Technische Geheimnisse werden auf der höchsten Ebene des Sportes so gut wie nie preisgegeben. Gut aber, wenn ein Insider dann doch einmal aus dem Nähkästchen plaudert - umso besser. Masao Furusawa, der Kopf hinter den Erfolgen von Valentino Rossi bei Yamaha, beleuchtete kurz vor seiner Pensionierung einige technische Details und suggerierte, dass Chattering noch die letzte große Aufgabe für die Ingenieure im Rennsport bleiben wird.

Furusawa wird im Februar 60 und tritt im März zurück. Dann wird er bei Yamaha nur noch als Berater fungieren, sich aber dennoch den Motorradsport als Hobby bewahren. Voller Spannung blickt er jetzt schon auf die Entwicklungen in 2012, wenn mit 1000 ccm wieder größere Motoren verbaut werden. Der Japaner weiß dabei jetzt schon, auf was es ankommen wird.

"2012, mit den starken Reglementierungen, die da kommen, werden wir uns auf die Effizienz des Sprits konzentrieren müssen", stellte er im Gespräch mit Crash.net klar. "Das wird die große Sache bei den Liter-Bikes und der Hauptunterschied zu den Motorrädern von 2006. Was die elektronischen Kontrollen angeht, haben wir also viele Dinge zu tun. Das wird der Schlüssel. Andersherum ist ein Motorrad ein Motorrad - immer mit zwei Rädern, einem Chassis und einem Motor."

Doch die Hauptprobleme eines modernen GP-Renners sieht Furusawa in den Bereichen Chassis, Rahmen, Steifigkeit und Chattering. Dabei wurde schon viel mit exotischen Materialien experimentiert, doch davon hielt er meist etwas Abstand. "Manche Ingenieure haben darüber nachgedacht, Carbon zu benutzen, aber ich nicht. Carbon ist sehr gut, um Steifigkeit zu bekommen und ist sehr leicht. Aber für ein Motorrad denke ich nicht, dass es so gut ist."

Das Problem sei, dass bei 45 Grad Schräglagen einfach das Fahrwerk nicht mehr funktioniere, ja, es keine Federung mehr gebe. "Darum brauchst du mehr Flexibilität im Rahmen. Und mit Carbon ist es richtig schwer, die Steifigkeit zu kontrollieren. Je steifer Carbon ist, desto besser, darum ist es für ein Formel 1-Chassis perfekt."

Mischung aus Simulation und Realität

Doch wie aber kommt man nun zu den Schlüssen, die es für ein optimales Chassis braucht? Furusawa setzte dabei immer auf eine Mischung vieler Faktoren. "Wir analysieren, simulieren und machen auch experimentelle Tests, um richtige Daten zu bekommen, welche wir dann in die Simulationssoftware einspeisen, um die Genauigkeit zu verbessern", schilderte er, fügte aber auch an, dass das besonders schwierig sein kann, es richtig hinzubekommen. "Das ist einer der Schlüsselpunkte an einem guten Chassis: Du musst leichte Steifigkeitsänderungen vornehmen, vom Steuerkopf zum Heck."

2006 machte Yamaha mit dem Chassis einen Fehler und der Titel ging nicht an Rossi., Foto: Yamaha
2006 machte Yamaha mit dem Chassis einen Fehler und der Titel ging nicht an Rossi., Foto: Yamaha

Dass dabei nicht immer alles gut geht, liegt auf der Hand. Furusawa mahnt dabei gerade die Saison 2006 an, als eben nicht Rossi, sondern der US-Amerikaner Nicky Hayden auf Honda den WM-Titel abstaubte. Damals habe man mit dem Chassis einen Fehler gemacht. "Wir entwickelten ein Chassis, was etwas seitlich etwas flexibler war. Aber um dass zu tun, mussten wir einige Teile mit einem dünnen Querschnitt versehen, was ziemlich hart sein kann. So anstelle die Steifigkeit einiger Teile zu reduzieren, reduzierten wir die Dicke des Rahmens in der Mitte. Von Punkt zu Punkt war die gesamte Steifigkeit die gleiche, aber jetzt war die Verteilung der Steifigkeit nicht mehr locker und änderte sich nicht auf eine konstante Weise mit dem Motorrad."

Und damit kam das Chattering-Problem auf den Plan. "Chattering ist kein lineares Problem, es sind selbst erzeugte Vibrationen. Sobald die anfangen, passieren mehr und mehr Vibrationen und du hast letztendlich ein großes Problem. Eine der Lösungen ist es, die durchgehenden Steifigkeitsänderungen vom Kopf zum Heck zu halten. Aber selbst dann kannst du etwas Chattering bekommen, aber nicht so viel."

Furusawa grübelt aber, trotz des bevorstehenden Ruhestandes, noch immer, wie dieses Problem zu beheben ist. "Für die Zukunft, was wir wirklich brauchen, ist eine Dämpfungskraft für das Chassis, aber bislang ist man da noch nicht erfolgreich", meinte er. "Dieses Chattering-Phänomen ist vermutlich das letzte bestehende Problem, welches von Motorradingenieuren noch geknackt werden muss."