Herr Beirer, wie ist der aktuelle Stand der Dinge bei KTM bezüglich des MotoGP-Einstiegs?

Pit Beirer: In dieser Phase des Projekts gibt es wenig spektakuläre News, weil die ganze Arbeit derzeit noch in den Computerprogrammen abläuft. Hier werden im Moment alle Teile des Motorrads designt und geplant. Die Teile des Motors sind aber bereits fertig und wir beginnen demnächst, den Motor aufzubauen. Mitte Juli soll der Motor zum ersten Mal am Prüfstand laufen. Das ist der erste Meilenstein, an dem man endlich etwas Messbares in der Hand hat. Das wird ein spannender Moment.

Dem ursprünglichen Zeitplan hinkt man damit aber ein wenig hinterher, denn in unserem Gespräch im Dezember war ja noch die Rede, dass der Motor noch im April oder Mai laufen soll. Hat man den Aufwand etwas unterschätzt?

Pit Beirer: Wir haben den Zeitaufwand der Personalsuche ein wenig unterschätzt, um ehrlich zu sein. Im letzten halben Jahr gab es viele Gespräche, um die richtigen Leute zu finden, die dieses Projekt stemmen können. Die vielen hellen Köpfe unserer Racing-Abteilung haben viel Zeit in klassischen Bewerbungsgesprächen verbracht, anstatt bereits am Motorrad zu arbeiten. Da haben wir ein wenig Zeit verloren, die wir nicht für Moto3 und MotoGP nutzen konnten. Im Rennsport läuft dir die Zeit aber ohnehin immer davon, deshalb sind wir nicht beunruhigt. Alles läuft nach Plan.

Worin liegt die Schwierigkeit bei der Personalsuche: Ausreichend kompetente Leute zu finden oder diese von ihren aktuellen Arbeitgebern loszueisen?

Pit Beirer: An Interessenten fehlt es nicht. Wenn du als KTM ein MotoGP-Projekt startest, bekommst du Bewerbungen ohne Ende. Der Schlüssel ist aber, das richtige Personal zu finden. Da muss man hin und wieder auch nach Leuten suchen, die sich nicht direkt bewerben. Wir haben viele gute Leute über die klassische Ausschreibung bekommen, aber auch direkt Personen kontaktiert, die woanders eingebunden waren. Es sind mittlerweile sowohl Leute aus dem F1-Umfeld, als auch der MotoGP dabei und Ingenieure, die gerade aus der Schule kommen. Wir haben einen sehr guten Mix.

Arbeitet man parallel auch schon an anderen Bereichen als dem Motor? Oder ist das Triebwerk im Moment der Dreh- und Angelpunkt, von dem alle weiteren Design-Entscheidungen abhängig gemacht werden?

Pit Beirer: Die ganze Entwicklung ist in Chassis und Motor geteilt. Die Chassis-Leute arbeiten schon genau so lang an ihren Teilen wie die Motor-Leute am Triebwerk. Im Bereich Chassis sind wir aber noch in der Konstruktionsphase, denn du musst erst einmal jedes einzelne Teil irgendwo unterbringen auf dem Motorrad. Wir wollen aber auch dort bald Material bestellen und mit der Fertigung beginnen.

Mit Suzuki und Aprilia haben wir in dieser Saison zwei neue Hersteller, deren Comebacks kaum unterschiedlicher verlaufen könnten. Was kann KTM von diesen beiden künftigen Konkurrenten lernen?

Pit Beirer: Wenn ich mir ein Comeback-Szenario wünschen dürfte, würde ich natürlich jenes von Suzuki wählen, und nicht jenes von Aprilia. Suzuki hatte schon grundlegende Erfahrung von früher, hat sich super vorbereitet und erledigt nun gute Arbeit. Hut ab, was die im Moment abfeuern! Wir schauen aber relativ wenig auf die Anderen, sondern arbeiten nach unserer eigenen Strategie. Wir wissen, dass wir mit dem Ziel Katar 2017 noch einen steilen Berg vor uns haben, den wir bezwingen müssen.

Derzeit sind die Abstände in der MotoGP sehr knapp. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für einen Einstieg, da man als Hersteller sehr schlecht aussehen kann? Siehe Aprilia...

