Alex, ist Marc Marquez der WM-Titel überhaupt noch zu nehmen?
Alex Hofmann: Klar! Es wird zwar sehr schwierig für die Gegner, aber Marc ist auch nicht vor Fehlern gefeit. Es stehen noch vier Rennen an und es sind hundert Punkte zu vergeben. Da ist noch alles drin. Es sieht aber natürlich danach aus, als ob er sich das nicht mehr nehmen lassen wird. Wenn er am Donnerstag wegen des Vorfalls von Aragon noch eine Strafe bekommt, würde die WM aber noch einmal spannend.

Rechnest du mit einer Bestrafung?
Alex Hofmann: Nein, es sollte keine Strafe geben weil das Manöver an sich nicht schlimm war. Es war eine unglückliche Situation, in der das Kabel an Pedrosas Motorrad einfach am falschen Platz war. Aber dafür kann Marc ja nichts. So etwas ist meiner Meinung nach nicht zu bestrafen.

Was macht Marquez im Moment besser als seine Gegner?
Alex Hofmann: Er hat in diesem Jahr ein wenig Glück gehabt, dass seine Hauptkonkurrenten Pedrosa und Lorenzo verletzt waren. Er hat auch Glück gehabt, dass er selbst unverletzt blieb bei seinen zwei bis drei heftigen Abflügen. Es war in diesem Jahr Dusel dabei, aber den brauchst du auch, wenn du Meisterschaften gewinnen willst. Wäre Jorge Lorenzo das ganze Jahr fit gewesen und Yamaha ein wenig schlagfertiger, würde es in der WM anders aussehen. Dennoch fährt Marc für einen Rookie eine sensationelle Saison.

Er wirkt für sein Alter enorm abgebrüht. Wo nimmt Marquez seine Lockerheit her?
Alex Hofmann: Bei Marc kommen viele Faktoren zusammen. Er hat das Fahrtalent von Lorenzo, einen unglaublichen Arbeitseifer, er plagt sich, kann sich quälen, hat aber auch eine unglaubliche Freude und Begeisterung für das Motorradfahren und den Umgang mit Fans und Medien. Das gesamte Paket ist bei ihm einfach kompletter als bei anderen - und das schon in so jungen Jahren. Wenn der Bursche in dem Tempo weiterlernt und sich verbessert, kann man schon Angst bekommen. Als Einzeleigenschaft sind vor allem seine Reflexe unglaublich. Er kann eine Situation, die kurz außer Kontrolle gerät, noch besser kontrollieren als die anderen Spitzenfahrer und zwei, drei Rutscher mehr abfangen. Ausnahmekönner auf diesem Niveau werden nur alle zwanzig Jahre geboren.

Vor der Saison galt Dani Pedrosa als WM-Favorit. Wie sehr leidet er unter der aktuellen Situation, selbst im eigenen Team nun nur mehr Nummer zwei zu sein?
Alex Hofmann: Ich würde sagen, dass alle Fahrer der MotoGP darunter leiden. Wer das leugnet, der ist nicht ehrlich. Rossi nimmt es mit Humor und zieht den Vergleich zwischen neuen und alten Automodellen. Jorge Lorenzo will das noch nicht so ganz akzeptieren, weil sein Ego zu groß ist, um anzuerkennen, dass Marquez besser sein könnte. Zum aktuellen Zeitpunkt ist Lorenzo, wenn er voll fit ist, auch noch der bessere und komplettere Rennfahrer. Der Großteil der Konkurrenz hat aber erkannt, dass der Bursche einfach eine Nummer besser ist. Dazu zählt meiner Meinung nach auch Dani Pedrosa. Es gibt immer zwei Arten von Karrieren: Bei den einen läuft alles wie am Schnürchen, die anderen haben einfach das Pech gepachtet. Pedrosa gehört leider zu der Pech-Fraktion.

Wird Rossi nächstes Jahr noch einmal zur Spitze aufschließen können oder ist die Wachablöse endgültig vollzogen?
Alex Hofmann: Ich denke dieses Kapitel ist abgeschlossen. So sehr ich es mir wünschen würde, dass er noch einmal an alte Erfolge anschließen kann, so wenig halte ich es für realistisch. Schon als er Yamaha verlassen hat, war Lorenzo ein paar Zehntel schneller. Rossi hat sich nicht mehr weiterentwickelt und Marquez legt die Latte jetzt noch ein wenig höher. Wenn für ihn alles passt und die Gegner angeschlagen sind, dann kann er schon auch noch siegen - wie in Assen. Unter normalen Voraussetzungen und wenn alle gesund sind, kann er aus eigener Kraft aber keinen Titel mehr holen und selbst Siege werden sehr schwer. Nichtsdestotrotz ist Rossi noch immer der beste Verkäufer des Produkts MotoGP und aus dem Fahrerlager nicht wegzudenken.

Werfen wir einen Blick auf die Saison von Stefan Bradl: Geht es für ihn in die richtige Richtung?
Alex Hofmann: Diese Frage muss ich mit einem Ja und einem Nein beantworten. Zwischenzeitlich sah es schon ganz gut aus, dann kam er wieder ein wenig vom Weg ab. Woran das genau lag, ist von außen schwierig zu beurteilen. In ein paar Rennen wirkte er kraftlos und ließ den nötigen Kampfgeist, den man von ihm kennt, ein wenig vermissen. Wenn Dani Pedrosa beschließen sollte, dem Ganzen den Rücken zu kehren, ist er der erste Kandidat auf eine Werks-Honda. Die Hersteller erwarten von ihren Privatfahrern aber, dass sie permanent die Werkspiloten herausfordern. Das gelingt Stefan ab und zu ganz gut und Laguna Seca war spitze. Dort hat er auch über das gesamte Wochenende einhundert Prozent Leistung abrufen können und sein außergewöhnliches Talent unter Beweis gestellt. Dann kamen aber wieder ein paar Rennen, wo es eher rückwärts ging. Er fährt immer wieder auf oberstem Niveau, kann es aber noch nicht konstant halten - hauptsächlich im Hinblick auf den Zeitabstand auf den Ersten. Und das ist meistens eine Honda.

Ist die Honda das bessere Motorrad als die Yamaha?
Alex Hofmann: Auf machen Strecken sieht man, dass die Honda das bessere Bike ist. Sepang sollte aber der Yamaha etwas besser liegen aufgrund der Beschleunigung aus langsamen und komplizierten Kurvenkombinationen. Bei den Topspeed-Werten leidet Yamaha aber. Vor allem der Motor ist bei Honda eine Bank, während Yamaha schon die Aggregate fünf und sechs verbaut hat.