der erste Sieg seit Casey Stoner 2010 gelingen. Mit Andrea Iannone in der Führungsposition sah es so aus, als könnte dieser Traum Wirklichkeit werden. Doch Iannone stürzte und konnte nicht mehr am Rennen teilnehmen.

Die Hoffnung Ducatis auf einen Sieg blieb somit an Dovizioso hängen, der alles gab, um sich gegen Jorge Lorenzo durchzusetzen. Im Endeffekt musste sich der Italiener Lorenzos Übermacht jedoch beugen, konnte Marquez auf der Honda aber in die Schranken weisen. Ein großer Erfolg, bedenkt man die Probleme, die Ducati noch vor ein paar Jahren hatte. Somit ist am Katar-Wochenende für die Roten doch noch nicht Hopfen und Malz verloren gewesen.

Honda: Anderes Team, ähnliches Spiel. Auch im Hause Honda sieht man den Katar-GP mit Sicherheit zwiegespalten. Champion Marquez schlug sich zuletzt wirklich gut und fuhr aufs Podium. Am allerwenigsten hätte mit diesem Ergebnis Marquez selbst gerechnet: "Wenn mir jemand am Mittwoch gesagt hätte, dass ich aufs Podium fahren würde, hätte ich ihn nur gefragt, wo ich das unterschreiben soll", scherzte der ehemalige Weltmeister. Nach der Beseitigung einiger Probleme in Sachen Elektronik und der Umgewöhnung an die Michelin-Pneus läuft es zumindest für Marquez wieder besser.

Bester Honda-Pilot: Marc Marquez, Foto: Repsol Media
Bester Honda-Pilot: Marc Marquez, Foto: Repsol Media

Die restlichen Honda-Piloten schauten allerdings in die Röhre. Marquez' Teamkollege Dani Pedrosa schaffte es nur auf den fünften Rang und auch das nur, weil Vinales hinter ihm mit sich selbst genug zu tun hatte. Für Cal Crutchlow lief es noch schlimmer. Der Brite stürzte zu Beginn des Rennens. Schuld daran war die Einheits-ECU von Magneti Marelli. "Die Elektronik hat nicht richtig funktioniert. Sie wusste nicht, wo ich auf der Strecke gerade war", schimpfte Crutchlow. "Der Grund für meinen Sturz war, dass, als ich das Gas zudrehte, das Ding einfach weiterfuhr. Ich hatte keine Motorbremse. Die Motorbremse setzte auf der Geraden oder mitten in den Kurven ein, aber am Kurveneingang hatte ich gar nichts. Als ich in Turn 4 crashte, fuhr ich etwa 60 km/h schneller in die Kurve als sonst, obwohl ich früher gebremst hatte." Für Team und Elektronik-Hersteller wird es nun höchste Zeit, diesen Fehler zu beheben, die den Fahrer zusätzlich in unnötige Gefahren bringt.

Elektronik: Genau aus diesem Grund steht auch die Elektronik auf der Liste der fragwürdigen Überraschungen. Für manche Fahrer funktionierte sie, für andere Fahrer wurde es wirklich gefährlich. Am Beispiel Crutchlow wurde deutlich, wie gefährlich eine unausgereifte Technik sein kann. Doch auch Stefan Bradl und Iannone stürzten, jedoch aus anderen Gründen. Bradl gab den Reifen die Schuld, Iannone rutschte auf der Streckenbegrenzung aus.

Doch am Wochenende gab es auch Gegenbeispiele, die für die Funktionsfähigkeit der Einheits-ECU sprachen. Rossi zum Beispiel zeigte sich positiv, wenn auch in Maßen. "Die Elektronik ist zwar nicht so gut wie letztes Jahr, hat aber trotzdem sehr gut funktioniert. Das Rennen war schneller als letztes Jahr und das war schon ziemlich schnell." Auch Lorenzos überlegene Leistung und Pace bewiesen, dass Leistungen auf Top-Niveau auch nach der Umstellung auf Einheitselektronik möglich sind.