Pit Beirer: Die Ergebnisse von Ducati und Suzuki üben schon einen gewissen Druck auf uns aus. Noch vor ein paar Jahren konntest du mit zwei bis drei Sekunden Rückstand immer noch eine halbwegs gute Platzierung holen. Diese Zeiten sind nun vorbei. Mit einer Sekunde Rückstand bist du heutzutage außerhalb der Top-15. Diese Latte liegt verdammt hoch, da werden wir uns anstrengen müssen.

Zugeständnisse, die es zuletzt für neue und erfolglose Hersteller gab, werden in dieser Form abgeschafft. Könnte sich das zu einem Problem beim Comeback entwickeln?

Pit Beirer: Aktuell profitierst du als neuer Hersteller von weicheren Reifen, größerem Tank und mehr Motoren. Zwei dieser Vorteile sind weg, wenn wir 2017 kommen. Wünsche bringen uns ohnehin nichts. Wir verschwenden weder Zeit, noch Energie, um uns im Hinblick auf das Reglement wichtig zu machen. Wir wollen in dieser Liga mitspielen, die 2017 gewisse Regeln hat. Und nach diesen Regeln werden wir einsteigen. Wenn wir dann ordentlich dabei sind, können wir vielleicht zu einer sinnvollen Reglementänderung beitragen. Wir werden aber nicht jetzt schon klug daher reden, wenn wir noch nicht einmal am Start stehen.

Nimmt man also alle Änderungen am Reglement kommentarlos hin?

Pit Beirer: Wir behalten die Elektronikseite ganz genau im Auge, denn es wurde uns versprochen, dass es eine Einheitselektronik gibt. Darauf bestehen wir auch, denn das wäre ein Feld, wo du Millionen verbrennst. Wir kämpfen darum, dass die Elektronik eingefroren bleibt. Alle anderen Rahmenbedingungen akzeptieren wir, so wie sie 2017 sein werden.

Gibt es hinter den Kulissen Bestrebungen - etwa von Honda oder Yamaha - die Einheitselektronik doch wieder etwas zu öffnen?

Pit Beirer: Die Einheits-ECU selbst ist fix. Aber aktuell wird darum gekämpft, einzelne Sensoren selbst zu entwickeln. Gerade in diesen Sensoren steckt bei Honda und Yamaha sehr viel Knowhow drin. Das ist bei weitem kein dummer Knopf, der nur irgendwelche Daten weitergibt, sondern da passiert richtig etwas beim Motorenmanagement. Da sind wir schon strikt dagegen, weil das die Einheitselektronik aufweicht. Es ist ein harter Kampf der Dorna mit den Herstellern, aber das war eine Grundbedingung für unseren Einstieg, Die mechanische Entwicklung in der MotoGP ist teuer genug und der Zuschauer bekommt von einem eine Million teuren Sensor ja nichts mit. Der Fan will Motorräder sehen, auf denen der Fahrer letztlich den Ausschlag gibt und nicht irgendein Sensor und ein Ingenieur am Computer. So würde es ja in Richtung Formel 1 gehen und genau diese Schritte haben der Formel 1 ja geschadet.

Wie sieht der aktuelle Zeitplan für den Rest des Jahres 2015 aus?

Pit Beirer: Wir sind aktuell am Übergang in die zweite Phase und beginnen unser Testteam zusammenzustellen. Daher stehen nun auch Dinge auf unserer Checklist, wie Fahrzeuge und Renntransporter zu besorgen. Wir bereiten das erste Rollout mit Alex Hofmann vor. Der Plan sieht im Anschluss vor, dass wir alle vier Wochen testen. Einmal pro Monat brauchen wir also eine Strecke, die Mannschaft vor Ort und den nötigen technischen Fortschritt, damit die Tests überhaupt Sinn machen.

Der Termin für den Österreich-GP 2016 wird vermutlich auf August oder September fallen. Besteht die Chance, dass KTM dort einen Wildcard-Start absolvieren wird?

Pit Beirer: Nein, das ist überhaupt kein Thema. Der Zeitplan ist ohnehin schon straff und das erste Rennen 2017 ist und bleibt das ultimative Ziel. Natürlich würde uns ein Wildcard-Start in Österreich reizen, aber unser Zeitplan sieht nicht vor, dass wir zu diesem Zeitpunkt schon gewappnet für ein Rennwochenende sind. Und mit einem Motorrad rauszufahren, das nach fünf Minuten in Rauch aufgeht - das bringt niemandem etwas. Den Österreich Grand Prix wird es ja hoffentlich viele Jahre geben, da muss KTM nicht unbedingt schon beim ersten im Grid stehen.