Am Samstagabend wagte sich Giancarlo Fisichella noch nicht offen davon zu sprechen. Der Überraschungs-Pole-Mann des Belgien GP sprach von den ersten Punkten seines Force India Teams, möglicherweise einem Podestplatz, aber keinesfalls einem Sieg, der sei noch etwas zu hoch angesiedelt. Kimi Räikkönen sprach hingegen offen vom ersten Ferrari-Triumph der Saison 2009 - ausgerechnet in Spa-Francorchamps, wo Räikkönen vor dem Rennen bereits drei Siege in seiner Karriere gefeiert hatte und der einzige Spa-Sieger im Starterfeld war.

Gleich am Start nutzte der Finne seinen KERS-Vorteil - und die asphaltierte Auslaufzone in La Source - und katapultierte sich bis auf Platz 3 nach vorne. Nur wenig später fand er sich zu Beginn der Safety Car Phase auf Platz 2 hinter Fisichella wieder. Diesen schnappte er sich nach dem Re-Start und gab die Führung danach nur noch bei seinen beiden Boxenstopps ab.

Beide Stopps absolvierte er in der gleichen Runde wie Fisichella, wodurch der Italiener keine Chance hatte, durch schnelle Runden rund um die Stopps in Führung zu gehen. Auf den Runden dazwischen fuhr Fisichella mindestens genauso schnell wie der Ferrari vor ihm, kam an dem KERS bestückten F60 aber nicht vorbei. "Ich wusste, dass ich gleich nach dem Restart an ihm vorbeigehen musste", erklärte Räikkönen. "Wenn ich es nicht gleich geschafft hätte, wäre es schwierig geworden. Deshalb habe ich sicher gestellt, dass ich nach der ersten Kurve nah dran war, auch in Eau Rouge, obwohl ich dort oben etwas Untersteuern bekam, dann habe ich KERS eingesetzt und bin neben ihn gefahren und vorbei gekommen."

Für Räikkönen war der erste Sieg in dieser Saison eine Erlösung. "Es ist kein einfaches Jahr für uns, aber heute lief es perfekt. Es war mein Ziel, mindestens ein Rennen in dieser Saison zu gewinnen, das hat jetzt geklappt. Wir waren nicht die Schnellsten, aber es ist uns gelungen, alle hinter uns zu halten." Fisichella bestätigte diese Einschätzung: "Ich hätte gewinnen können, aber auch Platz 2 ist ein tolles Ergebnis für uns. Ich war schneller als Kimi, aber er hat mich mit KERS überholt. Deshalb bin ich etwas traurig. Ich war schneller und konnte seine Pace mitgehen. Es ist toll, Zweiter zu sein und nur um eine Sekunde geschlagen worden zu sein, aber wir hätten gewinnen können."

Guter Tag für Vettel

Giancarlo Fisichella konnte mit dem Ferrari mithalten., Foto: Sutton
Giancarlo Fisichella konnte mit dem Ferrari mithalten., Foto: Sutton

Hinter Räikkönen und Fisichella schlich sich Sebastian Vettel in einem unauffälligen Rennen auf den dritten Podestplatz. Der Deutsche konnte den BMW Sauber von Robert Kubica beim letzten Stopp überholen und so sechs wichtige Punkte im Titelkampf einfahren. Da seine Titelrivalen Jenson Button und Mark Webber leer ausgingen und Rubens Barrichello einen rauchenden Brawn als Siebter über die Ziellinie schleppte, hat Vettel als WM-Dritter nur noch 19 Punkte Rückstand auf Button und drei Punkte Rückstand auf Barrichello.

"Wir haben mehr Punkte geholt als unsere WM-Rivalen, insofern ist es ein Wunschergebnis, obwohl ich natürlich noch lieber gewonnen hätte", sagte Vettel. "Aber das war das Bestmögliche, was wir nach dem Qualifying erreichen konnten." Vettel gestand, dass er in der ersten Runde vielleicht etwas zu konservativ und vorsichtig gewesen sei. "Im zweiten und dritten Stint lief das Auto aber fantastisch. Ich habe keinen einzigen Fehler gemacht, die ganze Zeit gepusht wie im Qualifying und es war wirklich bis zur Zielflagge ein tolles Rennen."

