Porsche hatte sich für seine dritte Saison in der Formel E vorgenommen, um Rennsiege und die Weltmeisterschaft kämpfen zu wollen. Mit dem Sieg - sogar ein Doppelsieg durch Pascal Wehrlein und Andre Lotterer - klappte es. Vom Titelkampf war das Werksteam allerdings meilenweit entfernt - nur Platz sieben in der Team-Wertung, ganze 185 Punkte hinter Weltmeister Mercedes. Beim Saisonfinale in Seoul stellte sich Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach den Fragen von Motorsport-Magazin.com.

Herr Laudenbach, wie fällt Ihre Bilanz zur dritten Saison von Porsche in der Formel E aus?
Thomas Laudenbach: Wir sind nicht zufrieden mit dem, was in den Ergebnislisten steht. Da haben wir einen höheren Anspruch. Man muss es aber differenziert betrachten. Wir haben uns in vielen Punkten verbessert, vor allem im Bereich des Qualifyings. Unterm Strich muss man aber sagen, dass wir einige Fehler gemacht haben, die wir teuer bezahlt haben. Etwa, als Pascal Wehrlein in Monaco in Führung liegend ausgefallen ist. So etwas sollte nicht passieren. In der Summe sehe ich eine positive Tendenz, aber mit Blick auf die Ergebnisse haben wir höhere Erwartungen.

Porsche hatte vor der Saison angekündigt, um Siege und Meisterschaften mitfahren zu wollen. Wurden diese Ziele klar verpasst?
Thomas Laudenbach: Wir hatten uns mehr erhofft und mehr vorgenommen, das ist klar - somit haben wir das Ziel verpasst. Wir haben beim Rennen in Mexiko einen Doppelsieg erzielt, waren aber nicht in der Lage, um die Meisterschaft zu fahren. Jetzt ein Pauschalurteil zu fällen, wäre in meinen Augen falsch. Unsere Aufgabe besteht darin, zu analysieren, warum wir nicht dort in der Tabelle standen, wo wir gerne gewesen wären und wo wir uns auch sehen. Es ist eine Reihe von Punkten in verschiedenen Bereichen, keine riesengroßen Schwachpunkte, in denen wir uns verbessern müssen und die eine hochkompetitive Rennserie wie die Formel E bestraft. Wir haben alle Zutaten, um erfolgreich zu sein. Wir müssen nur die Mahlzeit daraus noch kochen, dann werden wir auch weiter vorne sein.

Die Köche passen auch?
Thomas Laudenbach: Es ist noch zu früh, um dazu etwas sagen zu können. Wir schauen uns alles an und haben schon einige Punkte auf dem Zettel. Natürlich müssen wir Anpassungen vornehmen. Nichts zu tun, würde ja bedeuten, dass wir nichts verändern. Das werden wir auch ganz klar tun. Es wäre aber viel zu einfach zu sagen, dass wir einfach 'Köpfe austauschen' und dann ist alles gut. Es geht um Abläufe, technische Angelegenheiten und vielleicht auch personelle Dinge. Es geht aber immer ums Gesamtbild, denn ein Team besteht aus vielen Facetten.

Wir treffen Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach beim Formel-E-Finale in Seoul, Foto: Andreas Beil
Wir treffen Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach beim Formel-E-Finale in Seoul, Foto: Andreas Beil

Muss sich Porsche am anderen deutschen Hersteller in der Formel E, Mercedes, messen lassen, die in der gleichen Zeit zwei Fahrer- und zwei Team-Weltmeisterschaften gewonnen haben?
Thomas Laudenbach: Ich würde ungern sagen, dass sich Porsche an Mercedes messen lassen muss. Das ist nicht treffend. Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, kann man nur sagen, dass da vieles richtig gemacht wurde. Wir sehen auch an Mercedes, dass man nicht immer vorne sein kann. Man hat es aber oft geschafft, auch auf Strecken Punkte zu sammeln, die ihnen vielleicht nicht so gut lagen. Das macht eine Meisterschaft aus. In der Summe muss man sagen: Hut ab, guter Job.

