Jake Dennis hat das erste Rennen der neuen Gen3-Ära in der Formel E in Mexiko-City dominant gewonnen - dabei hätte alles ganz anders kommen können. Kurios und diskutabel: Einen Teil des vorangegangenen Qualifyings musste der Andretti-Pilot mit einem defekten Frontflügel absolvieren! Statt sich den zweiten Startplatz hinter Pole-Setter Lucas di Grassi (Mahindra) zu sichern und damit den Grundstein für den nachfolgenden Sieg zu legen, hätte diese Angelegenheit nur zu leicht ins Auge gehen können.

Dennis zog sich im Viertelfinale des Qualifyings gegen Pascal Wehrlein (Porsche) einen Schaden am rechten Teil seines Frontflügels zu, nachdem er im Stadion-Bereich einen Begrenzungspoller erwischt hatte. Der Brite musste nicht nur den Rest der Runde mit einer fehlenden Seitenplatte und einem sichtbar wackelnden Flügel bestreiten, sondern auch noch das Halb- und Finale. Dabei erscheint es wie ein kleines Wunder, dass er es mit dem lädierten Andretti-Porsche überhaupt soweit schaffte.

Formel-E-Regeln: Keine Änderungen im Qualifying

Laut Sportlichem Reglement war es dem US-Team nicht erlaubt, während des laufenden Qualifyings den Frontflügel auszutauschen. Fünf Minuten vor dem Beginn des Qualifyings bis mindestens 30 Minuten nach dem Ende unterliegen alle Autos den Parc-Ferme-Regelungen und dürfen demnach nicht verändert werden, sofern nicht ausdrücklich auf Anweisung eines Sportkommissars erlaubt. Das war bei Dennis offensichtlich nicht der Fall, obwohl er schon während der Session von einem Sicherheitsthema am Teamfunk sprach.

Der Ausgang ist bekannt: Dennis warf im Qualifying zunächst Wehrlein aus dem Wettbewerb und setzte sich anschließend im Halbfinale mit der Bestzeit des Wochenendes gegen Jake Hughes (McLaren) durch. Nur ein Fahrfehler im Finale gegen di Grassi kostete ihn die greifbare Pole Position.

Strahlender Sieger: Jake Dennis in Mexiko-City, Foto: LAT Images
Strahlender Sieger: Jake Dennis in Mexiko-City, Foto: LAT Images

Dennis äußert Sicherheitsbedenken

Wenige Tage nach dem Saisonauftakt in Mexiko-City beschäftige Dennis das Thema immer noch. "Es gibt sicherlich Bereiche bei der FIA, bei denen Platz für Verbesserungen mit Blick auf die Sicherheit herrscht", sagte er in einer Runde mit ausgewählten Medienvertretern auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. "Ich verstehe die Parc-Ferme-Regel, und es sollten auch keine Setups angepasst werden. Damit stimme ich komplett überein."

Aber, so Dennis weiter, "sollte etwas getan werden, damit es einem Auto nicht erlaubt ist, mit einem halb fehlenden Frontflügel auf die Strecke zu gehen". Sein Lösungsansatz für dieses mit Blick auf die Sicherheit durchaus heikle Thema: "Entweder sollten sie mich gar nicht fahren lassen, weil ich einen Fehler gemacht habe und dafür bestraft werde. Oder sie sollten uns den Flügel wechseln lassen und jedem Fahrer eine Chance geben."

Halber Frontflügel: Konkurrenz schaut genau hin

Was in anderen Formel-Rennserien kaum denkbar wäre, gelang Dennis in unnachahmlicher Art: Trotz des defekten Frontflügels drang der frühere DTM-Pilot bis ins Finale des Qualifyings vor. Da wird auch die Konkurrenz mit großem Interesse hingeschaut haben, schließlich ist noch nicht klar, wie sich die brandneuen Gen3-Autos im Schadensfall verhalten. Bei den Gen2-Autos war bekannt, dass sich der Nachteil bei fehlenden Aero-Teilen eher in Grenzen hielt. Das ist beim Nachfolger zumindest im Bereich des Frontflügels offenbar ähnlich.

"Es ist schwer zu sagen, wie viel Zeit das gekostet hat", grübelte Dennis. "Meine Rundenzeit gegen Hughes (im Halbfinale; d. Red.) war ziemlich gut. Du weißt aber nie, wie sich das Auto dann in einer Kurve verhält. Das hängt von der Geschwindigkeit am Eingang der Kurve ab und wie sich der Flügel dort bewegt. Es ist auch unmöglich, zu sagen, ob mir im Finale gegen Lucas der Fehler unterlaufen wäre, wenn der Frontflügel korrekt gewesen wäre. Geholfen hat es definitiv nicht."

Bis zum Rennstart durfte das neue Porsche-Kundenteam Andretti den lädierten Frontflügel austauschen. Dennis profitierte in Runde 12 von einem Fahrfehler seines Vordermannes di Grassi, übernahm die Führung und blickte nie mehr zurück: Beim Zieleinlauf nach 41 Runden hatte er für Formel-E-Verhältnisse gigantische 7,8 Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten Porsche-Werksfahrer Wehrlein.

"Das Gen3-Auto ist schwieriger zu fahren", sagte Dennis, der hoffte, dass Porsche seinen Vorteil in die kommenden Rennen übertragen kann. "Kurvenfahrten sind herausfordernder, weil das Auto viel stärker rutscht. Im Rennen ist es ein bisschen leichter, weil das Energie-Management jetzt eine kleinere Rolle spielt. Für die Fahrer ist es ein bisschen schwieriger, Fehler mit Blick auf zu viel oder zu wenig genutzte Energie zu machen."