Geschlagene 517 Tage seit dem letzten Rennen in Berlin am 15. August 2021 ist es soweit: Die Abt-Mannschaft kehrt beim bevorstehenden Saisonauftakt in Mexiko-City (Samstag, 21:00 Uhr live bei ProSieben) in die Startaufstellung der Formel E zurück. Mit dem aus DTM-Zeiten bekannten Fahrer-Duo Nico Müller und Robin Frijns sowie Kundenautos von Indien-Autogigant Mahindra gibt der Rennstall aus Kempten sein Comeback.

Vor und während der Zeit als Audi-Team zählte Abt Sportsline mit einem Fahrer- und einem Teamtitel zu den erfolgreichsten Teams in der Geschichte der Formel E und sorgte gerade in Mexiko mit vier Siegen durch Lucas di Grassi (2017, 2019 in Mexiko-City, 2021 in Puebla) und Daniel Abt (2018 in Mexiko-City) mehrfach für Furore.

Formel E: Abt-Comeback unter anderen Vorzeichen

2023 erfolgt die Rückkehr der Äbte nach einem Jahr Auszeit jedoch unter gänzlich anderen Vorzeichen. Nachdem Abt-Teamchef Thomas Biermaier schon im Zuge der Comeback-Bekanntgabe zur Jahresmitte eher kleine Brötchen gebacken hatte, stapelte er unter dem Eindruck der offiziellen und einzigen Vorsaison-Testfahrten in Valencia Ende Dezember noch eine Schippe tiefer.

Formel-E-Pionier Biermaier zu Motorsport-Magazin.com: "Damals wollten wir ein bisschen Druck rausnehmen. Aber wie die letzten Wochen gelaufen sind, sind wir definitiv der Underdog. Wir waren mit Mahindra gegenüber den anderen Herstellern schon zu spät dran. Und wir als Kundenteam dann noch einen Schritt später. Für die ersten Rennen erwarten wir uns nicht allzu viel. Trotzdem ist der Ehrgeiz in der Truppe enorm hoch. Genau wie früher, wir wollen um Siege kämpfen! Aber der Weg dorthin wird ein längerer und härterer sein."

Foto: LAT Images
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Abt fehlen sechs bis acht Wochen Vorbereitung

"Sechs bis acht Wochen" seien die Äbte laut Biermaier mit der ohnehin knapp bemessenen Vorbereitungszeit vor dem Valencia-Test in Verzug geraten. Nur ein Beispiel, das verdeutlicht, mit welch heißer Nadel das Formel-E-Comeback gestrickt ist: In Valencia wurden an Müllers Gen3-Auto zum ersten Mal überhaupt die Räder montiert - dazu hatte es in der heimischen Teambasis in Kempten keine Zeit gegeben. Nur Frijns' Fahrzeug konnte auf dem Prüfstand getestet werden.

Mit den Rennautos legte das Team auf dem spanischen Kurs überhaupt die allerersten Kilometer zurück. Zuvor standen Abt Sportsline nur zwei der vier erlaubten Privat-Testtage zur Verfügung, um sich unter realen Bedingungen auf die Saison vorzubereiten. Sicherlich eine Folge der zahlreichen technischen Probleme mit diversen Einheitsbauteilen, die alle Hersteller weit zurückwarfen.

Abt Sportsline: Große Erfahrung - Cupra als Partner an Bord

Simulator-Sessions und das Know-how von Partner Mahindra mit den neuen Antriebssträngen von ZF mussten den Äbten also ausreichen. Immerhin: Ein Großteil der einstigen Formel-E-Erfolgstruppe ist an Bord geblieben und mit Frederic Espinos kommt der bisherige Sportdirektor der Formel E als neue Führungskraft. An Erfahrung und Möglichkeiten auch dank Partner Cupra, das rund 100 Gäste nach Mexiko-City eingeladen hat, mangelt es also nicht.

"Dass wir mit zwei Autos in der Startaufstellung von Mexiko stehen, ist für uns schon wie ein kleiner Sieg", ordnete Abt-SE-CEO Hans-Jürgen Abt die Situation ein. Um langfristig an die erfolgreichen Zeiten anknüpfen zu können, haben die Äbte eine eigene Formel-E-Abteilung samt Simulator und Mission Control in Kempten aufgebaut. Diesen Part übernahm in der Vergangenheit Werks-Partner Audi Sport mit seinem Motorsport-Standort in Neuburg an der Donau.

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Biermaier: Weniger Schwierigkeiten als erwartet"

Bei den viertägigen Testfahrten in Valencia ereilten Abt Sportsline - wie die meisten anderen Teams auch - weniger technische Schwierigkeiten als zunächst befürchtet. Reibungslos lief es allerdings nicht bei den Kundenautos von Frijns und Formel-E-Rückkehrer Müller. Mit 327 Runden legten sie vor NIO (315 Runden) und Envision (273) die drittwenigsten aller Teams zurück. Zum Vergleich: Kilometer-König und Newcomer Maserati spulte 502 Umläufe auf dem permanenten Kurs vor den Toren von Valencia ab.

Biermaier: "Eigentlich lief es so wie erwartet. Es handelt sich um komplett neue Fahrzeuge, die innerhalb kurzer Zeit aufgebaut wurden. Dass wir Probleme hatten, ist ganz normal. Das sind Kinderkrankheiten. Trotzdem muss ich sagen, dass wir weniger Schwierigkeiten hatten als erwartet."

Abt-Team vor Mexiko-Auftakt zurückhaltend

Die in Valencia aufgestellten Rundenzeiten an allen Tagen können getrost vernachlässigt werden, schließlich lautete die Devise aller Teams mangels Ersatzteilen, bloß nicht über die Grenzen hinaus und in die Mauer rein zu schießen. Der Vollständigkeit halber: In der kombinierten Zeitenliste belegte Formel-E-Veteran Frijns den zehnten Platz mit einer persönlichen Bestzeit von 1:25.597 Minuten und knapp einer halben Sekunde Rückstand zu Spitzenreiter Maximilian Günther im DS-Maserati. Teamkollege Müller (1:26.170) belegte die 19. Position im Reigen der 22 Autos.

Der zweifache Rennsieger Frijns wenige Tage vor dem ersten Saisonrennen in Mexiko-City: "Wir haben nicht viel Zeit im Rennauto verbracht vor dieser Saison, deshalb wird der Auftakt in Mexiko sicher eine große Herausforderung für unser Team. Wir müssen uns Schritt für Schritt herantasten. Aber wenn wir keine Fehler machen und das Auto mitspielt, sind wir auch in der Lage, um gute Punkte zu fahren."