Formel-E-Rennen in Monaco, oder auch: Friedhof der Frontflügel! Beim neunten Rennen der Formel-E-Saison 2023 waren auf dem monegassischen Stadtkurs so einige Fahrer mit lädierter Frontpartie an ihren Autos unterwegs. Zahlreiche Kollisionen im sich immer wieder zusammenstauchenden Mittelfeld entwickelten sich zu einer munteren Materialschlacht.
Zwar ohne Frontflügel, aber mit acht WM-Punkten für den fünften Platz, überquerte Dan Ticktum (NIO 333) die Ziellinie und errang damit sein bestes Formel-E-Ergebnis seit dem Kapstadt ePrix. Der nicht unumstrittene Brite beschädigte seine Flügelpartie - bei den Gen3-Autos mehr kosmetischer als aerodynamischer Natur - in der Rascasse-Kurve durch einen leichten Auffahrunfall mit einem Nissan.
Wenig später in der 23. Runde kollidierte Ticktum mit Hintermann Maximilian Günther (Maserati) bei dessen Überholversuch auf der Innenseite, in dessen Folge der Maserati-Pilot die Mauer berührte und die rechte Hinterradaufhängung seines Autos brach. Der Ausfall sorgte für die erste von zwei späten Safety-Car-Phasen auf dem 3,337 Kilometer langen Kurs, auf dem die Formel E zum sechsten Mal in ihrer Geschichte gastierte.
Bei der Kollision mit Günther, die die Sportkommissare als einen Rennunfall werteten, wurde Ticktums Frontflügel durch eine Mauerberührung noch weiter in Mitleidenschaft gezogen. Das Teil drohte zudem, sich unter dem vorderen Unterboden zu verkeilen, was Ticktum vermutlich zur Aufgabe gezwungen hätte.
Unter Safety Car: Ticktum tappt anderes Auto an, um Frontflügel zu verlieren
Wie er sich dieses Problems während der Safety-Car-Phase entledigte, klang fast schon abenteuerlich. Ticktum in einem von der Formel E veröffentlichten YouTube-Video: "Ich habe einen Teil meines Frontflügels verloren und der schliff am Boden. Es wäre einfach gewesen, in die Box zu kommen, weil das gefährlich werden kann. Aber ich habe einfach weitergepusht und zum Glück kam eine Runde später das Safety Car. Ich konnte ein paar Kerbs treffen und habe tatsächlich beim Fahrer vor mir 'angeklopft' ("I actually tapped the driver in front of me" im O-Ton), um den Flügel wegzubekommen, damit er mich weniger behindert. Das hat ziemlich gut geklappt."
Bei dem "angetappten" Fahrer dürfte es sich um Vordermann Jake Hughes (McLaren) gehandelt haben, auch, wenn die Formel E die von Ticktum beschriebene Szene nicht in der TV-Übertragung einfing. Ein anderes Auto während einer Safety-Car-Phase zu 'benutzen', um sich des eigenen lädierten Frontflügels zu entledigen... ob sich die FIA mit Ticktums öffentlich getätigten Aussagen noch einmal beschäftigen wird?
Ticktum: "Was habe ich zu verlieren?"
Dabei hatte Ticktum vor seiner Rettungsaktion befürchtet, dass ihn der Frontflügel das Rennen und damit eine für NIO-Verhältnisse ganz dicke Punkteausbeute kosten würde. Der zweifache Macau-Sieger weiter: "Zu dem Zeitpunkt dachte ich: 'Was habe ich zu verlieren?' Ich kann es auch versuchen. Und wenn ich crashe, dann crashe ich. Was auch immer, solange ich keinem anderen Fahrer Probleme bereite. Okay, dann ist Günther in mich gecrasht, aber whatever... Insgesamt habe ich das Richtige gemacht, indem ich standhaft blieb. Wir haben gute Punkte geholt."
Günther sauer: Ticktum wird sich nie ändern
Aussagen, die Unfallgegner Günther noch ein bisschen mehr auf die Palme bringen dürften. Der sonst eher ruhige Allgäuer hatte nach dem Crash schon am Teamfunk eine Rennsperre für Ticktum gefordert, der in dieser Saison bereits mit anderen Fahrern wie Jake Dennis ("Ich bin echt genervt von Dan") oder Stoffel Vandoorne ("Ich weiß ja, mit wem ich es zu tun habe") aneinandergeraten war.
Günther schob die Schuld für den Unfall im Bergaufstück Beau Rivage ganz eindeutig auf Vordermann Ticktum: "Es ist sehr hart zu akzeptieren, so rausgenommen zu werden. Sehr traurig. Sehr unsportlich. Es gibt keinen Grund, mit ihm zu sprechen, er wird sich nie ändern. Mit Blick auf die Performance war es ein guter Tag. Aber leider endete das Rennen wie es endete. Davon lassen wir uns aber nicht ablenken."
Ticktum bewertete den Vorfall aus seiner Sicht anders: "Er crashte einfach in mein Heck. Da kam viel Qualm raus (aus Ticktums Auto wegen des schleifenden Frontflügels; d. Red.) und er wusste, dass ich ein bisschen langsamer sein würde. Ich war rechts auf der Strecke. Ich weiß nicht, vielleicht versuchte ihn jemand links zu überholen und er hat vielleicht in die Spiegel geguckt. Das kann schnell geschehen, es passiert alles so schnell. Er crashte dann einfach in mein Heck. Da konnte ich nichts machen."
Günther kollidiert mit Maserati-Teamkollege Mortara
Wahl-Monegasse Günther, der Maserati zuletzt in Berlin den ersten Podestplatz in der Formel E beschert hat, erlebte einen ereignisreichen Tag im Fürstentum. Im von vielen nachträglichen Strafen durchzogenen Qualifying fuhr der dreimalige Formel-E-Sieger auf den vierten Platz und konnte sich gute Hoffnungen auf sein drittes Punkte-Finish in der laufenden Saison machen.
Während des Rennens kam es dann zu einem unglücklichen Kontakt mit Maserati-Teamkollege Edoardo Mortara, der dem siebplatzierten Günther in der Haarnadel-Kurve nicht ausweichen konnte, als sich das Feld wieder einmal zusammenstauchte. Mortara: "Ich fuhr nah hinter Max. Er versuchte einem Vorfall vor sich auszuweichen, lenkte in mich rein und brach meinen Frontflügel. In so einer Situation kannst du sehr wenig machen und das wird immer gewöhnlicher mit dieser neuen Art des Racings."
Die Nullnummer von Formel-E-Neueinsteiger Maserati - ausgerechnet beim Heimspiel von Einsatzteam Venturi - bedeutete einen bösen Rückschlag für die italienische Traditionsmarke mit ihren DS-Kundenautos. In der WM-Tabelle belegt Maserati den achten Platz mit 29 Pünktchen und einem gigantischen Rückstand von 153 Zählern auf Spitzenreiter Envision. Günther steuerte 24 Punkte bei, während Mortara nach fünf Ausfällen und Platz 11 in Monaco eine Horror-Saison erlebt.
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