*** Achtes und letztes Rennwochenende der Formel-E-Saison 2022 in Südkoreas Hauptstadt Seoul. Die Elektro-Serie gastierte erstmals in der 10-Millionen-Metropole, nachdem das Debüt schon für 2020 angepeilt gewesen war. Die Saison 9 beginnt am 14. Januar 2023 in Mexiko-City

*** Ergebnis Rennen 1 (Top-10): 1. Mitch Evans, 2. Oliver Rowland, 3. Lucas Di Grassi, 4. Jake Dennis, 5. Stoffel Vandoorne, 6. Jean-Eric Vergne, 7. Pascal Wehrlein, 8. Robin Frijns, 9. Antonio Felix da Costa, 10. Nick Cassidy

*** Ergebnis Rennen 2 (Top-10): 1. Edoardo Mortara, 2. Stoffel Vandoorne, 3. Jake Dennis, 4. Robin Frijns, 5. Oliver Askew, 6. Jean-Eric Vergne, 7. Mitch Evans, 8. Nick Cassidy, 9. Sebastien Buemi, 10. Antonio Felix da Costa

*** Stoffel Vandoorne sicherte sich mit dem zweiten Platz im letzten Rennen souverän die Weltmeisterschaft vor seinem letzten verbliebenen Titelrivalen Mitch Evans (Jaguar). Mit einer Ausbeute von 213 Zählern erzielte der Belgier mehr Punkte als jeder andere Formel-E-Meister zuvor und knackte als Erster die 200er-Marke

*** Mercedes verteidigte den Titel sowohl in der Fahrer- als auch in der Hersteller-Meisterschaft. Eine doppelte Titelverteidigung war zuvor keinem anderen Team in der Geschichte der Formel E gelungen. Nach drei Jahren als Werksteam (plus einem Jahr als HWA-Vorhut) steigen die Silberpfeile nun als nächster deutscher Hersteller zum Saisonende aus

*** Neueinsteiger McLaren übernimmt bekanntlich die Startlizenz von Mercedes und gleichzeitig einen Großteil des Teams mit Schlüsselpersonen wie Ian James, Gary Paffett oder Franco Chiocchetti. Vandoorne ist kein Teil des Projekts, doch der neue Weltmeister bestätigte in Seoul in einem Anflug von Euphorie erstmals öffentlich: "Ich fahre 2023 wieder Formel E." Noch nicht offiziell verkündet: Vandoorne soll Teamkollege von Jean-Eric Vergne beim neuen DS-Partnerteam Dragon werden

*** Zu 100 Prozent lief es für Vandoorne übrigens nicht rund in Seoul: Eine Geldstrafe von 5.000 Euro werden er bzw. das Team jedoch verschmerzen können. Vor dem Sonntagsrennen kam heraus, dass Mercedes an Vandoornes Auto nicht die korrekte Anzahl eines Teiles von einem Zulieferer im Wagenpass eingetragen hatte

*** Was kaum jemand mitbekam: Mercedes hatte nach dem Samstagsrennen einen Protest eingelegt gegen das Andretti-Auto von Jake Dennis - der Brite belegte im Rennen den vierten Platz direkt vor Vandoorne... Warum die Silberpfeile den Protest selbst zurückzogen wegen einer "Nichtigkeit", haben wir in diesem Artikel aufgeschrieben:

*** Am Sonntag bestritt die Formel E in Seoul das 100. Rennen ihrer Geschichte. Neben einigen Teammitgliedern wie Techeetah-Teamchef Mark Preston war Lucas di Grassi, der einzige Fahrer, der sämtliche Rennen gefahren ist. Am Samstag knackte der Venturi-Pilot - ab 2023 bei Mahindra - als erster Fahrer zudem die 1.000-Punkte-Marke

*** Ebenso erlebte die Formel E das letzte Rennen mit den Gen2-Autos. Die Boliden haben nach vier Jahren im Einsatz und nur einer erlaubten technischen Überarbeitung ausgedient und werden ab 2023 durch die Gen3-Wagen mit bis zu 475 PS ersetzt. Das 'Crash-Festival' beim letzten Gen2-Rennen blieb trotz einiger Befürchtungen aus

*** Gen3 ist schon längst ein Thema im Fahrerlager. Die Testfahrten mit den neuen Autos verlaufen stockend. Probleme mit Einheitsbauteilen bereiten den Herstellern einiges an Kopfzerbrechen. Nach acht Jahren Michelin erhält die Formel E mit Hankook zudem einen neuen Reifenpartner. Der aus der DTM bekannte Hankook-Motorsport-Chefingenieur stattete dem Finale in Seoul einen Besuch ab

*** Ebenfalls im Fahrerlager anzutreffen: Roger Köhler, Teammanager von Abt Sportsline. Der Rennstall aus Kempten kehrt kommende Saison in die Formel E zurück. Den Motoren-Deal mit Mahindra hatte das frühere Audi-Werksteam bereits in London zwei Wochen zuvor offiziell bekanntgegeben

*** Porsche startete in Seoul mit einer grau-blauen Spezial-Lackierung, angelehnt an ein neues Uhrenmodell eines Teamsponsors. Andre Lotterer, der seinen letzten Einsatz beim Porsche-Werksteam hatte, witzelte: "Ein tolles Abschiedsgeschenk, das hätte ich gar nicht erwartet!"