Bevor Mercedes als Werksteam in die Formel E eingestiegen ist, hat 'Vorhut' HWA 2018/19 den Weg bereitet. Wäre ein solches Szenario, das übrigens auch Audi mit Abt und BMW mit Andretti nutzten, rückblickend für Porsche die bessere Wahl gewesen?
Thomas Laudenbach: Ich halte generell nichts davon, zu sagen: 'Lass das erst mal jemand anderen machen, weil wir dann später besser dastehen'. Das ist nicht unser Stil. Dass man in der Formel E sehr viel lernen muss und auch der Charakter der Rennserie sehr anders ist als das, was wir beispielsweise von der Langstrecke kennen, ist so. Insofern ist die Lernkurve länger als wir es uns erhofft hatten. Den Weg würde ich aber nicht als falsch bezeichnen, sondern als geradlinig.

Pascal Wehrlein im Porsche mit Spezial-Folierung für Seoul, Foto: Porsche AG
Pascal Wehrlein im Porsche mit Spezial-Folierung für Seoul, Foto: Porsche AG

Mit dem Saisonfinale hier in Seoul endet auch die Ära der Gen2-Autos. Wie bewerten Sie diesen vierjährigen Abschnitt der Formel E?
Thomas Laudenbach: Die Formel E entwickelt sich und transportiert in meinen Augen auch das richtige Thema. Man muss aber weiter hart daran arbeiten, die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu pushen. Gut ist, dass die Formel E ihr Alleinstellungsmerkmal mit Blick auf die Elektromobilität stärkt, also in Städten wie Seoul fährt. Natürlich wünschen wir uns immer mehr und auch eine schnellere Entwicklung. Ich würde auch nicht sagen, dass man mit der Formel E bereits dort angelangt ist, wo man hin muss. Man sieht aber eine klare Tendenz und das ist wichtig.

Der dreifache Le-Mans-Sieger Andre Lotterer verlässt das Formel-E-Team nach drei Jahren und kehrt mit Porsches LMDh-Projekt auf die Langstrecke zurück. War der Wechsel seine eigene Entscheidung?
Thomas Laudenbach: Wir haben das gemeinsam entschieden. Natürlich sind wir am Ende des Tages für den Erfolg verantwortlich und müssen auch das letzte Wort haben. Ich glaube aber nach meinen vielen Jahren Erfahrung im Motorsport, dass man am besten gemeinsam Entscheidungen trifft, die allen den richtigen Weg aufzeigen. Das versuchen wir bei Porsche immer mit unseren Fahrern und in fast allen Fällen funktioniert das auch. Mit Andre hat es gepasst und, um ehrlich zu sein, hatten wir da auch nie eine Diskussion.

Wäre ein Porsche-Doppelprogramm aus Formel E und LMDh für Lotterer eine Möglichkeit gewesen?
Thomas Laudenbach: Wir haben eine klare Philosophie: Es ist wichtig, dass unsere Werksfahrer immer ein klares Fokus-Projekt haben. Das hat Priorität. Und es stehen noch nicht alle Rennkalender für 2023 fest. Ob er dann darüber hinaus noch etwas tut, weil es sich ergibt, das lassen wir offen. Natürlich nutzen wir gerne unsere Top-Piloten für möglichst viele Aktivitäten, aber dabei wollen wir keine Kompromisse machen. Wir wollen Rennen gewinnen.

Der frühere Champion und diesjährige Le-Mans-Klassensieger Antonio Felix da Costa folgt bei Porsches Formel-E-Team auf Lotterer. Wird er auch Langstrecken-Rennen für Porsche bestreiten?
Thomas Laudenbach: Antonio wird ein klares Projekt haben, das ist die Formel E und darauf liegt sein Fokus zu 100 Prozent. Wenn alle Details geklärt sind und es sich ergibt, dass er noch mehr für uns tun kann, sehr gerne. Antonio ist generell ein schneller Fahrer und bringt gerade in der Formel E viel Erfahrung mit. Seine Ergebnisse sind bekannt. Für uns war aber auch wichtig, dass er zu uns passt. Er hat eine positive Ausstrahlung und ist ein positiver Typ. Das ist ganz wichtig. Wir werden ihn zu 100 Prozent bei Porsche integrieren. Wenn wir Fahrer verpflichten, dann immer mit einem langfristigen Ausblick.

