Der Losail International Circuit zählt historisch zu den schwierigsten Rennstrecken für die MotoGP-Maschine von KTM. Die bestplatzierten Fahrer auf einer RC16 in den fünf Rennen von 2017 bis 2021: Pol Espargaro mit P16, P18 und P12 in den ersten drei Jahren. Im Vorjahr wurde Miguel Oliveira im ersten Katar-GP 13., den Doha-GP beendete Brad Binder auf Rang acht.

Beim Saisonauftakt 2022 fuhr Brad Binder nun sensationell auf den zweiten Platz, nur 0,346 Sekunden hinter Sieger Enea Bastianini. Und das alles beim ersten Rennen im umstrukturierten MotoGP-Projekt der Österreicher. Ende November verließ der langjährige Team-Manager Mike Leitner ja KTM. An seine Stelle traten mit Francesco Guidotti für die Management-Rolle und Fabiano Sterlacchini für den technischen Part gleich zwei Personen. Von dieser Maßnahme erhoffte man sich ein gezielteres Vorgehen in der Motorradentwicklung und eine damit einhergehende Entlastung der Einsatzfahrer.

KTM: So soll der Sprung aus der MotoGP-Krise gelingen (10:28 Min.)

Motorsport-Magazin.com traf beim Saisonauftakt KTM-Motorsportchef Pit Beirer zum Interview und befragte ihn zu den Fortschritten mit der neuen Führungsebene.

Motorsport-Magazin.com: Pit, der Katar-Grand-Prix war das erste Rennwochenende unter der neuen Teamführung. Auch die Testfahrten wurden bereits in diesem Setup absolviert. Konntet ihr bereits die Veränderungen feststellen, die ihr euch davon erhofft habt?
Pit Beirer: Wir sind natürlich noch nicht da, wo wir hinwollen. Die Umstellung hat gerade erst begonnen. Es war eine extrem knappe Winterpause, in der für ein Team-Building gar keine Zeit war. Wir hatten den letzten Test am 17. Dezember, am 10. Januar wurde das neue Motorrad aufgebaut und dann ging das Material auch schon zum Test nach Sepang. Das Material, das wir da verpackt haben, war im Prinzip das Paket für den Saisonauftakt.

Also war der Katar-GP quasi Learning by Doing - eine echte Feuertaufe?
Pit Beirer: Wir waren von Mittwoch an gemeinsam in Katar und konnten erstmals gemeinsam in den Rennbetrieb gehen. Das Team harmoniert bereits sehr gut, 99 Prozent der Truppe sind ja auch gleichgeblieben. Wir hatten ein super Team und werden es auch weiterhin haben.

Was genau hat sich dann verändert?
Pit Beirer: Wir haben die Motorradentwicklung eindeutig aus dem Einsatzteam herausgenommen und in die Fabrik beziehungsweise die Testmannschaft verlegt - da gehört sie auch hin.

Diesen Wunsch haben wir bei der Team-Präsentation Ende Januar schon von Brad Binder gehört.
Pit Beirer: Ja, das war ein deutlich geäußerter Wunsch von Brad, dessen Erfüllung wir selbst schon lange geplant hatten. Wir musste aber realistisch sein: Wenn du noch viel zu weit von der Spitze entfernt bist, dann kannst du es dir nicht leisten, einfach Rennen zu fahren, ohne Testarbeit zu erledigen. Mit einer Sekunde Rückstand bist du in dieser Klasse beinahe Letzter.

Von derartigen Rückständen seid ihr mittlerweile schon weit entfernt.
Pit Beirer: Ja. Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, wo wir uns das trauen können. Wir bringen keine neuen Rahmen mehr zum Grand Prix an die Strecke. Die Fahrer wissen aus den Testfahrten genau, was ihr Paket kann. Dieses Vertrauen ist nötig, wenn du hier mit 350 km/h entlangfährst. Es mag sein, dass ein neues Teil vielleicht eine Zehntelsekunde bringt, aber zuerst muss der Fahrer mal drei Zehntelsekunden rausnehmen, um mit dem neuen Paket das Limit zu finden. Aus diesem Teufelskreis sind wir jetzt ausgebrochen.

Die Fortschritte sind also auf mehr Kontinuität in eurem Motorrad zurückzuführen?
Pit Beirer: Es liegt auf jeden Fall nicht daran, dass wir eine Mondrakete erfunden haben. Unsere Piloten konnten in Katar aber mit einer Basis losfahren, die in den Testfahrten gut funktioniert hat und der sie vertrauen. Das Bike, das sie bei den Tests abgestellt haben, haben sie in Katar wieder vorgefunden. Dann hast du als Fahrer auch Spaß und die Rundenzeit kommt fast von allein. Es ist definitiv besser, sich auf das Rennfahren zu konzentrieren als auf die Bike-Entwicklung.

Habt ihr so gesehen in den vergangenen Jahren strategische Fehler gemacht?
Pit Beirer: Wir sind jetzt einfach an einem anderen Punkt in unserem Projekt. Diese ständige Weiterentwicklung war jahrelang unsere absolute Stärke, die vielleicht irgendwann zu einer Belastung wurde. Wir mussten aber erst einmal auf diese Stufe kommen. Wir hätten niemals fünf Siege innerhalb so kurzer Zeit auf dem Konto, wenn wir uns keine Rennen mit Testarbeit zerstört hätten. Wir mussten vorankommen und wenn keine Testtermine oder Testfahrer verfügbar sind, dann nimmst du eben das nächste Rennwochenende her. Nur durch diese absolute Überbelastung des Teams konnten wir das Motorrad weiterentwickeln.

Ihr bereut also nichts?
Pit Beirer: Wir bereuen nichts! Auch nachträglich würden wir unseren Weg nicht anders gestalten. Wenn du in der MotoGP Neueinsteiger bist, dann musst du diese Erfahrungen sammeln. Es gibt hier keine Abkürzungen. Du kannst in dieser Klasse Erfolg nicht kaufen. Du musst selbst Fehler machen. Auch unser Moto2-Abenteuer war uns hier eine Lehre. Als wir dort nach der Bekanntgabe unseres Ausstiegs aufgehört haben, das Motorrad weiterzuentwickeln, haben sich plötzlich die Erfolge eingestellt. Aus solchen Niederlagen - und dieses Projekt war eine klare Niederlage - musst du lernen. Das gehört dazu. Jetzt wollen wir uns aber nicht mehr als MotoGP-Newcomer sehen. Wir sind lange genug dabei. Es ist Zeit, sich mit den Großen zu messen.