Foto: Porsche AG
Foto: Porsche AG

*** Lotterers letzter Auftritt für Porsche in der Formel E verlief nicht nach Wunsch: In beiden Rennen fiel der 40-Jährige schon in der Startrunde aus. Ob wir den dreifachen Le-Mans-Sieger 2023 wiedersehen? Unsere Spekulationen, dass er einige Rennen für das neue Porsche-Kundenteam Andretti bestreiten könnte, bleiben ein heißes Thema

*** Bei der Massen-Karambolage wurde Lotterers Porsche übrigens derart stark beschädigt, dass er eine neue Sicherheitszelle für den Sonntag benötigte. Er hatte beim Crash mit acht Autos die Kontrolle auf der regennassen Fahrbahn verloren und rutschte in den Mercedes von Nyck de Vries. Der Silberpfeil-Pilot war zu diesem Zeitpunkt unter dem Nissan von Sebastien Buemi eingeklemmt. "Halo hat mich gerettet", atmete de Vries nach der 43-minütigen Unterbrechung auf

*** Bis zum Rennende war die Strecke größtenteils aufgetrocknet und überhaupt bewahrheiteten sich die Großen Sorgen eines Regen-Chaos in Seoul nicht. Richtig nass war es nur im Qualifying am Samstag, die Bedingungen stellten eine absolute Herausforderungen für die teilweise wild rutschenden Piloten dar. Zu Beginn der Woche hatte Seoul die schwersten Regenfälle seit Jahrzehnten erlebt - vor allem im Viertel Gangnam unweit der Strecke. 13 Menschen kamen bei schweren Überschwemmungen in der Region ums Leben

*** Die 2,6 Kilometer lange Strecke inklusive einer Durchfahrt durch das Olympia-Stadion von 1988 wirkte in ihrer Aufmachung spektakulär. Im Stadion wurde Beton über der Tartanbahn aufgeschüttet, um die Strecke zu bauen. Der Asphalt kann im Nachhinein restlos abgetragen werden. Dass Überholmanöver aber ein Kunststück sind, stellten wir schon beim Track-Walk fest. Die Attack-Mode-Zone war so angebracht, dass Positionswechsel praktisch nicht möglich war. Überholen konnten die Fahrer nur im letzten Sektor mit den langen Geraden. Da die Strecke aber wenig Energie-sensitiv war aufgrund des kurvigen ersten Sektors und des engen Stadion-Abschnitts, war die Renn-Action überschaubar

*** Ein eigenes Bild von der Strecke konnten wir uns nicht nur beim Track-Walk am Freitagmorgen und aus Gesprächen mit den Teams machen, sondern auch bei einer exklusiven Mitfahrt in einem Porsche Taycan, auf dem das offizielle Safety Car der Formel E basiert

*** Überschaubar war das Zuschauerinteresse in Seoul. Offizielle Zahlen gibt es nicht, wir tippen auf nur wenige tausende Besucher im Stadion - dem einzigen Ort mit Sitzplätzen entlang der Strecke. Bei den Baseball-Spielen im Stadion direkt neben der Strecke war abends deutlich mehr los und auch ein großes Musik-Festival in der Nähe zog weitaus mehr Zuschauer an

*** Kritiker würden behaupten, dass selbst bei der verrückten Pikachu-Parade am Sonntagmorgen rund um die Strecke mehr los war... Den Grund für dieses Schauspiel kennen wir bis heute nicht, aber die Stimmung war bestens, als rund 50 der berühmten Pokemon durch die Gegend hoppelten. Wären die Elektro-Nagetiere nicht auch die perfekten Grid-Girls/Boys vor den Rennen gewesen?

In Seoul gerieten wir in die wilde Pikachu-Parade, Foto: Motorsport-Magazin.com
In Seoul gerieten wir in die wilde Pikachu-Parade, Foto: Motorsport-Magazin.com

*** Richtig voll war es unterdessen im Emotion Club, dem VIP-Bereich mit Sicht auf die Strecke. Wie wir aus verschiedenen Kreisen gehört haben, soll das Tages-Ticket (von 10:00 bis 18:00 Uhr) über 3.000 Euro gekostet haben...

*** Auch ProSieben durfte sich zum Abschluss der Saison nach dem Wechsel von Sat.1 über gute Quoten zum Finale freuen - sogar die besten des gesamten Jahres! Die Rennen, die jeweils um 09:00 Uhr deutscher Zeit begannen, bescherten dem TV-Sender starke 10,2 bzw. 8,5 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Ein versöhnlicher Abschluss einer durchschnittlichen TV-Saison

*** Mit Norman Nato und Sacha Fenestraz gingen in Seoul gleich zwei Ersatzfahrer für angeschlagene Stammpiloten an den Start. Natos Einsatz bei Jaguar anstelle von Sam Bird (Mittelhandbruch) war ohnehin klar. Nachdem sich Dragon-Pilot Antonio Giovinazzi im Samstagsrennen ebenfalls an der Hand verletzt hatte, sprang kurzfristig Fenestraz beim US-Rennstall ein und kam so zu seinem Formel-E-Debüt

*** Fenestraz, eigentlich als zweiter Ersatzfahrer von Jaguar mit nach Seoul gereist, wird für 2023 mit einem Stammcockpit bei Nissan in Verbindung gebracht. Wir sahen den jungen Franzosen am Sonntagabend im Fahrerlager im angeregten Gespräch mit einem Mitarbeiter des Autobauers aus Japan...

*** Für Giovinazzi dürfte das Abenteuer Formel E nach nur einer Saison mit Hinterherfahr-Team Dragon/Penkse wieder beendet sein. Der ehemalige Formel-1-Fahrer sprach von einer schwierigen Erfahrung - null WM-Punkte am Ende. Dragon-Teamkollege Sergio Sette Camara soll nach unseren Informationen zu einem anderen Team in der Formel E wechseln