Die WM sieht Vettel weiterhin als offen an. "Sie verläuft verrückt. Früher wusste man schon nach wenigen Rennen, wer den Titel gewinnen würde. Jetzt ist es wichtig, konstant zu sein. Bislang war das nicht unsere Stärke, aber wir haben Jenson sechs Punkte abgenommen." Auch Teamchef Christian Horner war voll des Lobes: "Kimi hat heute einen super Job gemacht und Force India war unglaublich schnell", sagte er. "Platz 3 war das Maximum für uns. Sebastian ist ein fantastisches Rennen gefahren, hat keine Fehler begangen und wir waren im Mittelsektor sehr schnell, in den Sektoren 1 und 3 hatten wir jedoch große Probleme."

Chaos rund um Eau Rouge

Bereits am Start ging es hoch her: Auf dem Weg in die erste Kurve La Source gab es einige Berührungen und Kontakte, unter anderem zwischen Adrian Sutils Frontflügel und Fernando Alonsos linkem Vorderrad, was später zum Ausfall des Spaniers führen sollte. Auch Lewis Hamilton bekam auf dem Weg in die erste Haarnadel einen Schlag ab. Ein Auslöser für das Chaos war Rubens Barrichello, der zunächst stehen blieb, dann nur schleppend wegkam und so weit zurückfiel.

Vorne setzte sich Nick Heidfeld gegen Jarno Trulli durch, wurde bei dieser Gelegenheit aber von seinem Teamkollegen Robert Kubica überholt. Kimi Räikkönen wich dem Durcheinander links neben der Strecke aus und beschleunigte dort bis auf Platz 3 nach vorne in Richtung Eau Rouge. Nach dieser High-Speed-Kurve schnappte sich Räikkönen den BMW Sauber von Kubica, kam jedoch auf den Randstand und fuhr über die Wiese. Danach rutschte ihm ein BMW Sauber leicht ins Heck. Der Ferrari blieb jedoch unbeschädigt.

Das galt nicht für die Autos von Jenson Button, Romain Grosjean, Lewis Hamilton und Jaime Alguersuari, die alle in der gleichen Kurve ausschieden und noch einige andere Fahrzeuge ins zweite Chaos des Rennens miteinbezogen, die danach zu Notstopps an die Box kommen mussten, darunter Jarno Trulli und Adrian Sutil.

Schon inh Kurve 1 war es eng., Foto: Sutton
Schon inh Kurve 1 war es eng., Foto: Sutton

"Das war Pech", sagte WM-Leader Button, der schon in der ersten Runde draußen war. "Ich hatte einen guten Start, war nach Eau Rouge außen neben Heikki Kovalainen, habe eingelenkt und dann hat Grosjean wohl den Bremspunkt nicht richtig erwischt und mich umgedreht. Ich denke, es war genug Platz für zwei Autos. Es ist frustrierend, weil ich viele Plätze gutgemacht hatte, aber ich falle lieber in so einem Rennen aus, in dem ich eh nicht gut dabei war." Die Zwischenfälle zwischen Button und Grosjean sowie Hamilton und Alguersuari, die eine Kettenreaktion verwickelt waren, werden nach Rennende von der Rennleitung untersucht.

Spannung bis zuletzt

In einem von spannenden Überholmanövern geprägten Rennen hielt die Spannung bis zur Zieldurchfahrt an. Drei Runden vor Rennende begann der Brawn-Bolide von Rubens Barrichello zu rauchen, das Team vermutete zunächst ein Motorenproblem, dann ein Ölleck. Barrichello rettete sich jedoch als Siebter vor Nico Rosberg und Mark Webber ins Ziel. Seinen Angriff auf den Sechsten Heikki Kovalainen musste er aber abbrechen, so dass der McLaren-Pilot hinter den BMW Sauber von Robert Kubica auf Platz 4 und Nick Heidfeld auf Platz 5 ins Ziel einlief.

"Lewis wurde durch einen unverschuldeten Crash gleich in Runde eins eliminiert, Heikki - als 15. gestartet - wurde Sechster, mehr ging nicht", gestand Norbert Haug. Mark Webber blieb als Neunter ohne WM-Zähler. Der Australier war bei seinem Boxenstopp zu früh vom Team losgelassen worden, so dass er beinahe mit Nick Heidfeld kollidierte. Dafür bekam er eine Drive-Through-Strafe, die ihm die Chance auf ein besseres Ergebnis verhagelte.

Neben den vier Erstrundenunfallopfern sahen auch Jarno Trulli und Fernando Alonso die Zielflagge nicht. Der Italiener stellte seinen Toyota nach einem missglückten Boxenstopp in selbiger ab, der Spanier hatte bei seinem ersten Stopp Probleme mit der linken Radkappe, die am Start von Sutils Frontflügel getroffen worden war. Um keinen Verlust der Radkappe und des Rades zu riskieren, zog das Team Alonsos Auto nach einer weiteren Runde zurück.