Valentino Rossi ist voll auf Angriff gebürstet. Das für ihn bittere Ende der Saison 2015 scheint ihm noch immer im Magen zu liegen, denn so aggressiv wie beim diesjährigen MotoGP-Auftakt in Katar hat man den Altmeister selten gehört. Zunächst griff er Jorge Lorenzo bereits radikal an, nachdem der ihn im vierten Freien Training blockiert hatte. Richtig zur Höchstform lief Rossi dann aber beim Thema Vertragspoker auf.

Rossi und Yamaha gaben ja bereits am Samstag in Katar bekannt, dass ihre Partnerschaft bis 2018 verlängert wird, er also noch weitere zwei Saisons im Team fahren wird - ein ungewöhnlich früher Zeitpunkt für eine Vertragsverlängerung. Besonders pikant ist die Verlängerung, weil es ursprünglich Lorenzo war, der erklärte, er würde seinen Vertrag mit Yamaha gerne noch vor Saisonstart verlängern.

Lorenzo zögert mit Yamaha-Verlängerung

Die Möglichkeit dazu hatte Lorenzo auch, wie Yamahas Motorsportchef Lin Jarvis verrät: "Wir haben den Vertrag vorbereitet. Es ist das beste Angebot, dass Jorge in seiner Karriere jemals hatte. Das hat sein Management bestätigt. Ein für ihn noch besseres Angebot wird es nicht geben, er hat sich aber noch mehr Bedenkzeit erbeten." Die einhellige Meinung im MotoGP-Paddock ist, dass sich Lorenzo zwischen Yamaha und Ducati entscheiden wird. Das vermutet auch Jarvis: "Ich denke, dass es um Ducati geht. Honda hat bereits einen absoluten Spitzenpiloten, Ducati hingegen will anscheinend einen Fahrer aus den Big Four, um ihr Projekt auf das nächste Level zu bringen."

Müssen Dovizioso oder Iannone für Lorenzo weichen?, Foto: Ducati
Müssen Dovizioso oder Iannone für Lorenzo weichen?, Foto: Ducati

Das Interesse von Seiten Ducatis ist definitiv da. "Es gibt nur zwei Fahrer, die in den letzten vier Jahren Weltmeister geworden sind: Marquez und Lorenzo. Daher müssen diese beiden Fahrer bei jedem Team im Paddock, das gewinnen will, ein Thema sein", überlegt Ducatis-Sportdirektor Paolo Ciabatti im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Wir sind zufrieden mit unseren beiden Andreas, aber wir schauen uns auch außerhalb unseres Teams um." Auch Lorenzo dürfte Ducati nicht abgeneigt sein. Rossi glaubt dennoch, dass ihm sein Teamkollege bei Yamaha erhalten bleiben wird. Der Grund dafür ist alles andere als schmeichelhaft. "Um zu Ducati zu gehen, musst du wirklich mutig sein. Dafür brauchst du Eier. Deshalb glaube ich, dass Jorge bei Yamaha bleiben wird", ätzte Rossi. Starke Worte des Doktors, der 2011 und 2012 bei Ducati ja selbst kläglich gescheitert war und ohne einen einzigen Sieg blieb.

Sprunghafter Rossi vs. treuer Lorenzo

Freilich zog Rossi aber vor der Saison 2004 den mutigen Wechsel von Honda zu Yamaha durch, tauschte damals also die überlegene Honda gegen die in der Vorsaison noch chancenlose M1 ein. Ein Schritt, wie ihn Lorenzo bisher noch nicht gewagt hat, fährt er doch seit seinem MotoGP-Aufstieg 2008 ausschließlich für Yamaha. Genau das sieht Lorenzo aber als seinen Trumpf im Vertragspoker. "Ich bin in einer ganz anderen Situation als Valentino", erläutert er. "Ich hatte noch nie ein Problem in einem anderen Team, also habe ich mehr Optionen. Bei Valentinos Vergangenheit und seinem Alter hatte er ja praktisch keine andere Wahl", schießt Lorenzo zurück.

Lorenzo scheint die Wahl zu haben. Yamaha ist noch bereit zu warten. Es gibt aber eine Deadline für Lorenzo, das stellte Lin Jarvis am Samstag klar. Das genaue Datum wollte er jedoch nicht nennen. Fest steht nur, dass es sich bei Lorenzos neuem Yamaha-Vertrag um einen Kontrakt über zwei Jahre handeln würde, so wie bei Rossi. Klar ist für Jarvis auch, dass Lorenzo bis zum Saisonende die vollste Unterstützung seines Teams genießen wird, egal ob er bei Yamaha bleibt oder nicht: "Wir haben einen bestehenden Vertrag. Was in der Zukunft passiert, hat keinerlei Auswirkung auf die aktuelle Saison."