Das vierte Qualifying der Saison in Jerez brachte den dritten unterschiedlichen Polesitter. Nach Andrea Dovizioso in Katar und Marc Marquez in Texas sowie Argentinien geht beim Spanien-Grand-Prix Jorge Lorenzo als Erster ins Rennen. Marquez fuhr trotz seiner Fingerverletzung auf den zweiten Startplatz. Der drittplatzierte Andrea Iannone präsentierte sich im vierten Freien Training mit Bestzeit bärenstark, was immer ein positives Indiz für den Sonntag ist. Und dass Valentino Rossi auch von Position fünf aus gewinnen kann, bezweifelt mittlerweile wohl niemand mehr. Motorsport-Magazin.com unterzieht die Toppiloten dem Favoritencheck:

Jorge Lorenzo: Die Performance des Mallorquiners an diesem Wochenende war bisher schlicht und einfach beeindruckend. Nach unterschiedlichsten Problemen in Katar, Texas und Argentinien dominierte Lorenzo in seiner spanischen Heimat vom ersten Training an. Drei Bestzeiten und ein zweiten Rang in den vier Freien Trainings sowie die Pole Position mit fast vier Zehnteln Vorsprung sagen alles über die hervorragende Pace des Yamaha-Piloten am Circuito de Jerez aus. Lorenzo konnte trotz der großen Hitze, die für schwierige Bedingungen mit rutschigem Asphalt sorgte, unglaublich konstante Rundenzeiten fahren. Ein klares Ass im Ärmel für den Grand Prix am Sonntag, weiß auch der 27-Jährige selbst: "Ich kann hier konstant mittlere 1:39er-Zeiten fahren. Das ist bei so hohen Temperaturen hier in Jerez nicht einfach." Wahre Worte Lorenzos, der somit wohl der große Favorit auf den Rennsieg im Spanien-GP ist.

Jorge Lorenzo war bisher der große Dominator des Wochenendes, Foto: Yamaha
Jorge Lorenzo war bisher der große Dominator des Wochenendes, Foto: Yamaha

Marc Marquez: Der Weltmeister wird im MotoGP-Rennen die große Unbekannte sein. Dass er auch mit seinem erst vor einer Woche gebrochenen Finger pfeilschnell unterwegs ist, zeigte er mit Startplatz zwei eindrucksvoll. Eine schnelle Runde oder ein ganzes Rennen zu fahren, sind aber bekanntlich immer zwei Paar Schuhe. Marquez fuhr an diesem Wochenende in den Trainings stets nur sehr kurze Runs, um seinen Finger nicht zu stark zu belasten. "Meine physische Verfassung im Rennen ist für mich selbst noch ein großes Fragezeichen", gestand der Repsol-Honda-Pilot nach dem Qualifying. Um große Schmerzen zu vermeiden, arbeitet Marquez an diesem Wochenende viel mehr mit seinem rechten Arm, was aber klarerweise zu einer erhöhten Belastung der Muskeln an diesem führt. "Vielleicht bin ich nach 15 Runden schon völlig am Ende", gibt er zu Bedenken. Seine Zielsetzung fällt aufgrund der Umstände bescheiden aus, so viele Punkte wie möglich sollen her. Siegchancen rechnet sich Marquez kaum aus und liegt damit wohl richtig: "Ich bin aktuell nicht schnell genug um Jorge zu schlagen."

Andrea Iannone: "Gewinnen? Wieso nicht?" Mit seiner saloppen Antwort auf die nach dem Qualifying an ihn gerichtete Frage bezüglich seiner Siegchancen am Sonntag traf Iannone den Nagel eigentlich auf den Kopf. In den ersten Runden wird es am engen und kurvenreichen Circuito de Jerez vermutlich drunter und drüber gehen - da macht dem beinharten Zweikämpfer aus Italien niemand etwas vor. Dass er mittlerweile auch über eine volle Renndistanz mit den Besten der Welt mithalten kann, zeigte er in dieser Saison bereits mehrmals. Hinzu kommt, dass Iannone im vierten Freien Training, das immer ein guter Gradmesser für die Performance im Grand Prix ist, der schnellste Pilot auf der Strecke war, noch vor dem an diesem Wochenende so dominanten Jorge Lorenzo. Und das nicht mit dem weicheren Hinterreifen, sondern derselben Mischung wie die Hondas und Yamahas. "Ich fühle mich mit den harten Reifen hier sehr wohl und kann richtig hart bremsen. So gut bin ich in diesem Jahr überhaupt noch nie gefahren", ließ Iannone die Konkurrenz wissen. Der Mann mit der Nummer 29 ist wohl der große Geheimtipp am Sonntag.

Andrea Iannone zeigte sich vor allem in FP4 stark, Foto: Tobias Linke
Andrea Iannone zeigte sich vor allem in FP4 stark, Foto: Tobias Linke

Valentino Rossi: Rennwochenende wie dieses in Jerez enden in letzter Zeit durchaus häufig mit Siegen von Valentino Rossi. Am Freitag läuft bei ihm und seiner Crew nichts zusammen, der Doktor ist abgeschlagen und spricht von großen Problemen. Samstags geht es dann leicht bergauf, Rossi steht aber in der Startaufstellung dennoch nicht allzu weit vorne. Im Rennen am Sonntag schlägt er schließlich mit all seiner Routine eiskalt zu. So war es im Vorjahr auf Phillip Island und 2015 in Losail und Termas de Rio Hondo. Nichts, aber auch wirklich nichts, spricht dagegen, dass es nun in Jerez wieder so kommt. Rossi steht dieses Mal sogar auf dem annehmbaren fünften Startplatz und nicht wie bei seinen letzten drei Siegen nur auf Position acht. "Ich habe meine zwei Rennen dieses Jahr von Startplatz acht gewonnen. Aus der Mitte der zweiten Reihe zu starten ist also sicherlich nicht schlecht. Wenn ich hier gewinnen will, muss aber noch eine Menge passieren bis zum Rennen", gab sich der Altmeister bewusst zurückhaltend. Über die gesamte Distanz ist er neben seinem Teamkollegen Jorge Lorenzo wohl am stärksten einzuschätzen und darf sich beträchtliche Chancen auf den Sieg ausrechnen.

