Jake Dennis hat sich im Alter von 28 Jahren erstmals in die Weltmeister-Listen des Automobilen Weltverbandes FIA eingetragen. Der Andretti-Pilot sicherte sich beim Saisonfinale der Formel E in London vor heimischem Publikum den WM-Titel 2023. Mit elf Podestplätzen im Verlauf der 16 Rennen stellte der Brite zudem einen neuen Rekord in der Elektro-Rennserie auf.

Ambitionen, nach dem Triumph in die Formel 1 aufzusteigen, verfolgt Dennis offenbar aber nicht. Ganz im Gegensatz zu Nyck de Vries, der 2021 mit Mercedes die Formel-E-Weltmeisterschaft gewann und dieses Jahr nach nur zehn Rennen von AlphaTauri vor die Tür gesetzt wurde. De Vries zählte in London zu den Besuchern, die Dennis' Titelfahrt live miterlebten, zu seiner Zukunft wollte sich der Niederländer jedoch nicht äußern.

Jake Dennis: "Sehe mich nicht in der Formel 1"

Für Dennis ist die 'Königsklasse des Motorsports' aktuell kein Thema, er will 2024 mit seinem Porsche-Kundenteam Andretti den Titel verteidigen. "Ich will noch viele Saisons in der Formel E fahren", sagte er am Donnerstag während einer Online-Medienrunde, in der auch Motorsport-Magazin.com zugeschaltet war. "Ich habe kein Verlangen danach, woanders zu fahren. Ich will den Titel verteidigen und habe einen laufenden Vertrag mit Andretti."

Apropos Andretti: Der US-Rennstall arbeitet bekanntermaßen schwer an einem Einstieg in die Formel 1 und hat für dieses Vorhaben General-Motors-Tochter Cadillac an Bord geholt. Mit dem Formel-E-Titelgewinn hat Dennis bei Teambesitzer und Ex-Rennfahrer Michael Andretti eigentlich die beste Visitenkarte für ein mögliches F1-Cockpit hinterlegt, oder?

Dennis: "Ich weiß, dass Andretti in die Formel 1 will. Aber ich sehe mich nicht in der F1, um ehrlich zu sein. Das ist eine schwierige Situation. Ich bin jetzt 28 Jahre alt und auch mit Blick auf die Größe eher auf der langen Seite. Das würde nicht so gut klappen, wenn ich in die Formel 1 gehen würde."

Was Dennis meint: Mit seinen 1,87 Meter Körpermaß wäre er im aktuellen Starterfeld der größte Fahrer. Esteban Ocon und Alex Albon bringen es auf immerhin 1,86 Meter in einer Rennserie, in der jeder Zentimeter und jedes Kilogramm einen Ausschlag gibt. In der Formel E mit ihren einheitlichen Spark-Chassis herrscht ein wenig mehr Platzangebot im Cockpit, sodass es auch für einen 'Langen' wie Dennis nicht zu eng wird.

Podium Top-3 2023: Nick Cassidy, Champion Jake Dennis und Mitch Evans beim Formel E Finale in London
Formel-E-Weltmeister 2023: Jake Dennis, Foto: LAT Images

Dennis: Red-Bull-Simulator und F1-Testfahrten

Dabei weiß Dennis nur zu gut, wie es sich innerhalb eines F1-Autos anfühlt. Seit 2018 unterstützt er bis heute das Team von Red Bull als Simulator-Fahrer. Auch unter realen Bedingungen saß er mehrfach im Cockpit, zuletzt 2018 im Red Bull bei Testfahrten in Ungarn und Barcelona.

Schon 2013 durfte Dennis als Gewinner des einst prestigeträchtigen McLaren Autosport BRDC Award einen F1-Boliden aus Woking testen. Dennis hatte sich mit dem Meistertitel in der Formel Renault 2.0 NEC ins Rampenlicht gefahren.

Jake Dennis beim Formel-1-Test 2018 in Ungarn mit Red Bull
Jake Dennis 2018 bei F1-Testfahrten auf dem Hungaroring, Foto: LAT Images

"Schauen wir mal, was passiert", wollte sich Dennis nicht jede Türe versperren. "Aber ich mache weiter mit Red Bull und versuche ihnen zu helfen, ihre Rennautos zu entwickeln. Jetzt genieße ich erst mal meine Zeit in der Formel E und abseits der Strecke mit Familie und Freunden. Das Sozialleben ist mir wichtig. Ich mache in der Formel E weiter und habe kein Verlangen, IndyCar oder etwas Ähnliches zu fahren."

In der US-Formelserie engagiert sich Andretti ebenfalls. Dennis hatte 2022 bereits die Gelegenheit, sich mit dem schnellen Single-Seater bei einem Test vertraut zu machen. Seine Begeisterung für diese Kategorie hielt sich offenbar in Grenzen...