Nach aktuellem Stand hat sich Porsche für die Saisons 9 und 10 zur Formel E bekannt. Gilt das auch für den neuen Kundenauto-Deal mit Andretti?
Thomas Laudenbach: Mehr können wir aktuell nicht zusagen. Wir hatten von Beginn an eine Projektgenehmigung für fünf Jahre, auch, wenn das nicht synchron zu den Generationen (Wechsel von Gen2 auf Gen3; d. Red.) ist. Über alles Weitere ist noch nicht entschieden. Insofern wären wir aktuell gar nicht in der Lage, einem Kundenteam mehr zuzusagen. Das wäre nicht fair. Wir haben mit offenen Karten gespielt und Andretti hat das akzeptiert.

Im Hintergrund läuft die Entwicklung der Gen3-Autos auf Hochtouren. Wir hören von mehreren Problemen bei allen Herstellern mit den Einheitsbauteilen. Wie gehen Sie damit um?
Thomas Laudenbach: Natürlich ärgert uns das und es ist nicht zufriedenstellend, aber unsere Hebel sind begrenzt, weil es sich nicht um unsere eigenen Lieferanten handelt. Wir liefern so viele Informationen wie möglich und das erwarte ich auch von den anderen Teams. Wir müssen bei den Einheitsbauteilen alle mit offenen Karten spielen. Einerseits stehen wir zur Idee der Einheitsbauteile mit der Kosten-Nutzen-Rechnung. Es ist kein Geheimnis, dass beim LMDh-Projekt, in dem ebenfalls einheitliche Komponenten eingesetzt werden, auch nicht alles reibungslos verläuft. Für die Zukunft muss man auch mit denen sprechen, die diese Vergaben vornehmen. Nicht wir beauftragen diese Lieferanten, sondern im Regelfall die FIA. Ich glaube, dass man da in Zukunft etwas andere Maßstäbe anlegen muss. Wir können viele Pläne aufstellen, Termine für Testfahrten buchen, das kostet alles sehr viel Geld. Wenn wir es dann aber nicht selbst in der Hand haben, weil die Qualität nicht stimmt, dann tut das richtig weh. Wir lernen alle miteinander, aber wir erwarten von den Sportbehörden und den Einheitsbauteil-Lieferanten, dass man sich verbessert. Was wir in der Formel E alle nicht brauchen können, sind technische Ausfälle an Einheitsbauteilen beim ersten Rennen. So etwas darf eine Meisterschaft nicht entscheiden.

Gen3-Entwicklung, LMDh-Prototyp für WEC und IMSA, neues GT3-Auto - das alles für 2023 - und im Hintergrund der mögliche Einstieg in die Formel 1: Wie kann Porsche Motorsport dieses Mammutprogramm abbilden?
Thomas Laudenbach: Wenn wir glauben würden, dass es nicht stemmbar ist, dann würden wir es nicht machen. Neben den von Ihnen angesprochenen Projekten haben wir noch Cup- und Clubsport-Autos sowie rund 30 Markenpokale weltweit. Wir sind eine Multiprojekt-Landschaft. Das hat Vorteile, weil wir Kapazitäten zwischen den Projekten shiften können. Teilweise auch Nachteile, weil man sich nicht nur auf ein Projekt fokussieren kann. Es ist eine Riesenherausforderung, keine Frage. Porsche hat ein eindeutiges Commitment zum Motorsport, mit Blick auf die Breite vielleicht mehr als jede andere Marke. Von meiner Seite ein großes Kompliment an unsere Vorstände, die dieses Bekenntnis auch umsetzen.