Die anderen Fahrer: Das Quartett Lorenzo, Rossi, Iannone und Marquez wird am Sonntag aller Voraussicht nach die Podiumsplatzierungen und somit auch den Sieg unter sich ausmachen. Ansonsten scheint kein Pilot ernsthaft die Pace mitgehen zu können. Andrea Dovizioso, der in den bisherigen drei Saisonrennen jeweils Zweiter wurde, startet nur von Rang acht und nahm sich verbal bereits selbst aus dem Kampf um den Sieg: "Ich bin hier einfach nicht so schnell wie bisher in dieser Saison." Pol Espargaro steht auf Startplatz vier, dürfte über die volle Distanz aber ebenso wenig Chance haben wie sein Bruder Aleix, der am anderen Ende der zweiten Reihe seinen Platz einnehmen wird. Dann wäre noch Cal Crutchlow auf Position sieben, doch der LCR-Honda-Pilot konnte an diesem Wochenende stets nur in den kühlen Vormittags-Sessions überzeugen, bei großer Hitze verlor er stets massiv am Boden. Keine guten Voraussetzungen für die drohende Hitzeschlacht mit Asphalttemperaturen jeweils der 50-Grad-Marke und über 30 Grad Außentemperatur.

Pol Espargaro wird es trotz Startplatz vier schwer haben, Foto: Tobias Linke
Pol Espargaro wird es trotz Startplatz vier schwer haben, Foto: Tobias Linke

Die Tipps der Redaktion

Samy Abdel Aal: Jorge Lorenzo dominierte das bisherige Jerez-Wochenende nahezu nach Belieben, jedoch muss der Mallorquiner beweisen, dass er seine gigantische Form auch über die Renndistanz halten kann. Er ist Stand jetzt aber definitiv der große Favorit. Marc Marquez wird trotz großer Schmerzen ob des gebrochenen Fingers kämpfen wie ein Löwe, während Valentino Rossi in der aktuellen Verfassung alles zuzutrauen ist. Diese drei Piloten sollten die Podestplätze klar unter sich ausmachen.

Samys Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Rossi, 3. Marquez

Tobias Ebner: Der große Dominator des Wochenendes war bisher Jorge Lorenzo. Morgen belohnt er sich dafür und fährt einen kontrollierten Sieg nach Hause. Wie sieht es dahinter aus? Aus dem restlichen Feld traue ich Valentino Rossi am meisten zu. Der Doktor arbeitet ohnehin am konsequentesten für das Rennen, deshalb wird er morgen Zweiter. Auf Platz drei tippe ich Andrea Iannone. Marc Marquez wird wohl am Schluss seiner Fingerverletzung Tribut zollen müssen.

Tobias' Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Rossi, 3. Iannone

Rossi ist für die Motorsport-Magazin.com-Redakteure und Dirk Raudies erster Lorenzo-Jäger, Foto: Yamaha
Rossi ist für die Motorsport-Magazin.com-Redakteure und Dirk Raudies erster Lorenzo-Jäger, Foto: Yamaha

Michael Höller: Meine Top-3 sind ganz klar Jorge Lorenzo, Valentino Rossi und Marc Marquez. In welcher Konstellation das Trio tatsächlich ins Ziel kommt, ist schwierig vorherzusehen. Nach den Dauer-Bestzeiten (und auch im Hinblick auf die Spannung in der WM) glaube ich an einen Lorenzo-Sieg. Dahinter werden sich Rossi und Marquez duellieren und der Doktor knapp gewinnen.

Michaels Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Rossi, 3. Marquez

Marion Rott: Zwei Spanier an der Spitze beim Spanien GP. So wird es aber nicht bleiben. Jorge Lorenzo hat in Jerez bisher alles dominiert und wird sich gleich am Start vom Feld absetzen. Dahinter muss Marc Marquez seiner Verletzung Tribut zollen und kann sich im Kampf gegen die herannahenden Pol Espargaro und Valentino Rossi nicht zur Wehr setzen. Diese beiden liefern sich bis zur Ziellinie einen harten Fight um die beiden Podestplätze, während Andrea Iannone auf seiner Ducati im Renntrimm nicht mithalten kann.

Marions Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Rossi, 3. Pol Espargaro

Markus Zörweg: Jorge Lorenzo ist an diesem Wochenende nicht zu schlagen. Erstmals in dieser Saison wird der Mallorquiner von keinen ungewöhnlichen Problemen wie verrutschten Helmeinlagen oder Grippeerkrankungen gebremst und dreht so richtig auf. Gelingt ihm ein guter Start, kann er an der Spitze das Tempo diktieren. Da muss dieses Mal auch Valentino Rossi seinem Teamkollegen den Vortritt lassen, sammelt aber 20 wichtige Punkte für die WM. Andrea Iannone kann sich in der Schlussphase gegen den bröckelnden Marc Marquez durchsetzen und fährt zu seinem zweiten Podium in dieser Saison.

Markus' Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Rossi, 3. Iannone