"Michael Andretti einer der coolsten Chefs"

Deutlich begeisterter war Team-Boss Michael Andretti von Dennis' Leistungen in der Formel E. Der frühere IndyCar/CART-Champion und Sohn von F1-Legende Mario Andretti besuchte seinen Formel-E-Rennstall dieses Jahr häufiger als sonst und schaute dem Team beim Heimrennen in Portland, Rom sowie London über die Schulter. In London stürmte er während des Samstagsrennens sogar kurzzeitig in die Garage von Motorenlieferant Porsche, um bei Vorstandsmitglied Michael Steiner seinen Unmut über die Vorgehensweise des Werksteams im Umgang mit Dennis zu äußern!

Dennis startet seit seinem Formel-E-Debüt 2021 für Andretti, bis Ende jener Saison das offizielle Werksteam von BMW. Nach dem Ausstieg der Münchner blieb Dennis der großflächig überarbeiteten Mannschaft um Teamchef Roger Griffith treu. Beim kuriosen Finale 2021 in Berlin konnte sich Dennis bis zu einem technikbedingten Ausfall sogar Hoffnungen auf den Titelgewinn im Rookie-Jahr machen. Der ging dann stattdessen an Nyck de Vries, Dennis wurde Gesamt-Dritter.

Dennis über sein Verhältnis zu Formel-1-Aspirant und Ex-Fahrer Andretti: "Wir wachsen immer mehr zusammen. Er ist sehr beschäftigt und am Anfang habe ich ihn nur zwei, drei Mal getroffen. Dieses Jahr kam er zu drei Rennen. Ich bin beeindruckt, was für ein Racer er ist. Der macht keinen Bullshit! Er sieht auch die Perspektive des Rennfahrers. Das ist schön, denn als Boss kann man so etwas verlieren. Das sieht man bei manchen CEOs und Vorstandsmitgliedern großer Teams: Das waren keine Rennfahrer und dann kann es mal schwierig sein, eine Verbindung herzustellen. Michael ist einer der coolsten Chefs, die ich jemals hatte."

Jake Dennis, Andretti und Orlando Bloom beim Formel-E-Rennen in London
Beim Formel-E-Finale: Andre Lotterer, Jake Dennis, Orlando Bloom und Michael Andretti, Foto: LAT Images

Dennis peilt Titelverteidigung in Formel E an

In der Formel E 2024 kann sich Dennis gute Chancen ausrechnen, wieder um den WM-Titel zu fahren. Die Antriebsstränge sind für zwei Saisons aus Kostengründen eingefroren und Porsche sowie Jaguar waren mehr als dominant. Dennis stimmte dieser Annahme zu, wenngleich er einen engeren Wettbewerb erwartet.

"Ich sehe nicht, dass andere Teams allzu große Schritte machen werden, weil wir da limitiert sind. Die Abstände werden geringer, aber die grundlegenden Vorzüge des Porsche-Motors bleiben bestehen. Ich bin jetzt der Nummer-1-Typ, den es zu schlagen gilt. Das ist ein cooles Gefühl."

Test im LMDh-Auto von BMW - Le Mans nicht Hauptziel

Zwar ist die Formel E Dennis' Hauptprogramm, gleichzeitig zählt er aber auch zum Werksaufgebot von BMW M Motorsport. Jüngster Neuzugang im 22-köpfigen Kader: Formel-E-Kollege Robin Frijns. Dieses Jahr gab Dennis mit dem BMW M4 GT3 von Walkenhorst sein Debüt beim 24h-Rennen Nürburgring, früher steuerte er bereits GT3-Rennwagen von Audi und Aston Martin.

Dennis' Talent ist den Münchnern schon damals in der Formel E nicht verborgen geblieben, und so ist er aktuell auch ins LMDh-Projekt eingebunden, mit dem BMW dieses Jahr die IMSA bestreitet und 2024 in die WEC bzw. nach Le Mans zurückkehrt.

Dennis: "Das BMW-Projekt ist sehr spannend mit der WEC. Ein paar Fahrer sind schon bestätigt. Bei mir ist das ein bisschen schwieriger, weil meine Priorität auf der Formel E liegt und es Überschneidungen im Kalender (WEC Spa und Formel E in Berlin noch zeitgleich; d. Red.) gibt. Aktuell genieße ich es, mit BMW zu testen. Ich würde liebend gern noch mal in Le Mans fahren und es wäre unglaublich, dort mit BMW zu gewinnen. Aktuell sehe ich das aber nicht als mein Hauptziel."

Formel-E-Tabelle 2023 nach 16/16 Rennen (Top-5)

Fahrer-Weltmeisterschaft

PositionFahrerPunkteTeam
1Jake Dennis229Andretti-Porsche
2Nick Cassidy199Envision-Jaguar
3Mitch Evans197Jaguar
4Pascal Wehrlein149Porsche
5Jean-Eric Vergne107DS Penske

Team-Weltmeisterschaft

PositionTeamPunkteFahrer
1Envision-Jaguar304Nick Cassidy/Sebastien Buemi
2Jaguar292Mitch Evans/Sam Bird
3Andretti-Porsche252Jake Dennis/Andre Lotterer
4Porsche242Pascal Wehrlein/Antonio Felix da Costa
5DS Penske163Jean-Eric Vergne/Stoffel Vandoorne