Pro: Marquez Hilfestellung offensichtlich

Ja, Marc Marquez hat Jorge Lorenzo geholfen. Besonders in den letzten Runden der Valencia-Schlacht war es ziemlich offensichtlich. Der Grund für diese unerwartete Hilfestellung ist aber sicher keine pure Nächstenliebe seitens des nun ehemaligen Weltmeisters gewesen. Im Gegenteil, mit Jorge Lorenzo als Person hatte diese Aktion sicher herzlich wenig zu tun. Das, was Valentino Rossi seinem Kontrahenten seit Wochen vorgeworfen hat, ist nun tatsächlich eingetreten. Für Marquez ist Lorenzo einfach das kleinere Übel. Rossi hat nun mit den Geistern gekämpft, die er selber rief.

Nach den Worten und Taten, die der Doktor Marquez in Phillip Island und Sepang an den Kopf geworfen hat, ist der Frust auf Seiten des Spaniers zwar irgendwie verständlich, aber deshalb erneut in den WM-Kampf eingreifen? Kein besonders fairer Schachzug des 22-Jährigen. Eigentlich sollte der Abschluss der Weltmeisterschaft ohne Eingriffe verlaufen, doch auch, wenn man Marquez natürlich nichts nachweisen kann, hat er mit offensichtlicher Absicht in den Kampf eingegriffen. Der Spanier ist scheinbar ein normales und definitiv faires Rennen gefahren. Keine Berührungen, keine langen Blicke, kein Nichts.

Zwischen Lorenzo und Marquez ging es auch auf der Strecke freundschaftlich zu, Foto: HRC
Zwischen Lorenzo und Marquez ging es auch auf der Strecke freundschaftlich zu, Foto: HRC

Was auf der Strecke fair ist, muss abseits davon aber nicht zwangsläufig richtig sein. Auch wenn Rossis Verhalten in Sepang keine Leistung war, auf die der Doktor im Nachhinein besonders stolz wäre, so hätte Marquez doch wenigstens aus dem schlechten Beispiel Rossis lernen können. Um zu sehen, wie man es eben nicht machen sollte. Als mehrfacher MotoGP-Champion sollte auch ein 22 Jahre junger Mann diese Größe haben. Ganz sicher war da die Intention, kein Manöver gegen Lorenzo zu starten. Gegen Teamkollege Dani Pedrosa, der gegen Rennende widererstarkte, konnte sich Marquez sehr wohl und ohne große Probleme durchsetzen. Warum das gegen Lorenzo nicht gelungen ist? Ganz einfach, weil er es nicht wollte. Ein faires Rennen sieht anders aus.

Contra: Marquez will aus der Schusslinie

Zugegeben, ein gutes Bild gaben die letzten Runden von Marc Marquez beim Saisonfinale nicht unbedingt ab. Dass die Vorwürfe, er würde für Jorge Lorenzo fahren, wieder laut werden, ist nicht verwunderlich. Aber wollte der Weltmeister von 2014 in Valencia wirklich unbedingt Jorge Lorenzo zu seinem Nachfolger machen? Einige Dinge sprechen dagegen. Da ist zum einen die Tatsache, dass Marc Marquez etwaige Erfolge nicht nur für sich selbst einfahren muss. Hinter ihm stehen ein Team, ein Werk und unzählige Sponsoren, die von ihm erwarten, dass er stets sein Bestes gibt. Diese nach dem Sepang-Clash noch einmal zu verärgern, wollte Marquez wohl kaum riskieren. Vor allem nach der klaren Vorgabe von Honda, die Saison mit einem Doppelsieg beenden zu wollen, um all den Spekulationen um spanische Schützenhilfe den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Ein zweites Sepang wollte Marquez mit Sicherheit nicht, Foto: Milagro
Ein zweites Sepang wollte Marquez mit Sicherheit nicht, Foto: Milagro

Was außerdem für Marquez spricht, ist seine Mentalität. Er ist ein Vollblutrennfahrer, wie er im Buche steht. Und als solcher ist ihm nichts wichtiger, als zu gewinnen. Das gilt für jedes Rennen, besonders aber für diesen Grand Prix von Valencia. Nach der bisher schwersten Saison seiner Karriere hatte sich Marquez wohl nichts sehnlicher gewünscht, als das Jahr wenigstens mit einem Rennsieg zu beenden und so voller Selbstvertrauen in die Saison 2016 starten zu können. Einen Sieg vor über 110.000 Fans im eigenen Land würde sich darüber hinaus vermutlich ohnehin kein Rennfahrer auf diesem Planeten freiwillig entgehen lassen.

Am allermeisten gegen einen weiteren Anti-Rossi-Feldzug von Marquez sprechen aber die zwei Wochen nach Sepang. Was da auf den 22 Jahre jungen Spanier eingeprasselt war, ist eine Schande für die MotoGP und jeden anständigen Menschen. Natürlich war Marquez Fahrweise in Sepang nicht okay, aber ihn deshalb auf seinem eigenen Grundstück zu belästigen oder ihm mittels Fotomontagen eine homosexuelle Beziehung mit Jorge Lorenzo zu unterstellen, ist einfach nur dumm und widerlich. Vor allem aber ist das auch für den hartgesottenen Racer Marc Marquez schwer zu verdauen, weshalb er mit Sicherheit kein Interesse hatte, noch einmal so in die Schusslinie zu geraten. Er konnte am Sonntag Lorenzo einfach nicht risikolos angreifen und in einem Rennen wie diesem, ist es dann besser, keine Attacke zu wagen.